Ex-Federer-Coach Lundgren im grossen Interview
«Es war zu Beginn nicht ganz einfach mit ihm»

Peter Lundgren hat wieder im Schweizer Tennis angedockt. Der frühere Federer-Coach ist nun Mentor von Top-Talent Dominic Stricker – und plaudert für SonntagsBlick aus dem Nähkästchen.
Publiziert: 21.05.2023 um 09:13 Uhr
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Aktualisiert: 21.05.2023 um 12:47 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Blick: Herr Lundgren, wie geht es Ihnen? Wo erreichen wir Sie gerade?
Peter Lundgren:
Ich bin zu Hause – und geniesse die schwedische Sonne. (Lacht.) Ich bin 35 Jahre lang durch die Welt gejettet, jetzt bin ich wieder in meiner Heimatstadt Sundsvall und kümmere mich um meine bald 87-jährige Mutter. Wir kommen ganz gut klar miteinander. Und es ist schön hier, nicht zu klein, nicht zu gross. Sundsvall ist ein bisschen wie Bern.

Sie waren erst kürzlich in der Schweiz, als Sie Dominic Stricker besuchten, für den Sie nun in beratender Funktion tätig sind.
Genau. Es war schön, nach langer Zeit, wieder mal vorbeizuschauen. Es hat sich einiges getan in Biel, die Tennis-Infrastruktur ist beeindruckend. Und mit Dominic habt ihr ein Talent, dem ich viel zutraue.

Was sehen Sie in ihm?
Ich mag ihn als Spieler. Wir haben fast täglich Kontakt. Er hat einen guten Service, ein gutes Auge und auf jeden Fall das Potenzial für die Top 50, vielleicht auch Top 20. Dafür muss er aber noch hart an sich arbeiten.

Unter Coach Peter Lundgren holte Roger Federer 2003 in Wimbledon seinen ersten Grand-Slam-Titel.
Foto: Keystone
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Was fehlt ihm noch?
Er hat gerade das Challenger-Turnier in Prag gewonnen, flog danach aber direkt in Runde 1 wieder raus. Er muss in der Lage sein, jede Woche stark zu sein. Körperlich sowie mental. Aber er kam direkt aus einer Verletzung und ist noch jung, erst 20, es wartet noch viel auf ihn. In der Quali für Roland Garros sehe ich aber gute Chancen für ihn.

Sie sind nun in der Rolle des Mentors, der aus der Distanz Ratschläge erteilt. Reizt es Sie nicht mehr, als Coach unterwegs zu sein?
Nun, Coach bin ich immer noch. Aber ich war so lange auf der Tour, dass ich das sicher nicht mehr in einem Fulltime-Job machen möchte. 12 bis 14 Wochen kann ich mir vorstellen, mehr nicht. Aber ich bin immer noch gut informiert, habe alle Kanäle, um die Turniere zu verfolgen. Wenn mein früherer Spieler Stan Wawrinka etwa gerade in Rom spielt, dann schaue ich zu. Aber halt aus Schweden.

Persönlich: Peter Lundgren

Peter Lundgren (58) war von 1983 bis 1995 als Profi auf der ATP-Tour unterwegs. Er war einer von zahlreichen Top-Spielern Schwedens, die in Folge des Aufschwungs unter Legende Björn Borg (66) die Tennis-Welt aufmischten. Lundgren stiess einst auf Platz 25 der Weltrangliste vor und gewann drei Einzel-Titel, ehe er mit 30 seinen Rücktritt gab, um danach Trainer zu werden. Nach einem Engagement im Nachwuchs von Swiss Tennis wurde er im Jahr 2000 Coach des damals aufstrebenden Roger Federer (41). Die Zusammenarbeit gipfelte 2003 im Wimbledonsieg, Federers erstem Grand-Slam-Titel. Danach trennte sich der Schweizer von Lundgren, der später auch noch Stan Wawrinka (38) sowie weitere Stars wie Marat Safin (43), Marcos Baghdatis (37) und Grigor Dimitrov (32) trainierte. Seit dem Frühjahr 2023 ist er im Team des Berners Dominic Stricker (20) in beratender Funktion tätig.

Peter Lundgren (58) war von 1983 bis 1995 als Profi auf der ATP-Tour unterwegs. Er war einer von zahlreichen Top-Spielern Schwedens, die in Folge des Aufschwungs unter Legende Björn Borg (66) die Tennis-Welt aufmischten. Lundgren stiess einst auf Platz 25 der Weltrangliste vor und gewann drei Einzel-Titel, ehe er mit 30 seinen Rücktritt gab, um danach Trainer zu werden. Nach einem Engagement im Nachwuchs von Swiss Tennis wurde er im Jahr 2000 Coach des damals aufstrebenden Roger Federer (41). Die Zusammenarbeit gipfelte 2003 im Wimbledonsieg, Federers erstem Grand-Slam-Titel. Danach trennte sich der Schweizer von Lundgren, der später auch noch Stan Wawrinka (38) sowie weitere Stars wie Marat Safin (43), Marcos Baghdatis (37) und Grigor Dimitrov (32) trainierte. Seit dem Frühjahr 2023 ist er im Team des Berners Dominic Stricker (20) in beratender Funktion tätig.

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Um Ihr Heimatland ist es im Vergleich zu den goldenen früheren Zeiten sehr ruhig geworden. Mit Mikael Ymer (ATP 52) ist nur ein Schwede in den Top 100 bei den Männern. Und mit Rebecca Peterson (WTA 87) auch nur eine Frau.
Ja, das ist in der Tat traurig. Ich habe ein paar Camps in Stockholm besucht, da waren die besten Spieler des Landes. Doch wenn ich das in den direkten Vergleich setze, steht die Schweiz viel besser da. Die Talente sind bei euch deutlich stärker, das ist ein grosser Unterschied.

Was ist passiert mit der einst so stolzen Tennisnation um Björn Borg, Stefan Edberg und Co.?
Es ist irre: Wir waren einst die Besten. Ich war mal die Nummer 25 der Welt, aber in Schweden verrückterweise nur die Nummer 7. Doch es hat sich vieles verändert. Schweden bietet nicht so viel wie beispielsweise die Schweiz, wo die Rahmenbedingungen mit zahlreichen heimischen Turnieren gut sind, dass auch mal wirklich gute Spieler herauskommen können.

Nach Roger Federer und Stan Wawrinka liegen die Hoffnungen hierzulande vor allem auf Belinda Bencic, die von ihrem ersten Grand-Slam-Titel träumt.
Sie ist eine grossartige Spielerin und hat absolut das Zeug dazu. Sie ist schon ganz vorne dabei – und da ist es bei den Frauen eine weitgehend ausgeglichene Sache. Ich wünsche es mir für sie, dass sie nach Roger Federer (2018, Australian Open, d. Red.) die Nächste ist.

Die Schweizer in Paris

Männer:

Hauptfeld (Sonntag, 28. Mai bis 11. Juni): Marc-Andrea Hüsler (ATP 82), Stan Wawrinka (ATP 84)

Qualifikation (Montag, 22. bis Freitag, 26. Mai): Dominic Stricker (ATP 115), Leandro Riedi (ATP 158), Alexander Ritschard (ATP 191), Antoine Bellier (ATP 203), Henri Laaksonen (ATP 223)

Junioren (4. bis 10. Juni): Patrick Schön (ohne ATP-Ranking)

Frauen:

Hauptfeld: Belinda Bencic (WTA 11), Jil Teichmann (WTA 58)

Quali: Viktorija Golubic (WTA 115), Simona Waltert (WTA 122), Ylena In-Albon (WTA 132), Joanne Züger (WTA 200), Céline Naef (WTA 209), Susan Bandecchi (WTA 328)

Männer:

Hauptfeld (Sonntag, 28. Mai bis 11. Juni): Marc-Andrea Hüsler (ATP 82), Stan Wawrinka (ATP 84)

Qualifikation (Montag, 22. bis Freitag, 26. Mai): Dominic Stricker (ATP 115), Leandro Riedi (ATP 158), Alexander Ritschard (ATP 191), Antoine Bellier (ATP 203), Henri Laaksonen (ATP 223)

Junioren (4. bis 10. Juni): Patrick Schön (ohne ATP-Ranking)

Frauen:

Hauptfeld: Belinda Bencic (WTA 11), Jil Teichmann (WTA 58)

Quali: Viktorija Golubic (WTA 115), Simona Waltert (WTA 122), Ylena In-Albon (WTA 132), Joanne Züger (WTA 200), Céline Naef (WTA 209), Susan Bandecchi (WTA 328)

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Unter Ihnen hat Federer 2003 seinen ersten Grand-Slam-Titel gewonnen. Worauf sind Sie rückblickend besonders stolz, wenn Sie an jene erfolgreiche Zusammenarbeit zurückdenken?
Wir hatten einfach ein gutes Team beisammen. Klar: Als Peter Carter, Rogers früherer Coach, plötzlich verstarb, war das für uns alle enorm hart. Er war ein guter Freund für uns alle, und ich hoffe, er hat im Himmel zugeschaut, wie sich Roger entwickelt hat. Neben Robert Federer natürlich hatten Peter Carter und ich auch so etwas wie eine Vaterrolle für Roger – weil er noch so jung und unerfahren war. Es war zu Beginn nicht ganz einfach mit ihm. Er hatte viel Temperament und hat das in den Spielen zu oft gezeigt. Doch er hat sehr rasch realisiert, dass er sich ändern muss. Er lernte extrem schnell und fand immer einen Weg, Probleme zu lösen. Als er 2003 dann Wimbledon das erste Mal gewann, war ich unglaublich glücklich für ihn. Es war schön, ihn diesen Schritt machen zu sehen. Ich genoss die Zeit mit ihm. Und werde bis heute jeden Tag daran erinnert.

Schnappschüsse: Roger Federer und Peter Lundgren – ein Blick ins Archiv. Klicken Sie sich durch!
Foto: SOL
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Ihre liebste Federer-Anekdote?
Nachdem er 2001 in Mailand sein erstes ATP-Turnier gewonnen hatte, nahm ich ihn zur Seite und sagte im Scherz: Gut, jetzt liegst du nur noch zwei Titel hinter mir. Roger hatte nur ein Lächeln dafür übrig. Und ich wusste direkt: Da wird noch einiges folgen.

Er beendete seine Karriere mit 103 Titeln.
Ja, sagenhaft. Absolut verrückt. Er hat es nicht nur mir gezeigt.

Wie oft haben Sie noch Kontakt?
Nun, Roger war nie der beste Anrufer der Welt. Aber das ist absolut okay für mich – ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihn im TV sehe. Ausserdem habe ich kürzlich seine Eltern getroffen. Wir haben uns 20 Minuten lang unterhalten, das war ein schönes Erlebnis.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Federer als Weltstar im Smoking und mit Sonnenbrille über den roten Teppich der Met Gala in New York laufen sehen?
Das ist seine Welt. Er ist da hineingewachsen und ein absoluter Profi im Umgang mit den Medien. Es macht mich stolz zu sehen, wie mein Schüler von damals ein Mann geworden ist.

Federer trat letztes Jahr zurück. Rafael Nadal nimmt wegen seiner Verletzung eine Auszeit – und verpasst Roland Garros. Novak Djokovic hat auf Sand bislang viel Mühe in diesem Jahr. Ist das die Chance für Carlos Alcaraz?
Er ist ein fantastischer Spieler und ein sehr positiver Typ. Er ist extrem hungrig, er will immer besser werden und bewegt sich auf dem Platz unglaublich gut. Sein Service ist zwar nicht der beste auf der Tour, dafür kann er das Spiel gut lesen. Also: Ja, ich denke, er kann Djokovic und Co. wieder sehr gefährlich werden.

Naef (17) nach Riesensprung vor dem Durchbruch

Wer sich in der Schweizer Tennis-Szene in Sachen Nachwuchshoffnungen umhört, kommt um einen Namen nicht herum: Céline Naef.

Die 17-jährige Schwyzerin hat innerhalb von nur acht Monaten eine derartig steile Leistungskurve hingelegt, dass sie nun bereits an der Tür zum Konzert der ganz Grossen anklopfen darf. Anfang Oktober 2022 noch um WTA-Rang 870 klassiert, spielte sich das Talent aus Feusisberg bis auf Position 209 hoch.

Statt bei den Juniorinnen steigt Naef ab Montag direkt in der Quali des Frauen-Bewerbs für die French Open ein – und hofft da auf den erstmaligen Sprung ins Hauptfeld. Die Form in diesem Frühjahr stimmt: Bei den ITF-Turnieren in Chiasso (Final) und Bellinzona (Halbfinal) scheiterte sie jeweils erst am russischen Wunderkind Mirra Andreeva (16), die danach beim Masters in Madrid bis in den Achtelfinal vorstiess. In dieser Woche schaffte Naef in Florenz zudem erstmals den Sprung ins Hauptfeld eines WTA-Bewerbs.

Das wird natürlich auch auf Verbandsebene mit Freude registriert. Alessandro Greco, Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis, glaubt, dass sich Naef auf WTA-Stufe «bald etablieren» werde: «Sie ist aktuell die beste Nachwuchsspielerin, die wir haben. Sie ist eine Löwin, eine Kämpferin. Sie ist sehr zielstrebig auf dem Platz, verliert dabei ihr Lachen aber nur selten.» Wetten, dass das Top-Talent bei einem Exploit in Paris nicht mehr aus dem Strahlen herauskäme! (mpe)

Céline Naef hat einen rasanten Aufstieg hinter sich.
Sven Thomann

Wer sich in der Schweizer Tennis-Szene in Sachen Nachwuchshoffnungen umhört, kommt um einen Namen nicht herum: Céline Naef.

Die 17-jährige Schwyzerin hat innerhalb von nur acht Monaten eine derartig steile Leistungskurve hingelegt, dass sie nun bereits an der Tür zum Konzert der ganz Grossen anklopfen darf. Anfang Oktober 2022 noch um WTA-Rang 870 klassiert, spielte sich das Talent aus Feusisberg bis auf Position 209 hoch.

Statt bei den Juniorinnen steigt Naef ab Montag direkt in der Quali des Frauen-Bewerbs für die French Open ein – und hofft da auf den erstmaligen Sprung ins Hauptfeld. Die Form in diesem Frühjahr stimmt: Bei den ITF-Turnieren in Chiasso (Final) und Bellinzona (Halbfinal) scheiterte sie jeweils erst am russischen Wunderkind Mirra Andreeva (16), die danach beim Masters in Madrid bis in den Achtelfinal vorstiess. In dieser Woche schaffte Naef in Florenz zudem erstmals den Sprung ins Hauptfeld eines WTA-Bewerbs.

Das wird natürlich auch auf Verbandsebene mit Freude registriert. Alessandro Greco, Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis, glaubt, dass sich Naef auf WTA-Stufe «bald etablieren» werde: «Sie ist aktuell die beste Nachwuchsspielerin, die wir haben. Sie ist eine Löwin, eine Kämpferin. Sie ist sehr zielstrebig auf dem Platz, verliert dabei ihr Lachen aber nur selten.» Wetten, dass das Top-Talent bei einem Exploit in Paris nicht mehr aus dem Strahlen herauskäme! (mpe)

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