«Der Gegner muss stark spielen, um mich zu schlagen»
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Federer ist und bleibt fit:«Der Gegner muss stark spielen, um mich zu schlagen»

Federer verrät sein Fitness-Geheimnis
«Mein Stil ist etwas geschmeidiger als andere»

Entwicklungen im Tennis, zurücktretender Andy Murray, das Geheimnis ewiger Fitness. Bei Roger Federers erstem Interview in Melbourne interessierte vieles noch mehr als seine Mission Titelverteidigung.
Publiziert: 13.01.2019 um 09:45 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2019 um 16:37 Uhr
Cécile Klotzbach
Cécile KlotzbachSport-Redaktorin

BLICK: Roger Federer, sind Sie hier als zweifacher Australian-Open-Titelverteidiger der Top-Favorit?
Roger Federer: Nein, Novak Djokovic hat in den letzten Monaten die stärksten Zeichen gesetzt. Er ist der Top-Favorit, das sage ich nicht, um Spielchen zu machen und ihm den Druck aufzusetzen – wenn auch er eh gut damit umgehen könnte. Was mich betrifft, so bin ich körperlich und mental absolut parat und ich hoffe einfach, dass ich mir eine gute Position erarbeite, den Titel noch einmal zu verteidigen. 

Was sagen Sie zum angekündigten Rücktritt von Andy Murray?
Nun, sein Körper hat das leider so entschieden. Ich erinnere mich gut an unser Show-Match in Glasgow. Auch damals fühlte er sich gar nicht gut. Ich glaubte es kaum, dass er überhaupt spielte, aber es war eben für einen guten Zweck. Bei dem Erfolg, den Andy hatte, versteht jeder seine Entscheidung. Er fühlt, dass er nie mehr zurück zu hundert Prozent finden wird. Ich war enttäuscht, traurig, ja geschockt, als ich hörte, dass wir ihn bald verlieren werden. Uns Top-Spieler trifft das natürlich besonders, weil wir ihn sehr gut kennen. Wir mögen ihn, er ist ein guter Typ, eine Legende, hat nicht viele Feinde auf der Tour. Natürlich hoffe ich, dass er hier in Australien gut spielen wird und es weiter bis Wimbledon schafft, wo er es am liebsten aufhören würde. Eines Tages wird er zurückblicken und unglaublich stolz sein, was er erreicht hat.

Murray sagt, er könne sich nicht mehr schmerzfrei Socken oder Schuhe anziehen. Bemerken Sie solche Veränderungen im Alter? 
Jeder Körper reagiert anders und jeder Mensch erträgt Schmerzen anders. Deshalb musst du individuell eine weise Planung machen. Wahrscheinlich hat jeder Spieler irgendeinen Schwachpunkt. Für die einen ist es die Hüfte, für andere das Knie, der Ellbogen, die Schulter oder der Rücken. Im Alter braucht die Heilung einfach länger, du spielst vielleicht zwei Wochen mit Schmerzen. Und an einem Punkt wird es einfach gar nicht mehr besser. Wenn du jung bist, kannst du am nächsten Tag schon wieder spielen, nach zwei Tagen ist alles weg. 

Roger Federer an der Pressekonferenz vor dem Startschuss bei den Australian Open.
Foto: imago/Xinhua
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Haben Sie eine Idee, warum Sie mit 37 noch so fit sind?
Dazu gehört definitiv auch etwas Glück! Als ich vor drei Jahren mein Knie im Badezimmer verletzte, fehlte es. Aber da war mein Knie wohl schon labil – es hätte gut auch schon im Djokovic-Match tags zuvor passieren können. Zweitens kenne ich meinen Körper sehr gut, ich weiss, wieviel ich ihm zumuten kann und wann er wieviel Pause braucht. Und auch mein Team weiss, wann es mich pushen und wann es mich zurückhalten muss. Drittens glaube ich, dass ich auch gut Tennis spielen kann, wenn ich nicht so viel trainiere. Dieses Selbstvertrauen ist sehr wichtig und nimmt mir etwas Druck. Vielleicht ist auch mein Stil etwas geschmeidiger als andere. Es sieht jedenfalls so aus, obwohl ich extrem hart auf dem Platz arbeite. 

Haben Sie in der Vorbereitung zu dieser Saison, wo Sie vielleicht auch auf Sand spielen werden, etwas geändert? 
Bezüglich der Sandsaison noch nicht, ich traf auch noch keine Entscheidung. Es war ein normaler Aufbau. Alles drehte sich zunächst um die Reaktion meines Körpers nach den Ferien. Würde er mir alle geplanten Trainings-Einheiten erlauben, mich so hart arbeiten lassen, wie ich will? Ich konnte dann sogar etwas härter arbeiten, als ich dachte. Ich habe kein Training verpasst und fühle mich stark. Ich hatte eigentlich noch nie Rückschläge in der Zwischensaison und auch diese verlief grossartig. Ich denke, das sah man auch am Hopman Cup. Noch ein Tag – dann sehen wir, wie es hier in Melbourne läuft. 

Ist der Hopman Cup die ideale Vorbereitung für Sie? 
In den letzten beiden Jahren hat es jedenfalls ganz wunderbar funktioniert! Das kam überraschend, denn ich hatte die beiden Erfolge niemals erwartet. Es ist ein guter Weg, mich wohl zu fühlen. Das Umfeld im Team, mit Belinda, ich spiele gerne Mixed, das Stadium dort ist toll, die Fans sind unglaublich. Zudem liegt Perth auf dem Weg zwischen Dubai und Melbourne, dadurch ist der Jetlag nicht so verrückt. 

Sind Sie dieses Jahr zuversichtlicher, dass Sie hier wieder gewinnen?
Ich spiele gutes Tennis, bin zuversichtlich, dass meine Gegner einen guten Tag gegen mich brauchen. Aber ich werde meine Zwischensaison und den Hopman Cup sicher nicht überbewerten. Dafür sind die Margen viel zu klein. Mein Fokus liegt zunächst auf den ersten Runden, weit voraus denken, wäre ein Fehler. So weiss ich, was mein Gegner Denis Istomin letztes Jahr Novak Djokovic angetan hat (er warf ihn hier aus der 2. Runde, Anm. Red). Ich hatte ebenfalls ein paar harte Matches gegen ihn. Er spielt gut auf schnellen Courts.

Im Tennis-Kalender stehen viele Neuerungen bevor. Interessieren Sie sich noch für Tennis-Politik?
Ja, heute trainiere ich mit Robin Haase, der gehört auch zum Spielerrat und ich habe vor, mit ihm über das letzte Meeting zu sprechen und mir ein Bild von der Situation zu machen. Ich will auch mit Novak, Rafa und Andy reden. Es ist eine Zeit der Veränderung in unserem Sport – eine interessante, keine schlechte Zeit. Mit dem ATP-Cup und dem Davis Cup müssen wir abwarten, was passiert, damit wir uns eine klare Meinung bilden können. Der Laver Cup hat sich mit zwei Austragungen bereits bewährt. Solange die Neuerungen für die Spieler und Fans stimmen, sind sie okay. 

Viele Veränderungen betreffen die Zukunft, wenn Sie vielleicht gar nicht mehr spielen werden … 
Sicher, die Spieler, die heute im Rat sind, sollen das alles beurteilen und leiten. Aber weil ich selbst lange dabei war und mir die ATP viel bedeutet, ist es mir immer noch wichtig, zu wissen, was läuft. Dieser Sport wird mich immer interessieren. Und wenn ich meine Meinung äussern soll, muss ich mich auch informieren. Das ist in der Politik ja nicht anders. 

Der Hopman Cup bleibt auch nicht sicher bestehen. Wissen Sie da mehr als wir? 
Nein, weiss ich auch nicht. Natürlich wünsche ich mir, dass die Tradition dort weitergeht. Ich hatte super Jahre dort mit Martina Hingis, mit Mirka und Belinda. Es täte mir leid, wenn es das Turnier nicht mehr gäbe. Aber ich fände es gut, wenn wir offen bleiben. Lange müssen wir uns ja nicht mehr gedulden, der Entscheid ist nur ein paar Wochen weg. Vielleicht bekommt Perth ja als dritte Stadt den Zuspruch für den ATP-Cup. Das wäre schön und wichtig für die Leute dort, die im Westen etwas ab vom Schuss sind. In Australien wollen sie einen super Tennis-Sommer kreieren. Das haben sie sicher geschafft mit den Turnieren in Brisbane, Sydney, Perth und den vielen unglaublichen Investitionen hier in Melbourne.

Ein 5. Satz wird hier neu bei 6:6 mit einem Super-Tiebreak auf 10 Punkte entschieden. Damit gibt es vier verschiedene Regeln an vier Grand Slams. Welche gefällt Ihnen am besten? 
Das ist tatsächlich speziell, aber ich kann Ihnen gar nicht sagen, welches Ende ich vorziehe. Wohl am ehesten das traditionelle, wo der Entscheidungssatz ausgespielt wird. Ich kann aber die Gründe für die Verkürzungen nachvollziehen. 

Vor zwei Jahren spielten Sie hier einen wahnsinnigen Final gegen Rafael Nadal. Wie bedeutend hat der Ihre Karriere beeinflusst?
Ich sehe es gleich, auch für mich war es einer der unglaublichsten Matches meiner Karriere. Eines meiner Top-3-Matches, einer meiner schönsten Siege. Ich ging damals mit dem Gedanken ins Turnier, nach der Pause niemals gewinnen zu können. Dann stand ich im Final, in dem ich zweimal mit Satzvorsprung führte, plötzlich 1:3 im Fünften hinten lag und dann doch noch siegte. Es zeigt, dass du auch im Tennis erst sicher bist, wenn du hinter der Ziellinie stehst. Es lohnt sich immer, an den Sieg zu glauben. 

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