«Schade, dass es so weit gekommen ist»
Jetzt spricht Beckers Ex-Geschäftspartner Cleven!

Boris Becker soll Hans-Dieter ­Cleven mehr als 40 Millionen Franken schulden. Wer ist dieser Cleven, der vor 40 Jahren in die Schweiz kam und den viele als unnahbar und arrogant bezeichnen?
Publiziert: 21.10.2017 um 23:42 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 00:48 Uhr
Felix Bingesser

Kaum jemand kennt diesen öffentlichkeitsscheuen Mann, dem das gesellschaftliche Parkett ein Graus ist. Der aber mittlerweile zu den grössten Sportförderern dieses Landes zählt. Ein Besuch bei der Cleven-Stiftung in der Zentralschweiz.

Wer einen der reichsten Schweizer besucht, der erwartet einen gewissen Pomp. Einen feudalen Firmensitz. Kronleuchter an der Decke. Eine aufgetakelte Vorzimmerdame. Aber das unscheinbare Gebäude in diesem ­Industriequartier im zugerischen Baar ist nüchtern. Schachteln stapeln sich, das Sitzungszimmer ist spartanisch eingerichtet. Auf dem Tisch ­stehen drei Wasserflaschen.

Und da sitzt er. Hans-Dieter Cleven. Der Mann, dem die deutsche Tennis-Ikone Boris Becker die wahnwitzige Summe von 40 Millionen Franken schulden soll. Immer wieder hilft er ihm mit Millionenbeträgen aus der Patsche. Immer wieder will er vermeiden, dass der Name Becker durch den Kakao gezogen wird.

Ein Bild aus glücklichen Tagen: Boris Becker und Hans-Dieter Cleven 2009.
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Bis es nicht mehr geht. Bis der Schuldenberg zu gross ist und auch Cleven den juristischen Weg einschlagen und seine Forderung vor Gericht geltend machen muss.

Wie es dazu gekommen ist? Cleven beginnt mit seiner Geschichte ganz am Anfang. Er erzählt von früher. Von den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg im Ruhrpott. Von den Jahren, die ihn, sein Wesen und sein Handeln so geprägt haben. Sein Vater ist im Krieg gefallen. Die Zeiten sind hart und reich an Entbehrung. «Meine Mutter musste immer schauen, dass Essen auf den Tisch kam», sagt Cleven.

Cleven muss helfen

Damals entdeckt Cleven die Bewegung und den Sport. Mit Steinen wird draussen so etwas wie Fussball gespielt. «Nach dem Krieg gab es für uns als Ablenkung und Unterhaltung nur den Fussball», sagt er. Er schliesst sich ­später dem SV Borbeck an. Wird ein passabler Amateurkicker und macht eine Lehre als Handelskaufmann.

Mit 19 tritt er seine erste Stelle an. Sein Vorgesetzter heisst Otto Beisheim. Die beiden verstehen sich. Als Beisheim in dieser Zeit eine USA-Reise macht, kommt er begeistert zurück. Er hat gesehen, dass es in den USA Selbstbedienungsläden gibt. «Eine tolle Sache», schwärmt Beisheim.

Beisheim wird 1964 Geschäfts-führer und Teilhaber bei der ein Jahr zuvor eröffneten Metro-Gruppe. Es ­beginnt alles mit einem ersten Markt in der Nähe von Essen. Heute hat die ­Metro-Gruppe 150 000 Angestellte. Das Vermögen von Beisheim, der sich 2013, unheilbar krank, mit seiner Pistole das Leben nimmt, wird auf rund vier Milliarden geschätzt.

Hans-Dieter Cleven folgt in den 60er-Jahren seinem ehemaligen Vorgesetzten Beisheim zu Metro. Er wird seine rechte Hand, wird Finanzchef und ist massgeblich an dieser märchenhaften Erfolgsstory beteiligt. Bereits ab 1974 führen Otto Beisheim und Cleven den Konzern aus der Innerschweiz. Und beide nehmen die Schweizer Staatsbürgerschaft an.

Und die Beziehung zwischen Cleven und Boris Becker beginnt. Cleven übernimmt den Ski-Hersteller Völkl, und zusammen gründen sie Völkl-Tennis. Weitere gemeinsame geschäftliche Aktivitäten kommen dazu. Und sie lancieren auch die Becker-Cleven-Stiftung, die Kinder zu Bewegung und Sport animieren soll. Erste finanzielle Probleme bei Becker werden schon 2003 ruchbar. Es gilt, Steuerschulden zu begleichen. Cleven muss helfen. Aber das Verhängnis nimmt seien Lauf. Immer wieder gibt es bei Becker finanzielle Engpässe.

Bewundert von allen

Aber wie kann man jemandem über Jahre immer wieder Millionenbeträge leihen? «Wir waren ja Partner. Es gab auch immer Erklärungen, wofür er das Geld
gebraucht hat», sagt Cleven. Eine Erklärung für die fatale Entwicklung liegt wohl auch im Naturell von Cleven. Er ist ein treuer Mann. Seit 50 Jahren verheiratet. Er ist keiner, der seine Partner schnell fallen lässt.

Irgendwann wird auch er stutzig. Verlangt Sicherheiten. Aber die Spirale dreht sich weiter. Becker, der seinen Wohnsitz zwischenzeitlich in Zug und später in Zürich hat, zieht nach London. Die Geschäftsbeziehung zerbricht. Und auch das gemeinsame soziale Engagement ist zu Ende. Die einst gemeinsame Stiftung wird in «Cleven-Stiftung» umbenannt.

Becker, neben Franz Beckenbauer die grösste Lichtgestalt des deutschen Sports, schafft es also tatsächlich, ein mutmassliches Vermögen von 150 Millionen zu vernichten. Am 21. Juni 2017 erklärt ihn ein Londoner Gericht für pleite. Die Verhältnisse sind verworren. Es heisst, er habe einen Schuldenberg von über 60 Millionen angehäuft. Trotz allem: Sein Lebensstil bleibt bis zum heutigen Tag ausschweifend und aufwändig.

Wie kann es zu so einem Absturz kommen, Herr Cleven? Leiden Sie da mit Ihrem ehemaligen Weggefährten? «Leiden ist das falsche Wort. Es ist einfach schade, dass es so weit gekommen ist.» Ist da eine Männerfreundschaft zerbrochen? «Nein, es war immer eine eher nüchterne Geschäftsbeziehung.»

Doch wie kann man so die Bodenhaftung verlieren, wie dies Becker
passiert ist? Für Cleven ist klar: «Wer hat in seinem Umfeld jemals nein gesagt? Wer hat ihn je kritisiert?» Die Frage ist rhetorisch. Niemand.

Alle haben ihn bewundert, alle haben ihm immer alles verziehen und auf einen Schild gehoben. Dazu kommt wohl auch ein gewisses Mass an Naivität, dass der einstige Wunderknabe auch im Mannesalter nie abgelegt hat. Cleven formulierte das so: «Boris hat nie Leute um sich gehabt, die den Mut hatten, ihn auch mal zu kritisieren.» Die Folge: Man ist auf dem Holzweg. Aber keiner sagts einem. «Viele ehemalige Spitzensportler finden ja den Weg in die zweite Karriere nicht», sagt Cleven.

Und für Cleven ist klar, dass es schwierig wird, je wieder zu seinem Geld zu kommen. Sollte dies tatsächlich irgendwann der Fall sein, dann will er dieses Geld in seine Stiftung geben. Diese will Kindern helfen, sie zu Bewegung und Sport und einer gesunden Ernährung animieren. Weil er weiss, wie wichtig der Sport auch für ihn immer gewesen ist.

«Vieles geht zu Lasten der Bewegung und der richtigen Ernährung. Gerade in sozial schwächeren Gesellschaftsschichten», sagt Cleven. Und für den Mann, der zu den reichsten Menschen in der Schweiz gehört, ist klar: «Mir gehts gut, viel zu gut. Darum war mir immer klar, dass ich etwas zurückgeben muss.»

Ist der Ruf mal ruiniert …

Und Boris Becker? Der wartet, bis er im kommenden Sommer mit einer Insolvenzerklärung – nach britischem Recht üblich – einen Schuldenschnitt machen kann. Seine Gläubiger gehen dann wohl leer aus. Und Becker wird immer wieder Wege finden, seinen aufwändigen Lebensstil irgendwie weiter zu finanzieren. Vielleicht findet er einen neuen Hans-Dieter Cleven.

Getreu nach dem Motto: Ist der Ruf mal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

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