SRF-Günthardt über Federer
«Roger interessiert der 20. Grand Slam mehr als die Nummer 1»

Tennis-Experte Heinz Günthardt sieht in Roger Federers Situation keine Dramatik. Weder im Out an den US Open, noch für die kommenden Monate.
Publiziert: 09.09.2017 um 14:34 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 09:55 Uhr
Roger Federer hat den 20. Grand-Slam-Titel im Blick.
Foto: EQ Images
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Cécile Klotzbach aus New York

BLICK: Was war rückblickend Ihr Eindruck von Federers letztem Match?
Günthardt:
Im Halbfinal gegen Juan Martin del Potro fand ich besonders seine Schlagwahl oft schlecht. Er spielte dem Gegner zu viel auf die Vorhand, dabei ist es ja die wohl Beste überhaupt. Und er retournierte zu schlecht, dabei servierte der Argentinier immer an die gleiche Stelle – Roger hätte auf seiner Rückhand-Seite einen Stuhl hinstellen können. Sein Spiel zeigt, dass er irgendwie mehr mit sich selbst beschäftigt war als mit seinem Gegner.

Federer sagte danach, dass er sich nicht gut genug für ein Match gegen Nadal gefühlt hätte.
Wenn man das Gefühl hat, man habe ein Problem, dann hat man es auch... Für einmal drang das bei ihm durch. Sonst ist Roger ja immer enorm selbstbewusst – ein Grund, warum er über viele Jahre so viel Erfolg hatte. So kompromisslos wie in Australien, Indian Wells und Miami gegen Nadal kann er nur spielen, wenn er kein bisschen zögert. Aber aus meiner Sicht war Roger gar nicht so schlecht drauf. Er bewegte sich gut, hat gegen einen verloren, der auch das Turnier gewinnen kann. Auch Roger hätte US-Open-Sieger werden können. Denn Nadal wirkte hier auf mich nicht über alle Zweifel erhaben. 

Hat Federer nach der Geschichte mit dem Rücken und der Belastung in New York nun genügend Zeit zur Erholung?
So viel spielte Federer diesen Sommer ja nicht seit seinem Rücken-Problem in Montreal und bis zum Laver Cup in zwei Wochen bestritt er fünf Matches in fünf Wochen – das sollte okay sein.

Dann sehen Sie keine Gefahr des Überspielens für den Rest der Saison?
Die US Open sind sicher kein Grund, um sein kommendes Programm umstellen zu müssen. Dazu geht es jetzt in die Halle, wo das Tennis schneller ist – die letzten Wochen im Kalender liegen Roger also.

Denken Sie, das Erreichen der Nummer 1 und die Verteidigung so vieler Punkte 2018 sind für Federer noch möglich?
Roger weiss, dass er der Beste ist und dass er zu allem fähig ist. Aber er ist weit darüber hinweg, dass er für die 1 etwas riskieren würde. Er hätte sie natürlich gern noch mitgenommen. Aber ob er jetzt total 302 oder 315 Wochen an der Spitze war, wird ihm ziemlich egal sein. Viel wichtiger ist ihm, ob er 19 oder 20 Grand-Slam-Titel hat. Mit diesem Ziel geht er auch in die neue Saison. Aber er ist der Letzte, der in Australien an die Verteidigung seiner Punkte denken wird. 

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