Was liegt wirklich noch drin?
Die wichtigsten Fragen zum Nadal-Comeback

Rafael Nadal kehrt nach einem Jahr des Bangens auf die ATP-Tour zurück. In Brisbane sind alle Augen auf ihn gerichtet – doch bis auf seinen Start beim 250er-Turnier scheint vorerst gar nichts sicher. Die wichtigsten Fragen zum Comeback des 37-jährigen Mallorquiners.
Publiziert: 30.12.2023 um 18:36 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2024 um 16:20 Uhr
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Marco PescioReporter Sport

Warum fehlte er derart lange?

Als Rafael Nadal im Mai eilig eine Pressekonferenz einberief, wurden bereits Spekulationen über einen sofortigen Rücktritt laut. Doch der 22-fache Grand-Slam-Gewinner entschied sich für den vorübergehenden, totalen Rückzug von der Tennis-Tour. Warum? Er wollte sich nach Monaten voller Ungewissheit zumindest die Chance geben, einst noch einmal richtig angreifen zu können. Eine Verletzung am Hüftbeuger und am Psoas-Muskel im Lendenbereich hatte ihn seit den Australian Open ausser Gefecht gesetzt. Also zog Nadal die Reissleine. Er liess sich operieren, machte die Reha und durchlief einen neuen, sauberen Trainingsaufbau. Erst Anfang Dezember kündigte er an, beim ATP-250-Turnier in Brisbane (ab Sonntag) wieder einzusteigen. Also fast ein Jahr nach seinem letzten offiziellen Spiel, das er am 18. Januar 2023 in der zweiten Runde der Australian Open bestritt – und gegen den US-Amerikaner Mackenzie McDonald in drei Sätzen glatt verlor (4:6, 4:6, 5:7).

Kann er je wieder der Alte werden?

2022 verblüffte Nadal alle, als er von einer langen Verletzungspause zurückkehrte und prompt die Australian Open und die French Open gewann. Diesmal ist die Ausgangslage nach dem Vollstopp anders. Die Experten sind sich zwar einig: Das Tennisspielen wird der Spanier nicht verlernt haben. Sein Onkel Toni Nadal (62) bestätigte zuletzt, dass die Bewegungen nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder «auf einem guten Niveau» seien. Die Hauptfrage beim grossen Comeback ist aber: Spielt sein Körper mit?

Wie konkurrenzfähig Nadal ist, wird davon abhängen, wie gut er sich von der Match-Belastung jeweils erholen kann. Die letzte vollständige Saison, die er bestreiten konnte, war 2019. Sein Rucksack an Verletzungen, die ihn während seiner Karriere kurz- bis langfristig beschäftigten und von Bauchmuskel über Knie bis zur Hüfte reichten, wiegt schwer. Nadal selbst sagt in Brisbane: «Es ist nur schon ein Sieg für mich, hier zu sein.» Er erwarte nicht viel von sich selbst. An einen Titel zu denken, sei derzeit «unmöglich». Auch sein Coach Carlos Moya (47) spricht gegenüber der ATP von einer «sehr langsamen Entwicklung» in den letzten Monaten und von «leeren Batterien» eines alternden Profi-Körpers. Dennoch traut er seinem Schützling alles zu: «Es ist immer noch Rafa Nadal. Ich habe Undenkbares miterlebt, ausserweltliche Sachen.»

Rafael Nadal bereitet sich in Brisbane auf das dortige Turnier vor.
Foto: IMAGO/AAP
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Nadal startet gegen Qualifikanten Thiem

Rafael Nadal, im Ranking auf Position 672 abgerutscht, trifft in Brisbane am Dienstag bei seinem Comeback nach 50 Wochen Abwesenheit auf den Österreicher Dominic Thiem. Die beiden standen sich im Zenit ihrer Karrieren zweimal im Final der French Open gegenüber. Auch Thiem blickt auf schwierige Zeiten zurück. Der Sieger des US Open 2020 ist die Nummer 98 im Ranking und musste in Brisbane durch die Qualifikation. Nadal führt im Duell gegen den Österreicher mit 9:6 Siegen. (SDA)

Rafael Nadal, im Ranking auf Position 672 abgerutscht, trifft in Brisbane am Dienstag bei seinem Comeback nach 50 Wochen Abwesenheit auf den Österreicher Dominic Thiem. Die beiden standen sich im Zenit ihrer Karrieren zweimal im Final der French Open gegenüber. Auch Thiem blickt auf schwierige Zeiten zurück. Der Sieger des US Open 2020 ist die Nummer 98 im Ranking und musste in Brisbane durch die Qualifikation. Nadal führt im Duell gegen den Österreicher mit 9:6 Siegen. (SDA)

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Warum kehrt er überhaupt noch einmal zurück?

Nadals Begründung könnte deutlicher nicht sein. Er ist der Meinung: «Ich verdiene es nicht, so aufzuhören. Ich habe zu viel in meine Karriere investiert, um an einer Pressekonferenz mein Ende verkünden zu müssen.» Also werde er alles daran setzen, auf dem Platz würdig abzutreten und die Tour noch einmal zu «geniessen». Den Traum seiner Fans, dass er als French-Open-Rekordsieger in Roland Garros noch einmal einen draufsetzt, wird auch Nadal selbst haben. Nur weiss er ganz genau, dass in seiner Position selbst ein mittelfristiges Denken unmöglich ist. Denn er macht auch klar: «Ich sehe mich nicht in der Lage, sehr lange weiterzuspielen.»

«Karriere soll nicht auf einer Pressekonferenz enden»
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Nadal verkündet Comeback:«Karriere soll nicht auf einer Pressekonferenz enden»

Wie sieht sein Plan aus?

Die Hoffnung des Sandplatzkönigs ist es, im Verlaufe der Saison immer konkurrenzfähiger zu werden. Darüber, wieviele Turniere er spielen wird, entscheidet letztlich aber seine körperliche Verfassung. Auf dem Papier festgelegt ist, Stand jetzt, der Start in Brisbane und jener an den Australian Open (ab 14. Januar). Dann das Show-Duell gegen Carlos Alcaraz (20) in Las Vegas am 3. März und das ATP-500-Turnier in Barcelona (ab 15. April). Bleibt er fit, wären die French Open (ab 26. Mai) und die Olympischen Spiele in Paris (ab 26. Juli) weitere grosse Ziele.

Wie sind die Reaktionen der Konkurrenz?

Der französische Routinier Richard Gasquet (37) verbrachte während der Saisonvorbereitung einige Tage in der «Rafa Nadal Academy» – und trainierte dabei mit dem Superstar. Gegenüber «L'Équipe» erklärt er: «Ich habe keinen Zweifel daran, dass er konkurrenzfähig sein wird. Natürlich wird er Zeit brauchen, aber er wird es schaffen. Ich weiss nicht, ob es in Australien, im März oder im April sein wird, aber er wird am Ende Spiele gewinnen.» Grand-Slam-Rekordhalter Novak Djokovic (36) wäre derweil nicht überrascht, wenn der aktuell an Weltranglistenposition 672 geführte Nadal erneut ein Spitzenniveau erreichen würde. Er meint bei «RMC Sport»: «Er ist nicht der Typ, der einfach nur in den Tennis-Zirkus zurückkehrt, um ein durchschnittliches Level zu spielen. Er will Titel gewinnen und der Beste sein. Darum ist er das, was er ist: eine Legende dieses Sports.»

Der seit Kurzem von Ex-Federer-Coach Severin Lüthi (47) trainierte Däne Holger Rune (20) hat in Brisbane bereits eine Trainingseinheit mit Nadal hinter sich. Sein Fazit gegenüber «Tennis TV»: «Ich fand, er spielte unglaublich – mit einer enormen Intensität. Zudem bewegte er sich auch gut. Das war womöglich mein härtestes Training seit einem halben Jahr.»

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