Wawrinka blickt vor Olympia auf seine grössten Erfolge zurück
«Erfüllte mir einen Traum, von dem ich gar nicht träumte»

Stan Wawrinka hat beim olympischen Tennis-Turnier in Roland Garros ein Heimspiel. Der Romand beschenkt sich mit 39 Jahren mit einer weiteren Olympia-Teilnahme. Sie ist das Sahnehäubchen auf einer beeindruckenden Karriere.
Foto: Sven Thomann
Tennis: Stan Wawrinka blickt vor Olympia auf seine grössten Erfolge zurück
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Marco PescioReporter Sport
Publiziert: 23.07.2024 um 21:09 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2024 um 21:19 Uhr

Stan Wawrinka bestellt einen Kaffee und lehnt sich in den Sessel der Hotelbar zurück. Wir sitzen im Le Grand Bellevue in Gstaad, wo sich der 39-Jährige mit seinem Partner Norqain – er hat in diesem Jahr in die Nidauer Uhrenmarke investiert – für einen Event trifft. Nur noch wenige Tage verbleiben bis zum Start der Olympischen Spiele. Und Wawrinka erklärt schmunzelnd, er blicke eigentlich nicht so gerne in die Vergangenheit zurück, selbst wenn es um seine grössten Erfolge auf olympischer oder Tour-Ebene gehe. Für diese sieben Bilder, die da vor ihm liegen, würde er aber eine Ausnahme machen. Also legt er los – und kommt doch noch ins Schwelgen. 

Die legendäre Jubel-Szene mit Federer

«Der Olympiasieg im Doppel mit Roger Federer im Jahr 2008 war ein ganz grosser Moment meiner Karriere. Ich habe da zum ersten Mal erlebt, was Olympische Spiele überhaupt bedeuten: Sie sind ein Fest des Sports. Für mich ist dieses Erlebnis in Peking bis heute mit das Schönste in meiner Laufbahn – aber nicht, weil wir siegten. Nein, es war das ganze Drumherum. Das olympische Dorf, dieser Vibe, die gute Stimmung im Schweizer Team. Diese Verbindung zu spüren, das war unglaublich. Dass ich mit Roger am Ende Gold holte, war die Krönung. Roger stand an der Weltspitze, und auch ich habe da mein bestes Tennis gespielt. Wie es das Bild zeigt: Ich war ‹on fire›.» 

Foto: imago sportfotodienst

Der erste Grand-Slam-Coup

«Über dieses Foto freue ich mich sehr. Wie gesagt, ich schaue eigentlich nicht allzu gerne zurück. Ich werfe meine ganze Energie rein, um in der Gegenwart gut zu sein. Doch dieser erste Grand-Slam-Titel, 2014 an den Australian Open, war ein unbeschreibliches Gefühl. Es klingt verrückt: Ich habe mir in Melbourne einen Traum realisiert, von dem ich gar nicht träumte.»

Die Glückshose von Paris

«Was sehe ich auf dem Bild? Vor allem die Trophäe! (Lacht.) Und natürlich die Hose, über die wurde damals viel geschrieben. Badehose, Pyjama, was auch immer. Über ihre Farben, ihr spezielles Muster. Ich sehe es als lustige Episode meiner Karriere an, die Hose ist eine schöne Erinnerung an die French Open 2015 und meinen zweiten Grand-Slam-Titel. Mein erster Gedanke, als ich das Kleidungsstück das erste Mal zu Gesicht bekam, war: Diese Hose werde ich wohl auch noch für andere Dinge benutzen können.» (Schmunzelt.)

Foto: freshfocus

Die magische Rückhand

«Natürlich bin ich ein bisschen stolz darauf, dass sie mein Markenzeichen geworden ist. Es macht mich glücklich und zufrieden, dass die Leute Freude daran haben – denn ich habe lange auf dieses Niveau hingearbeitet. Dass es mittlerweile nicht mehr allzu viele Top-Spieler mit einhändiger Rückhand gibt (z.B. Stefanos Tsitsipas, Grigor Dimitrov oder Lorenzo Musetti, d. Red.), sehe ich nur als Phase an. Ich glaube, es wird immer gute Spieler geben, die auf diesen Schlag setzen.»

Foto: Getty Images

Der Coup im Davis Cup

«Oh, der Davis Cup ist einer der Gründe, weshalb ich überhaupt mit dem Tennis angefangen hatte. Ich empfand es immer als unglaublich schön, als Team anzutreten – und beispielsweise mit Roger zu spielen. 2014 hat am Ende alles zusammengepasst. Captain Severin Lüthi, Roger Federer, Marco Chiudinelli, Michael Lammer und ich: Wir kannten uns davor allesamt schon lange. Und dann haben wir das Ding in Lille vor fast 30’000 Zuschauern nach Hause gebracht. Wir schrieben Geschichte für die Schweiz.»

Foto: keystone-sda.ch

Roland Garros – und die Rückkehr für Olympia

«Ich bin sehr dankbar für alles, was ich in Frankreich erleben durfte. Nicht nur an den French Open. Die Unterstützung, die ich in diesem Land jeweils erfahre, spornt mich enorm an. Das ist einer der Faktoren, warum ich immer noch weitermache. Die Franzosen haben mich quasi adoptiert. Ich freue mich riesig, für die Olympischen Spiele nach Roland Garros zurückzukehren. Ich spiele mit einer Wildcard und gehe ohne sportliche Erwartungen hin – ich möchte körperlich bestens vorbereitet sein. Doch ein Ziel setzen? Das ist für mich mittlerweile zu schwierig.»

Foto: Sven Thomann

Mit Freude (und Kumpel Monfils) altern

«Eines muss ich vorwegnehmen: Ich hätte nie gedacht, dass ich im Alter von 39 noch spielen würde. Doch ich geniesse einfach jede Sekunde auf der Tour – mit den Fans, mit meinen Weggefährten. Diese Einstellung teile ich mit meinem französischen Kumpel Gaël Monfils (im September 38, d. Red.). Auch er hat eine tolle Karriere hingelegt. Und auch er bringt nach wie vor jeden Tag Opfer für seine grosse Leidenschaft. Man braucht viel Disziplin und Arbeit, um ein gewisses Level zu halten. Und ich weiss auch, dass ich nicht mehr dasselbe Niveau habe wie früher. Aber ich habe immer noch Lust, das Maximum herauszuholen. Auch bei Olympia.»

Foto: Getty Images
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