Ex-Triathlon-Königin Daniela Ryf zeigt herzige Kindheitserinnerungen
«Mit Schoggi konnte man mich gut motivieren»

Trainieren – stundenlang, wochenlang, jahrelang. Für Daniela Ryf (37) endet mit dem Rücktritt die grosse Schinderei. Was war für ihren Erfolg entscheidend? Unter anderem, dass sie als Kind zu nichts gezwungen wurde.
Publiziert: 24.08.2024 um 19:01 Uhr
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Aktualisiert: 25.08.2024 um 08:44 Uhr

Auf einen Blick

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Mathias GermannReporter Sport

Ihr Trainingstagebuch beim Leichtathletik-Klub Biberist ist fast 26 Jahre alt. Und doch muss Daniela Ryf (37) auch heute noch schmunzeln, wenn sie auf die Blätter von damals blickt. «Bekamen ein Mars von Lotti», steht neben einem Smiley. Lotti? Sie war ihre erste Schwimmtrainerin. «Schneeballschlacht anstatt Turnen», hat die damals elfjährige Daniela auch notiert und als Anmerkung: «War witzig. Kalte Finger.» Auch «Himmel und Hölle Abschlussspiel» steht geschrieben, ebenfalls mit einem lachenden Gesicht vermerkt.

«Disziplin musste ich damals noch lernen», sagt Ryf rückblickend. Das tat sie definitiv. Wie sonst wäre sie zehnfache Triathlon-Weltmeisterin und fünfmalige Ironman-Siegerin (2015–2018, 2022) geworden? Ryf schaffte es wie kaum eine andere, die eigenen Grenzen zu verschieben – vor allem nach ihrem Wechsel von der olympischen zur Langdistanz.

3,862 Kilometer Schwimmen, 180,246 Kilometer Velofahren und ein Marathon (42,195 km) zum Abschluss – das war Ryfs Universum. Dennoch sagt sie heute, wenige Tage nach ihrem Rücktritt: «Ich bin froh, durfte ich als Kind auch Kind sein. Und als Teenager ebenfalls jene Dinge tun, die meine Freundinnen taten. Wäre ich in jungen Jahren zu sehr in die Schiene Leistungssport gedrückt worden, hätte ich diesen Sport kaum 25 Jahre lang ausgeübt. Dann wäre ich vorher komplett ausgebrannt.»

Aus diesem kleinen Mädchen wurde die beste Ironman-Athletin der Welt: Daniela Ryf. Heute blickt sie zurück.
Foto: Zvg
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Sie musste nicht – sie wollte

Ryf ist froh, trotz der von aussen durchaus strickt wirkenden Trainingspläne, in jungen Jahren ihre Freiheiten gehabt zu haben. «Ich habe auch mal am Mittwochnachmittag ein Schwimmtraining geschwänzt, weil ich mit Kolleginnen was machen wollte. Und mit Schoggi konnte man mich auch gut motivieren», erzählt sie lachend. «Womöglich ist mir der Sport damals, auch deswegen, nie verleidet. Ich bin jedenfalls froh, dass ich immer aus eigenem Antrieb heraus alles gemacht habe. Wäre es nicht so gewesen, hätte ich heute vielleicht den Eindruck, etwas verpasst zu haben.»

Derzeit leidet Ryf an einer Entzündung am Ende des Rückenmarks. Sie joggt zwar wieder dreimal pro Woche – für den Ironman in Nizza (Fr) Ende September sei das aber viel zu wenig. Und so entschied sie sich schweren Herzens, auf den letzten grossen Wettkampf ihrer Karriere zu verzichten. «Es ist hart, loszulassen. Aber ich muss auf meinen Körper hören», sagt sie.

Immerhin: Ryf dürfte trotz zweieinhalb Triathlon-Dekaden ohne Langzeitfolgen in ihr neues Leben eintauchen. «Das ist meine erste langwierige Verletzung. Ich forciere nichts, denn ich will auch noch in zehn Jahren Sport machen. Schwimmen, Velo fahren, rennen – das werde ich hoffentlich noch sehr lange, wenn auch auf einem ganz anderen Niveau.»

Beim Turnen war sie nicht besonders gut

Zurück zu Ryfs Trainingsblätter von anno dazumal. «Ich hatte nie das Gefühl, dass ich ein besonderes Talent war. Aber dennoch erkenne ich in meinen Einträgen, wie ehrgeizig ich war. Die Fähigkeit, zu leiden, war immer ein Teil von mir. Sobald es streng wurde, habe ich daneben notiert, dass das Training super war. Das sagt einiges aus.» Tatsächlich ist das Wort «gut» überdurchschnittlich häufig zu lesen. Ryf gefiel ihr Leben offensichtlich so, wie es war.

«Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass ich einen sehr grossen inneren Drang hatte, alles perfekt zu machen.» Allerdings nicht überall! Ryf muss lachen. «Stimmt. Wenn ich nicht motiviert war, wurde es kompliziert. Beim Latein-Unterricht in der Schule brachte ich nicht annähernd jene Hingabe mit wie in anderen Bereichen.» Beim Thema Schule erzählt Ryf etwas Besonderes: «Es tönt verrückt, aber im Turnen war ich nicht besonders gut. Klar, ich war gut im Weitsprung und in den anderen Leichtathletikdisziplinen. Aber sonst? Ganz ehrlich, mit Ballsportarten hatte ich nicht viel am Hut.» 

Sie freut sich auf ihr neues Leben

Das Schwimmen faszinierte sie dagegen von Anfang an. Obwohl sie oft und viel trainierte, ging sie auch mit der Familie gerne ins kühle Nass. «Ich bin eine Wasserratte», hat sie am 15. November 1998 notiert. Rückblickend sagt Ryf: «Ich war über so viele Jahre als Einzelathletin unterwegs, habe vor allem für mich geschaut. Aber damals, als Kind und Teenager, waren mir Familie und Kolleginnen wichtiger als meine Zeiten im Schwimmbecken. Wir hatten eine tolle Zeit, ich genoss die Kameradschaft extrem.»

Zurück zur Gegenwart. Und darüber hinaus. Noch weiss Ryf nicht genau, was die Zukunft bringen wird. Beim Ironman in Nizza wird sie als Zuschauerin dabei sein, sich auch von Fans und Sponsoren gebührend verabschieden. Dann folgen Ferien – für einmal werden sie nicht kurz ausfallen. Wohin es sie zieht, ist noch offen. So oder so: «Ich freue mich auf etwas mehr Sozialleben. Und ein Glas Rotwein wird es auch häufiger geben.»

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