Züri-Held Van Berkel vor dem Ironman Hawaii
«Mein Velo ist für mich wie eine Sie!»

Er hat kürzlich geheiratet und isst 1000 Eier im Jahr. Vor dem Ironman Hawaii erklärt Triathlet Jan van Berkel (32) seinen grössten Trumpf – sein Velo.
Publiziert: 09.10.2018 um 10:56 Uhr
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Aktualisiert: 14.10.2018 um 11:51 Uhr
Mathias Germann

Der Super-Sommer ist vorbei. Und doch gibt es einen Ort in Zürich, wo ganzjährig Temperaturen um 30 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen – die Masoala-Halle des Zürcher Zoos.

Öffnet sich die Schiebetür zum Tropenwald, verschlägt es einem den Atem. Was für eine schwüle Hitze! Triathlet Jan van Berkel ist hier in seinem Element. «Die Bedingungen entsprechen ziemlich genau jenen in Hawaii beim Ironman. Wir könnten uns an keinem besseren Ort treffen», sagt er und schmunzelt.

Mitgebracht hat van Berkel seine Ausrüstung für die legendäre Ironman-WM auf Hawaii. «Es ist weniger, als die meisten denken», sagt er. Alles, was er für 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und den abschliessenden Marathon über 42,195 km braucht, passt in eine Sporttasche. Bis auf sein Aero-Velo.
Sein Bike der Marke Factor hat kaum etwas mit einem normalen Velo zu tun, es ist der ganze Stolz des Zürchers. Und sein Hauptarbeitsgerät, auf dem er Tausende Stunden verbringt. «Einen Namen habe ich meinem Velo nicht gegeben. Aber es ist eine Sie», sagt er.

Jan van Berkel mit seinem Velo in der Masoala-Halle im Zoo Zürich.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Er pflegt sein Velo wie einen Schlittenhund

Das verwundert nicht. Zärtlichkeit, Zuneigung, Fürsorge: Van Berkel schenkt sie nicht nur seiner Frau, der ehemaligen Eisprinzessin Sarah Meier (34), sondern auch seinem Velo. «Es hat eine Persönlichkeit. Ich schaue, dass es ihm gut geht, und es schaut, dass es mir gut geht. Ich pflege es wie einen Schlittenhund.»

Im Vergleich zu seinem Sieg beim Ironman Zürich Ende Juli fällt beim Hawaii-Velo auf: Der Rahmen ist nicht mehr schwarz, sondern weiss. Und ein Scherenschnitt-Muster ziert Sitzrohr, Kettenstrebe und Gabel.«Ein Symbol für die Berge und für die Ostschweiz, wo ich früher gelebt habe. Im November feiern Sarah und ich auf der Schwägalp unser Hochzeitsfest.» Es geht also um Gefühl. Aber nicht nur.
Für BLICK beschreibt er seine 20'000 Franken teure «Sie» etwas detaillierter:

Der Sattel

Foto: Benjamin Soland

«Er ist gegen vorne offen, also anders als die meisten. Dadurch kann ich die Hüfte nach vorne rotieren, ohne mir über längere Zeit die Weichteile zu zerdrücken. Der Sitzdruck ist auf dem Knochen.»

Die Kette

Foto: Benjamin Soland

«Sie wird für das Rennen speziell beschichtet und kurz davor in Wachs eingelegt. Alles, um eine perfekte Kraftübertragung auf die Kettenblätter zu erreichen.»

Aero-Lenker & Bidon-Halter

Foto: Benjamin Soland

 

«Am Tag vor dem Rennen mische ich in zwei Bidons Elektrolyt-Pulver mit Wasser und lasse sie im Kühlschrank gefrieren. Vor dem Schwimmen platziere ich sie dann auf dem Velo. Hinter dem Sattel und vorne zwischen dem Triathlon-Lenker, wo auch die Schalthebel angebracht sind. Der Bidon schliesst dort eine Lücke zwischen meinen Unterarmen, die sonst zu viel Luftwiderstand erzeugen würde. Es gibt andere Varianten, zum Beispiel mit einem Behälter und einem Röhrli. Ich mag das nicht, es wäre beim Auffüllen unterwegs zu kompliziert. Bei mir gehts schnell: leerer Bidon raus, voller Bidon rein.»

Pedale & Velo-Schuhe

Foto: Benjamin Soland

«Sie sind nicht anders als bei einem Rad-Profi auf der Strasse. Und doch gibt es im Vergleich zu Sprinter einen grossen Unterschied: Meine Schuhplatten sind nach hinten versetzt, weil ich nicht kicken, sondern einen gleichmässigen Druck auf die Pedale bringen muss.»

Der Helm

Foto: Benjamin Soland

«Ein Zeitfahrhelm, wie ihn beispielsweise Stefan Küng benutzt, wäre nichts für Hawaii. Im Gegensatz zu einem Zeitfahrer auf der Strasse, der Rennen mit Distanzen zwischen 5 und 60 Kilometern bestreitet, kann ich auf 180 Kilometern diese perfekte Kopfposition niemals halten. Der Luftwiderstand wäre gewaltig. Kommt dazu: Weil ein Zeitfahrhelm keine Öffnungen hat, würde mein Kopf unter der sengenden Sonne von Big Island weichgekocht. Einen normalen Rad-Helm benutze ich aber auch nicht, denn da ist der Komfort mit viel Luftdurchzug entscheidend. Ich will aber schnell sein. Die Lösung? Ein Kompromiss, der Aero-Helm, windschnittig und doch angenehm zu tragen.»

Während hoch oben in den Baumwipfeln der Zürcher Masoala-Halle Lemuren herumtoben und ein Chamäleon über den Weg schlurft, kommt Jan van Berkel aus dem Schwärmen kaum heraus. Er ist überzeugt, das richtige Set-up für Hawaii beisammenzuhaben.

«Schon im April begann der Findungsprozess auf der Bahn. Es ist entscheidend, früh dran zu sein. So bin ich sicher, nicht in die falsche Materialkiste zu greifen.» Weil ein Ironman auf dem Velo nicht gewonnen, sondern nur verloren werden kann, spricht van Berkel noch drei weitere zentrale Punkte an:

Wetsuit

Foto: Benjamin Soland

«Das Meer beim Schwimmen auf Hawaii ist rund 26 Grad warm, Neopren-Anzüge sind deshalb nicht erlaubt. Ich benutze eine Swim Skin, eine Schwimmhaut. Zum Anziehen brauche ich fünf Minuten, beim Neopren wären es locker zehn. Mein Wetsuit besteht aus teflonbeschichtetem Material. Unter ihm trage ich bereits beim Schwimmen meinen Wettkampfanzug fürs Velofahren und Rennen. Das Oberteil ist da noch am Bauch eingeklemmt. Beim Wechsel aufs Velo ziehe ich es hoch.»

Laufschuhe (rechts)

Foto: Benjamin Soland

«Die sind handelsüblich, jeder kann sie kaufen. Ich trage immer Socken. Die Zeit, die ich fürs Anziehen nach dem Radfahren brauche, ist es mir wert. Denn: Blasen will ich auf keinen Fall. Binden muss ich die Bändel nicht, da nehme ich Zippverschlüsse einer alten Regenjacke.»

Ernährung

Foto: Benjamin Soland

«Ich nehme während des Rennens vier Gels und zwei Energy-Riegel zu mir. Ich trinke zwei Koffein-Fläschchen. Einen starken Kaffee gibts vor dem Start und Cola auf dem Marathon. All das entspricht 16 Espressi. Zudem konsumiere ich noch Salztabletten, um Krämpfe zu verhindern. Die löse ich in meinen Bidons auf.»

Van Berkels grosses Ziel in Hawaii ist ein Top-Ten-Rang. Er weiss, wie schwierig dies ist, auf Hawaii starten das einzige Mal im Jahr nur die Besten. Als wir uns verabschieden, sagt er: «Auf Hawaii ist es vielleicht doch unangenehmer als hier in der Masoala-Halle. Auf dem Velo hat man das Gefühl, zwei Kollegen würden dich fönen.» Van Berkel ist bereit zu leiden. Zu verlieren hat er nichts, dem Triumph in Zürich sei Dank: «Ich gehe so oder so mit einem Lächeln in die Ferien.» Das Material wird ihm wohl keinen Strich durch die Rechnung machen.

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