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Nach Quäl-Skandalen folgt die Kohle-Keule
Droht der Rhythmischen Gymnastik jetzt der Zerfall?

Die Rhythmische Gymnastik kommt nicht zur Ruhe. Nun streicht Swiss Olympic der Sportart fast 300'000 Franken. Macht das alles noch Sinn? Direktorin Béatrice Wertli gibt keine Garantien ab.
Publiziert: 15.03.2021 um 14:07 Uhr
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Aktualisiert: 01.05.2021 um 12:50 Uhr
Emanuel Gisi

Béatrice Wertli (45) ist nicht zu beneiden. Die neue STV-Direktorin ist erst wenige Wochen im Job, schon folgt der nächste Rückschlag in der Rhythmischen Gymnastik. Der Dachverband Swiss Olympic stuft die Sportart für die Jahre 2021 bis 2024 zurück, kürzt die RG-Förderbeiträge laut SRF um 280’000 Franken – sprich: um 75 Prozent.

Die Begründung: Zu schlechte Resultate, fehlendes Potential, zu geringe Breitenwirkung. «Die Kürzungen sind schmerzhaft, aber gemäss den Kriterien nachvollziehbar», sagt Wertli über den Absturz im Swiss-Olympic-Punktesystem. «Damit müssen wir nun arbeiten.»

Calmy-Rey: Wohlbefinden hat Vorrang

Das Timing könnte schlechter nicht sein: Gerade hat der Turnverband einen RG-Neustart versprochen. Nach wiederholten Klagen und Berichten über körperlich und mental brutale Trainingsmethoden hatte der STV zuletzt Verbesserungen bei der Betreuung der Athletinnen angeschoben. Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, als Präsidentin der Ethik-Stiftung GEF des Internationalen Turnverbandes FIG die oberste Ethik-Wächterin im Weltturnen, sagt: «Aus der Sicht unserer Stiftung ist es das Wichtigste, die Sicherheit und das körperliche und seelische Wohlbefinden der Sportlerinnen sicherzustellen.»

Die Rhythmische Gymnastik ist in den letzten Jahren in der Schweiz ins Zwielicht geraten.
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Sie gibt der neuen Crew um Wertli Kredit: «Die neue Führung des STV hat zu dieser Notwendigkeit im Januar bei der Vorstellung des Pachmann-Berichts (der nach BLICK-Berichten über zweifelhafte Trainingsmethoden im Nationalkader in Auftrag gegeben wurde, d. Red.) klar Stellung bezogen.»

Einer der Kritikpunkte, der mancherorts in der Szene zu hören ist: Die alte STV-Führung um Ruedi Hediger und Felix Stingelin habe mit der Auflösung des Nationalkaders 2018 und dem Verzicht auf die Teilnahme an mehreren Grossanlässen in Kauf genommen, die Kriterien für die bisherige Förderstufe nicht mehr zu erfüllen.

Alles auf dem Prüfstand, keine Garantien

Aber was kann der STV mit den geringeren Mitteln nun überhaupt noch ausrichten? Kann das angestrebte Betreuungs-Level gehalten werden? Wird RG für den STV auch in Zukunft noch ein Spitzensport mit Olympia-Anspruch sein? Garantien kann die Direktorin keine geben. «Wir denken in allen möglichen Szenarien. Diese Analyse ist ergebnisoffen», sagt Wertli. Heisst: Alles kommt auf den Prüfstand.

Sicher ist: In diesem Jahr ändert sich am finanziellen Aufwand, der für die Rhythmische Gymnastik betrieben wird, nichts. Zwar fliesst deutlich weniger Swiss-Olympic-Geld ins 1,2-Mio.-Budget der RG, der STV springt mindestens für 2021 in die Bresche. «Trotz der Rückstufung kommen wir in diesem Jahr allen finanziellen Verpflichtungen in der RG nach», so Wertli.

Neuer Leistungssport-Chef wird entscheidend sein

Und danach? «Wir brauchen so schnell wie möglich Gewissheit, wie es weitergeht», sagt Elisabeth Gehrig-Bossi, die als Präsidentin des Regionalen Leistungszentrums Biel seit Jahren für bessere Bedingungen für die Gymnastinnen kämpft. «Das sind wir unseren Sportlerinnen schuldig.»

Wie es ab 2022 mit der Sportart weitergeht, soll so bald wie möglich feststehen, heisst es beim Verband. «Es ist klar, dass die regionalen Leistungszentren und die Sportlerinnen dort eine Perspektive brauchen», sagt die neue STV-Direktorin. «Wir wollen sie wie alle weiteren Beteiligten dazu motivieren, diese mitzuentwickeln.» Eine Personalie wird dabei besonders wichtig: Der neue Chef Spitzensport, der als Nachfolger des im Herbst abgetretenen Felix Stingelin die Ausrichtung massgeblich mitprägen soll. Der Name soll noch im März bekannt werden.

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