Kolumne zum Basler Publikum
Die Sozialkompetenz der Muttenzerkurve

Wie kann einer wie Thierno Barry zum Publikumsliebling werden? Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 04.02.2024 um 20:32 Uhr
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Aktualisiert: 05.02.2024 um 17:14 Uhr
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Felix BingesserReporter Sport

Thierno Barry (21) wÀchst mit seinen zwei Schwestern und seinen Eltern, die aus Guinea stammen, in bescheidenen VerhÀltnissen in Frankreich auf. Er ist kein fussballerisches Supertalent, spielt lange auf Amateurniveau.

Im Sommer 2022 darf er beim belgischen Zweitligisten Beveren vorspielen. Er ĂŒberzeugt in den Probetrainings und bekommt einen mit monatlich 2000 Euro dotierten Vertrag. Als sich ein StĂŒrmer verletzt, erhĂ€lt er seine Chance. Er schiesst Tor um Tor, zwanzig sind es am Saisonende. Er wird zum besten Spieler der zweiten belgischen Liga gewĂ€hlt – und kommt nach Basel.

Aber der Auftakt wird zum Fiasko. Er startet mit zwei Platzverweisen, verschuldet zwei Penaltys und verstolpert jede Chance. Seine Verpflichtung erscheint als einziges MissverstĂ€ndnis. «Sorry, der Typ hat nicht mal gegen seinen eigenen Schatten eine Chance», schreibt einer. Er muss sich gar rassistische SprĂŒche gefallen lassen und wird von der VereinsfĂŒhrung hinterfragt.

FCB-StĂŒrmer Thierno Barry hat schwierige Anfangsmonate am Rheinknie hinter sich.
Foto: foto-net / Giuseppe Esposito
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Der schwer getroffene und schĂŒchterne Barry aber gibt sich kĂ€mpferisch. Er entgegnet den Kritikern: «Ich kenne meine Arbeit, ich weiss, was ich verbessern muss, und ich weiss, woher ich komme. Euer Hass wird mich stĂ€rker machen.» 

Dann kommt das Freundschaftsspiel gegen Bayern. Und plötzlich wird der leibhaftige Chancentod mit Sprechchören gefeiert. Man reibt sich verwundert die Augen.

Wie wird einer, der ein Sohn von Edward Murphy («Alles, was schiefgehen kann, geht schief») sein könnte, zum Publikumsliebling? Welche psychologischen GesetzmÀssigkeiten spielen da eine Rolle? Schafft Mitleid fast mehr NÀhe und Zuneigung als reine Bewunderung?

Basler Publikum beweist FeinfĂŒhligkeit

Es braucht keine tiefenpsychologische Grundlagenstudie: Fussballfans haben ein feines NĂ€schen. Vor allem in Basel. Nach Monaten der Leidenszeit haben die AnhĂ€nger gespĂŒrt, dass hier ein junger Spieler am Scheideweg seiner Karriere steht und UnterstĂŒtzung braucht.

Kein Lautsprecher, kein bunter verhÀtschelter Paradiesvogel, der im Porsche vorfÀhrt. Sondern ein bescheidener Bursche, ein grosser Junge, der etwas zu schnell gewachsen ist. Ein schlaksiger «Gstabi», der in einem fremden Land ins kalte Wasser geworfen wird.

Dass man so einen jungen Mann, der verzweifelt versucht, auf die Beine zu kommen, nach 18 Spielen ohne Torerfolg mit Sprechchören feiert, ist eine wunderbare Geschichte. «Die Fans haben mir gezeigt, dass ich hier zu Hause bin», sagt der dankbare Barry, nachdem er in Winterthur zweimal getroffen hat.

Ob ihm der grosse Durchbruch am Rheinknie gelingt, ist offen. Vielleicht schafft er es tatsĂ€chlich, in die Fussstapfen von Massimo Ceccaroni zu treten. Der ist einst die Linie rauf und runter gerannt, hat gegrĂ€tscht und gekĂ€mpft und ist, trotz ĂŒberschaubaren fussballerischen QualitĂ€ten, zum Basler Fussballgott geworden.

Auch goldenes Handwerk kann genĂŒgen. Genauso wie Tore am laufenden Band keine Garantie sind, um sich in die Herzen der Fans zu spielen. Und so könnte, nicht zuletzt dank der Sozialkompetenz der Muttenzerkurve und der Geduld von Fabio Celestini, die Karriere von Barry doch noch zu einem schönen MĂ€rchen werden. Die Nationalmannschaft von Guinea hat bereits angeklopft.

Steht das KĂŒrzel FCB bald fĂŒr FC Barry? 

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