«Ich habe meine Programme technisch erschwert»
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Paganini vor Eiskunstlauf-EM:«Ich habe meine Programme technisch erschwert»

Alexia Paganini (18) vor der Eiskunstlauf-EM
«Ich kann jetzt mit den Punktrichtern flirten»

Alexia Paganini hat sich für die EM in Graz viel vorgenommen: Die Top 5 Europas sollen es sein für die US-Schweizerin. Auch, weil sie mittlerweile perfekt falsch lächeln kann.
Publiziert: 23.01.2020 um 17:59 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2020 um 13:48 Uhr
Emanuel Gisi (Text) und Stefan Falke (Fotos) aus New York

«Lexi? Bist du das?», dröhnt es durch die Eishalle. Zamboni-Fahrer James hat Alexia Paganini (18) gesichtet und kriegt sich auf seiner Eismaschine kaum ­wieder ein. «Du warst ein kleines Mädchen, vier Jahre alt, als du mir gesagt hast, dass du an den Olympischen Spielen teilnehmen wirst. Das war hier, in dieser Halle», sagt er strahlend. «Und jetzt, schau dich an!»

Wir sind in Rye im US-Bundesstaat New York, eine Dreiviertelstunde von Manhattan entfernt am Meer, gegenüber liegt Long ­Island. Es ist ein kalter, sonniger Tag, die Bäume sind auch nachmittags um 15 Uhr noch voll mit ­Raureif. Hier, in der Eishalle im «Playland»-Vergnügungspark, hat Paganini einst ihre ersten Gehversuche auf dem Eis gemacht. Die Tochter eines Bündners und ­einer Niederländerin wohnt mit ihrer Familie noch immer in der Nähe. Fünf Auto­minuten sind es von daheim. «Wir sind mit Alexia und ihren beiden Brüdern Schlittschuhlaufen gegangen, weil mein Mann dachte, das sei eine gute Vorbereitung aufs Skifahren», sagt Mutter Margot. «Mit zwei Jahren stand Alexia hier erstmals auf Schlittschuhen.»

«Ich wurde schon argwöhnisch betrachtet»

Mit Sicherheit half es, Paganinis Traum von Olympia zu erfüllen. Vor zwei Jahren war sie plötzlich da, die US-Schweizerin, welche die US-Nachwuchsprogramme durchlaufen hatte, für die USA startete, dann an den Schweizer Meisterschaften teilnahm und die Konkurrenz in Grund und Boden lief. Dass sie das Olympia-Ticket löste, war für alle klar. «Sie ist so gut wie ich oder besser als ich damals», sagte die letzte grosse Schweizer Eiskunstläuferin Sarah van Berkel (35) nach Paganinis Olympia- Auftritt in Südkorea. «Am Anfang wurde ich schon argwöhnisch betrachtet», sagt Paganini. «Die wollten wissen, wer ich bin, wer da kommt. Und die Medien haben alle dieselben Fragen gestellt: Ob ich wirklich Schweizerin bin, ob ich Raclette esse, ob ich Heidi kenne. Das war ein bisschen seltsam und hat vor ­allem meinen Vater damals getroffen.»

Alexia Paganini ist die grosse Schweizer Eiskunstlauf-Hoffnung.
Foto: Stefan Falke/laif
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Mittlerweile ist das alles kein Thema mehr. «Ich habe in der Schweiz viele Freundinnen in der Eiskunstlaufszene gefunden», sagt sie. Und die profitieren ganz handfest. Dank Paganinis starker Auftritte hat die Schweiz nächste Woche in Graz einen zweiten EM-Startplatz. Sechste wurde sie an der EM letztes Jahr. «Jetzt wollen wir ein, zwei Plätze besser sein», sagt ihr Coach Igor Krokavec, bevor am nächsten Freitag das EM-Kurzprogramm ansteht.

Schule gibts nur noch via Internet

Mit dem Slowaken trainiert Paganini eine Stunde südlich von «Playland», in Hackensack, New Jersey. «Icehouse» heisst das Trainingszentrum, hier verbringt die dreifache Schweizer Meisterin jeden Tag acht Stunden. Die Bedingungen sind unschlagbar, sogar ein Fitnesszentrum mit Blick auf eines der vier grossen Eisfelder gibt es hier. Zur Schule geht sie seit fünf Jahren nicht mehr, die High School absolviert sie via Online-Unterricht.

«Alexia wird immer besser», sagt Krokavec. «Sie ist jetzt 18 und läuft nun wie eine Frau. Wir versuchen, das zu unserem Vorteil zu nutzen.»

Was bedeutet das? Paganini lacht laut. «Igor hat das so gesagt?» ­Kurzes Nachdenken. «Er hat schon recht. Ich bin körperlich und emotional gewachsen, ich spüre die Musik anders. Ich laufe nicht mehr wie ein herziges Mädchen, sondern wie eine Frau. Ich kann jetzt mit den Punktrichtern flirten.»

Es ist der einfache Teil. «Daran habe ich im Sommer schon gearbeitet. Blickkontakt zu den Punktrichtern, lächeln, präsent sein. Mittlerweile ist mir das in Fleisch und Blut übergegangen.»

Top 10 an Olympia? «Realistisch»

Sie sei zur Expertin für falsches Lachen geworden, sagt Paganini. Und lacht. Vermutlich aufrichtig. «Es ist lustig, meine Freunde glauben mir manchmal nicht mehr, wenn ich sie anlache. Oder ich ­bekomme von ihnen eine Nachricht: ‹Du hast heute ein tolles ­falsches Lachen gezeigt.› Aber das gehört zu diesem Sport.»

Einen Sprung hat sie auch in ­Sachen Technik gemacht. «Mein Programm ist deutlich schwieriger geworden», sagt sie. «Es beinhaltet jetzt mehr Sprünge, mehr Kombinationen. Ich bin mit meinen Verbesserungen sehr glücklich. Aber die anderen werden natürlich auch besser.» Bei der EM in Graz soll eine persönliche Bestleistung her, dann sind die Top 5 realistisch. Das grosse Ziel aber bleibt dasselbe wie das, das sie Eismeister James mit vier Jahren in der «Playland»-­Eishalle schon verriet. Die Olympischen Spiele. In zwei Jahren in ­Peking soll eine Steigerung im ­Vergleich zu Platz 21 in Südkorea her. «Wenn sie so weitermacht, sehe ich sie in den Top 10», sagt Coach Krokavec. «Das ist realistisch.»

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