Noch fliegen Freestyle-Männer krasser
Darum holen die Snowboard-Frauen in der Halfpipe bald auf

Die Tricks der Herren im Freestyle-Weltcup scheinen oft spektakulärer als die der Frauen. Der aktuelle Trend, immer höher und wilder springen zu wollen, könnte den Athletinnen aber bald schon entgegenkommen.
Publiziert: 22.03.2024 um 19:08 Uhr
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Nina KöpferRedaktorin Sport

Wer im Actionsport erfolgreich sein will, muss Mut und Risikobereitschaft mitbringen. Am besten einen ganzen Haufen davon. Ein draufgängerischer Charakter schadet auch nicht. Eigenschaften, die vorwiegend Männern zugeschrieben werden. Ein Blick in die Freestyle-Szene bestätigt das Bild. Die Männer springen höher als die Frauen, machen mehr Drehungen und wildere Kombinationen. Ist das Klischee also bestätigt?

Remo Thaler, Snowboard-Coach der Schweizer Slopestyle- und Big-Air-Athleten, widerspricht teilweise. «Ich würde nicht sagen, dass die Jungs draufgängerischer und risikofreudiger sind. Sie sind sich ihrer Kraft und ihrer körperlichen Voraussetzungen aber sehr bewusst. Sie wissen, was sie wegstecken können. Und das ist biologisch gesehen oft mehr als die Frauen. Entsprechend wagen sie sich an schwerere Sprünge ran.»

Ästhetik vor Akrobatik

Allerdings kann der Trend, jede Saison noch eine halbe Drehung anzuhängen, nicht mehr lange weitergehen. Irgendwann wird es schlicht unmöglich. Dann wird der Style wieder wichtiger, ist man sich in der Szene einig. Heisst: weniger Akrobatik, mehr Ästhetik. Was den Frauen sicher gelegen kommt.

Der Australier Valentino Guseli hält den Höhenrekord in der Halfpipe – er schleuderte sich 7,30 m in die Höhe.
Foto: Getty Images
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Thaler bringt ein weiteres Thema in die Diskussion ein, das bis vor kurzem ein Tabu im Spitzensport war: der weibliche Zyklus. «Dieses Auf und Ab hat klar einen Einfluss aufs Mentale, aber auch auf den Körper. Manche Athletinnen wissen genau, dass sie in bestimmten Phasen ihres Zyklus anfälliger für Verletzungen sind, zum Beispiel für einen Kreuzbandriss.» Auch in anderen Sportarten, etwa im Fussball, ist dieser Zusammenhang erkannt.

Miteinander anstatt gegeneinander

Doch nicht nur die körperlichen Voraussetzungen spielen eine Rolle in der Kluft zwischen den Geschlechtern. Frauen gehen den Freestylesport anders an als Männer. Dieser Meinung ist Sina Candrian (35). Die Flimserin gilt als Pionierin in der Schweizer Snowboardszene. Zwei WM-Medaillen und drei olympische Diplome sammelte die Bündnerin in ihrer Karriere als Profisportlern, die sie 2021 beendete.

Sie erklärt: «Bei Frauen geht es mehr um das Miteinander. Wenn wir am Berg sind, sind wir in erster Linie als Kolleginnen dort, nicht als Konkurrentinnen.» Auch der Austausch mit den Jungs, die ihre Wettkämpfe immer am gleichen Ort haben, sei sehr wertvoll. «Wenn du einen Kicker zum ersten Mal anfährst und nicht ganz sicher bist, welche Geschwindigkeit es braucht, können die Jungs helfen», erzählt Candrian.

Vorteil gegenüber den Alpinen

Andererseits sind die Frauen oft die Stimmen der Vernunft unter den Ridern. «Wenn beispielsweise ein Schneesturm aufzieht, sagen wir Frauen viel eher als die Männer, dass ein Wettkampf unter diesen Bedingungen schlicht unmöglich ist. Und oft sind die Jungs, glaube ich, ganz froh darüber», erzählt Candrian grinsend.

Es ist diese eine Sache, die den Freestyle-Zirkus deutlich vom Alpinen unterscheidet: Der ganze Tross ist stets gemeinsam unterwegs. Frauen und Männer befahren die gleichen Pipes und Parks. Ihre Finals finden oft nur eine Stunde auseinander statt. Das macht es für Zuschauer und Sponsoren attraktiv, bei den Frauen und Männern dabei zu sein. Abseits der Pipes ist die Szene bezüglich Gleichberechtigung schon weit gekommen. Nun liegt es an den Ladys, auch auf dem Schnee nachzuziehen.

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