100 Tage nach dem Mindestkurs-Aus
Was sagen die Panikmacher jetzt?

Vor 100 Tagen schlug die Stunde der Untergangs-Propheten. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hatte den Euro-Mindestkurs aufgehoben. Und linke Politiker und Gewerkschafter sagten den Niedergang der Schweiz voraus.
Publiziert: 25.04.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 10:03 Uhr
Peter Bodenmann – Im Januar: «SNB-Entscheid ist ein Kopfschuss.» Jetzt: «Im Herbst kommt das brutale Erwachen.»
Foto: RDB
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Von Nico Menzato

Etwa der frühere SP-Chef Peter Bodenmann: Der Entscheid sei ein «Kopfschuss», polterte er. Ex-Preisüberwacher Rudolf Strahm schimpfte über die «Crash-Politik» der SNB-Führung. Und Gewerkschafter Corrado Pardini meinte: «Die Nationalbank setzt unsere Löhne und Arbeitsplätze leichtfertig aufs Spiel.»

Auch Branchenvertreter malten schwarz. Etwa Swatch-Chef Nick Hayek: «Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami.» Schweiz-Tourismus-Direktor Jürg Schmid sprach von «massiven Auswirkungen». Auf lange Sicht seien «erhebliche Teile der Ferienhotellerie in den Bergen gefährdet». Swissmem-Präsident Hans Hess schliesslich sagte: «Jeder fünfte Industriebetrieb ist existenziell bedroht.»

Exakt 100 Tage nach dem SNB-Entscheid sieht es jedoch weniger düster aus als von vielen befürchtet. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich hat sich von ihrer Prognose einer schrumpfenden Wirtschaft verabschiedet. Auch die SNB rechnet mit einem Wirtschaftswachstum – von einem Prozent. Die Hotellerie verzeichnete im Februar eine Zunahme an Übernachtungen von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Schweiz-Tourismus-Chef Schmid möchte seine damalige Aussage denn auch nicht wiederholen: Man halte sich an die Einschätzung von Bakbasel, dass der Hotellerie ein Wertschöpfungsrückgang drohe, sagt eine Sprecherin einzig. Auch Swatch-Chef Hayek rudert zurück. «Die Uhrenbranche trifft das Ende des Mindestkurses kaum», sagte er unlängst.

Pessimistisch bleibt Swissmem-Präsident Hess: «Fast ein Drittel der befragten Swissmem-Mitgliedfirmen rechnet für 2015 mit einem Verlust.» Dies zeige eine Befragung. Bei KMU in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sei es bereits zu Entlassungen gekommen, teilte der Verband Swissmechanic gestern mit. 2000 Stellen seien gestrichen worden (siehe Artikel unten).

Auch für Peter Bodenmann sind Probleme bereits sichtbar: «Die Exporte gehen zurück. Währungsgewinne werden nicht weitergegeben. Viele Lohnabhängige müssen gratis Überstunden leisten.» Der Fehlentscheid der Nationalbank werde Thomas Jordan den Kopf kosten, so der Hotelier. Im Herbst 2015 werde «das brutale Erwachen» kommen: «Während Bayern und Baden-Württemberg boomen, wird die Schweiz in eine Rezession rutschen. Zuwanderung wird kein Thema mehr sein, sondern die selbstverschuldete steigende Arbeitslosigkeit», erklärt Bodenmann.

Auch Ökonom Strahm hält an seinen pessimistischen Voraussagen fest. Die «Schocktherapie des SNB-Direktoriums hat eine Krisenstimmung im Land ausgelöst». Firmen seien bei längerem Andauern gezwungen, Produktionsverlegungen ins Ausland vorzubereiten.

Dass die Wirtschaft zurzeit nicht auf Talfahrt ist, beruhigt den alt SP-Nationalrat nicht: «Die volkswirtschaftlichen Schäden sehen wir erst in einem Jahr!»

Gewerkschafter und SP-Nationalrat Pardini hält heute «mehr denn je» an seiner Befürchtung fest. Alle Prognose-Institute rechneten mit einem ökonomischen Rückgang. «Ein so mörderisch überbewerteter Franken ist Gift für die Schweiz. Er zerstört unseren Werkplatz», sagt er. Dies sei bittere Realität für Tausende von Familien.

SNB-Präsident Thomas Jordan widerspricht: «Unsere Wirtschaft wird auch diese Situation erfolgreich meistern.»

Die Zukunft wird zeigen, wer recht behält.

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