«Abbau statt Aufbau» trotz Fachkräftemangel
Schweizer Firmen vernachlässigen über 50-Jährige

Wenn Unternehmen Angebote für Ü50er haben, dann höchstens solche zur Frühpensionierung und zur Unterstützung bei Entlassungen. Investitionen in ältere Arbeitnehmende? Fehlanzeige. Dabei stellt diese Gruppe 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung.
Publiziert: 18.10.2023 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 20.10.2023 um 08:03 Uhr
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Die Alten sollens richten: Weil die Schweizer Wirtschaft nach Arbeitskräften lechzt, geht die Idee um, die Menschen länger im Arbeitsmarkt zu halten. Mindestens bis zur Pension, wenn möglich sogar darüber hinaus. Doch eine neue Umfrage in der Schweizer Wirtschaft zeigt nun: Realität ist das längst nicht. Ganz im Gegenteil sogar!

66 Prozent der Schweizer Arbeitgeber setzen sich nicht konkret mit den Bedürfnissen der Ü50er innerhalb ihrer Belegschaft auseinander. Zu diesem Schluss kommt eine Umfrage bei mehreren Hundert Firmen durch Talent Solutions Right Management, ein Tochterunternehmen des Personaldienstleisters Manpower Group.

Abbau statt Aufbau

Nach Angeboten für Ü50er gefragt, erwähnen die Arbeitgeber unter anderem Frühpensionierungsangebote und Unterstützung bei Entlassungen. «Die Unternehmen kümmern sich um den Abbau der Arbeitskraft ihrer über 50-jährigen Angestellten statt in deren Aufbau!», sagt Nina Rüschen (54), mitverantwortlich für die Studie.

Über-50-Jährige stellen in der Schweiz 30 Prozent der Erwerbstätigen dar. (Symbolbild)
Foto: Getty Images
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Dabei wäre die Schweizer Wirtschaft gut beraten, sich eher früher als später auf die Bedürfnisse älterer Arbeitnehmender einzustellen. Bereits ein Drittel aller Personen im erwerbsfähigen Alter sind über 50. Das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung wird aufgrund der demografischen Entwicklung weiter steigen.

«Unternehmen können nicht einfach ein Drittel ihrer Belegschaft ignorieren», findet Rüschen. Dabei sei die Investition in Ü50er kein Gutmenschentum, sondern bringe den Firmen ganz konkreten Mehrwert. «Diese Leute haben ein grosses Wissen. Sie haben durch ihre Erfahrung viel Sozialkompetenz und sind äusserst stressresilient.»

Eigenverantwortung von Ü50ern für ihre Karriere

Die Studie empfiehlt Firmen unter anderem, in die Arbeitsmarktfähigkeit von Ü50ern zu investieren. Sprich: Weiterbildungen. Aber: «Das liegt nicht nur in der Verantwortung der Arbeitgeber», schränkt Rüschen ein. «Viele Arbeitnehmende über 50 fragen sich: Warum sollte ich noch in meine Weiterbildung investieren? Da braucht es ein grösseres Bewusstsein.»

Auch bei der Rekrutierung müssten Arbeitgeber offener werden. «In anderen Ländern ist es bereits Standard, dass Lebensläufe ohne Bild und Geburtsdatum verschickt werden», so Rüschen. Doch selbst wenn die Schweizer Arbeitgeber im Umgang mit ihren «silbernen» Mitarbeitenden besser werden: Die Lücke an Fachkräften ganz füllen, werden sie damit nicht. Aber immerhin dazu beitragen, dass diese Lücke nicht noch grösser wird.

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