Anschluss an veränderte Gewohnheiten und digitales Zeitalter verpasst
Der Abstieg der Schweizer Kultmarke Swatch

Man brauchte kein Experte zu sein, um diese Entwicklung vorauszusehen: den Niedergang der Schweizer Uhrenmarke Swatch. Die Macher hinter der Kultuhr haben den Anschluss ans digitale Zeitalter verpasst. Weltweit sinken die Verkaufszahlen.
Publiziert: 24.08.2020 um 11:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2021 um 16:08 Uhr

Wer trägt nicht schon eine Version davon am Handgelenk: ein Fitnessband, eine Smartwatch oder einen Tracker, um neben der Zeit auch Herzfunktionen, Tagesleistung, Kalorienverbrauch und vieles mehr zu messen. Viele sogenannte smarte Uhren haben die Technologien dazu längst eingebaut. Digitale Zeitmesser wie Apple Watch werden zu persönlichen Trainern, die so viel mehr als nur Zeit anzeigen und mit Design zu bestechen versuchen.

Diesen schon vor Jahren eingeleiteten Trend scheinen die Macher der Schweizer Kultmarke Swatch verschlafen zu haben. Der Beweis dafür, dass das Angebot nicht länger die Nachfrage deckt, liegt in den Verkaufszahlen. Einst rettete die billige Plastikuhr die Schweizer Uhrenindustrie. Doch obwohl Swatch nach wie vor mit poppigen Designs und guten Preisen zu bestechen versucht, lassen die Konkurrenz und neue Gewohnheiten die einstige Kultmarke alt aussehen.

Schon vor dem Wirtschaftsknick des Lockdowns sagte der Waadtländer Uhrenexperte Oliver Müller der «Handelszeitung»: «Heute ist die Marke Swatch tot.» Im gleichen Atemzug fährt er fort: «Nick Hayek wird es nie zugeben.» Hayek (65) leitet die von seinem legendären Unternehmervater Nicolas (1928-2010) übernommene Swatch Group. Das ging auch gut, so lange die ikonischen Zeitmesser aus Plastik noch Trends setzen konnten und konkurrenzlos waren.

Hayeks Swatch Group lancierte mit der Swatch einst den Rettungsanker für die bedrängte Schweizer Uhrenindustrie.
Foto: Daniel Kellenberger
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Abwärtsspirale

Nicht nur, dass die traditionelle Kundschaft inzwischen mit Swatch gealtert ist, wie die «SonntagsZeitung» analysiert. Auch veränderte Gewohnheiten setzen der Marke zu. Das neue Handy ist cooler als die bunte Uhr. Die Smartwatch zeigt überdies auch Gesundheitsfunktionen, Wetterberichte, persönliche Nachrichten und vieles mehr an. Zu einem Preissegment, in dem die teureren Swatch-Uhren angesiedelt sind.

Wie viele Swatch-Uhren jährlich noch verkauft werden, ist unklar. Der Konzern gibt keine detaillierten Verkaufszahlen preis. Laut Schätzungen der Bank Vontobel ging der Umsatz mit Swatch-Uhren von rund 720 Millionen Franken im Jahr 2012 auf rund 400 Millionen im letzten Jahr zurück.

In den 90er Jahren wurdem jeweils mehr als zehn Millionen Stück verkauft. Laut Hayek seien es gegenwärtig noch fünf Millionen jährlich. Eine Zahl, die Uhrenexperte Müller für überzogen hält. Er spricht von noch zwei Millionen - eine Zahl, die Swatch sofort dementieren liess. Und das war vor den Unruhen in Hongkong und der Corona-Pandemie, die den wichtigsten Verkaufsmarkt von Swatch lahmlegten.

«Würden Sie mit solchen Piloten gern ins Flugzeug steigen?»
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Swatch-Chef Nick Hayek:«Würden Sie mit solchen Piloten ins Flugzeug steigen?»

Hayeks Smartwatch

Onlinehandel soll die Swatch retten und damit auch dem angeschlagenen Konzern unter die Arme greifen. Swatch stehe nicht kurz vor dem Ende, wird Finanzanalyst René Weber von der Bank Vontobel zitiert, der als Kenner der Uhrenindustrie gilt. Doch angesichts der geringeren Anzahl von Läden sei es umso wichtiger, den elektronischen Handel zu forcieren.

Im Mai bekräftigte ein nach aussen wie immer unbeeindruckter Hayek: «Leute haben immer Lust, zu konsumieren.» Gerade in Fernost herrsche enormer Nachholbedarf und die Verkaufszahlen würden in der zweiten Jahreshälfte anziehen. Den allgemeinen Abwärtstrend hatte Hayek jedoch schon vor Jahren erkannt. Unter wachsendem Druck der Konkurrenz gab der Chef der Swatch Group bereits 2016 ein Versprechen ab, eine Smartwach zu liefern.

Das Versprechen löste er diesen März mit der Tissot T-Touch Connect Solar ein. Die Corona-Krise verzögerte den Verkaufsstart. Die Uhr ist mittlerweile für knapp 1000 Franken im Handel. Bei Hayeks Smartwatch, deren Entwicklung 35 Millionen Franken gekostet haben soll, handelt es sich um eine hybride Uhr, die nach wie vor über ein normales Zifferblatt und Zeiger verfügt. Mit Smartwatches wie der Apple Watch ist die smarte T-Touch kaum zu vergleichen. (kes)


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