Anwälte aus Zürich, London, Genf und New York untersuchen Fonds-Pleite
Superreiche nehmen Credit Suisse ins Visier

10 Milliarden Dollar investierten finanzkräftige Credit-Suisse-Kunden in geplatzte Lieferkettenfonds. Nun drängen sie auf Entschädigungen.
Publiziert: 11.04.2021 um 11:45 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2021 um 16:01 Uhr
Thomas Schlittler

Es war ein teurer Spass: 4'400'000'000 Franken kostet Credit Suisse (CS) die Pleite des US-Hedgefonds Archegos. Die Grossbank hatte der Finanzgesellschaft Kredite in Milliardenhöhe gewährt – und Archegos hat dieses Geld an der Börse verzockt. Diese Woche zog die Bank Konsequenzen: Die Risikochefin und der Investmentbank-Chef müssen gehen. Der Konzernleitung werden die Boni gekürzt.

Aus dem Schneider ist die CS damit aber noch lange nicht. Eine vorangegangene Pleite, der Zusammenbruch der sogenannten Supply-Chain-Finance-Fonds – zu Deutsch Lieferkettenfonds –, wird die Bank noch lange beschäftigen.

Superreiche sind sauer

Superreiche und institutionelle Anleger, die insgesamt rund zehn Milliarden Dollar in diese Fonds investiert hatten, bringen Anwälte in Stellung, um von der CS Schadenersatz zu verlangen. «Investoren, die Verluste in Höhe von mehreren Dutzend Millionen Dollar erlitten haben, haben sich an uns gewandt», sagt etwa George Kintis, Inhaber des Finanzunternehmens Alcimos mit Sitz in London.

Superreiche und institutionelle Anleger, die insgesamt rund 10 Milliarden Dollar in die geplatzten Lieferkettenfonds der CS investiert hatten, bringen Anwälte in Stellung, um von der Grossbank Schadenersatz zu verlangen.
Foto: AFP
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Alcimos arbeitet mit der Genfer Anwaltskanzlei Chabrier zusammen, aber auch mit Strelia aus Luxemburg. Neu mit an Bord ist das Zürcher Büro der US-Grosskanzlei Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan. Federführend ist dort Volker Rosengarten. Er sagt zu SonntagsBlick: «Wir bereiten eine Gruppenklage gegen die verantwortlichen CS-Gesellschaften vor.»

Zwar gebe es in der Schweiz keine Möglichkeit für «richtige» Gruppenklagen wie in den USA, man könne aber alternative Modelle für die Bündelung der Ansprüche nutzen: «Bei kleineren Gruppen ist eine Klagehäufung beziehungsweise ein Mehrparteienverfahren möglich.»

Ob und wann es zu einer Klage kommt, ist noch unklar. Die Investoren müssen zunächst wissen, wie viel Geld sie verloren haben. Erst dann können sie allfällige Ansprüche geltend machen. «Im Moment gilt es zudem noch abzuwarten, wie die CS reagiert», sagt Kintis von Alcimos. Anfangs habe es so ausgesehen, als ob die Bank die Investoren entschädige. Nun gebe es Anzeichen, die das Gegenteil vermuten liessen. «Wir befürchten, dass die Milliardenverluste aus der Archegos-Pleite dazu führen, dass die CS eher weniger bereit ist, den Investoren entgegenzukommen.»

Bevor seine Klienten über das weitere Vorgehen entscheiden, wollten sie abwarten, bis sich der Staub etwas gelegt habe. «Nichtsdestotrotz ist es für die Anleger wichtig zu wissen, wie ihre Rechtslage aussehen würde, falls die CS keine Entschädigung anbieten sollte.» In einer ersten Einschätzung sei man zum Schluss gekommen, dass wohl gewisse Aussagen in den Anlegerprospekten der vier CS-Fonds «inaccurate» waren – also ungenau oder gar falsch.

Sinnlose Sammelklage aus den Staaten?

Gemäss «Financial Times» beschäftigen sich mit Lalive aus Zürich und Boies Schiller Flexner aus New York zwei weitere Anwaltsbüros mit dem Fall. Des weiteren sucht die US-Kanzlei Pomerantz nach Geschädigten für eine Sammelklage in den Vereinigten Staaten. Dieses Unterfangen dürfte indes eher wenig Aussicht auf Erfolg haben. Laut CS wurden die Lieferkettenfonds in den USA nämlich gar nicht vertrieben.

Und wie erfolgversprechend wäre eine Klage in der Schweiz? «Das hängt stark davon ab, welches Vertragsverhältnis zwischen der Bank und dem Kunden bestand», sagt Corinne Widmer Lüchinger, Professorin für Privatrecht, internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Basel. Die besten Chancen habe ein Kunde, der die Bank unter bestimmten Risikovorgaben dazu ermächtigt habe, in Eigenregie Investitionsentscheide zu fällen – und wenn sich die Bank nicht an diese Risikovorgaben gehalten habe.

«Ein Anleger hingegen, der selbständig Investitionsentscheide trifft, muss das Gericht davon überzeugen können, dass er bei richtiger Information durch die Bank nicht in die Lieferkettenfonds investiert hätte.» Dabei habe ein Investor, der sein Geld normalerweise konservativ anlege, bessere Chancen als ein Anleger, der gern und häufig risikoreich investiere.

Die CS wollte sich zu möglichen Klagen nicht äussern. Die Medienstelle teilt aber mit, dass man mit den Investoren im engen Kontakt stehe und sie regelmässig über die Fortschritte informiere, die man bei der Rückführung der Gelder erziele. «In den kommenden Tagen werden wir die nächste Auszahlung vornehmen.»

Die Bank zeigt sich nach wie vor zuversichtlich, dass ein grosser Teil der Forderungen zurück in die Fonds fliessen werde. Dies werde aber mehrere Monate dauern.


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