Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht
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Monster-Prozess in Zürich:Darum steht Pierin Vincenz vor Gericht

Vincenz-Anwalt abgeblitzt!
Gericht weist Antrag auf Prozess-Verschiebung ab

Die Verteidiger rund um Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz und seine Mitangeklagten spielen auf Zeit. Sie wollten den Prozess im letzten Moment verschieben. Die Richter haben das zwar abgelehnt. Dennoch wird es mit dem Urteil bis zur Verjährungsfrist knapp.
Publiziert: 25.01.2022 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2022 um 18:11 Uhr
Sarah Frattaroli

Kaum hat der Prozess gegen Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (65) begonnen, drohte er bereits wieder zu enden: Vincenz' Anwalt forderte eine Verschiebung. Mehrere Mitangeklagte hauten in dieselbe Kerbe. Sie monierten unter anderem, dass der Mitangeklagte Andreas Etter (51) aufgrund einer Covid-Erkrankung fehlt. Er soll stattdessen an einem zusätzlichen Prozesstag im Februar angehört werden. Der Angeklagte Stéphane Barbier-Mueller (64) kritisierte ausserdem, dass er die Anklageschrift nur auf Deutsch erhalten habe – Barbier-Mueller ist Welscher.

«Die Forderungen sind taktisch bedingt», schätzt Rechtsexperte Peter V. Kunz (56) gegenüber Blick TV ein. Denn: Der Fall Commtrain verjährt am 4. April. Würde der Prozess über diesen Stichtag hinaus verschoben, können Vincenz und Co. dafür nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Fall Commtrain: Es geht um 1,3 Millionen

Am 4. April 2007 unterschrieb der damalige CEO von Aduno (heute Viseca) Beat Stocker (61) den Kaufvertrag für die Firma Commtrain Card Solutions, an der Stocker und Vincenz beteiligt waren. Sie erzielten damit einen Gewinn von 1,3 Millionen Franken. Zivilrechtlich ist der Fall bereits verjährt. Strafrechtlich allerdings gilt eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. Diese wird am 4. April 2022 erreicht. «Das Urteil muss innerhalb der Verjährungsfrist fallen», erklärt Rechtsexperte Kunz.

Pierin Vincenz und sein Verteidiger Lorenz Erni (r.) fordern die Verschiebung des Prozesses.
Foto: Philippe Rossier
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Auch einige der Spesenexzesse gehen auf die Jahre 2005 und 2006 zurück. Sie sind zum Teil bereits verjährt oder die Verjährung steht kurz bevor. «Ein taktisch denkender Anwalt will den Prozess am liebsten auf das Jahr 2024 verschieben», so Kunz. Im grössten Brocken des Vincenz-Prozesses, im Fall Investnet, droht hingegen keine Verjährung. «Hier liegen die Vorwürfe erst rund zehn Jahre zurück», sagt Kunz.

«Ich wäre lieber auf der Verteidigerseite»

Verjährung hin oder her: Kunz würde nicht auf eine Verurteilung Vincenz' wetten. Die Staatsanwaltschaft fordert für die beiden Hauptangeklagten Vincenz und Stocker jeweils sechs Jahre Haft. «Ich bin skeptisch», meint Kunz. Und stellt klar: «Ich wäre lieber auf der Verteidigerseite.» Diese habe relativ leichtes Spiel, beim Gericht Zweifel zu schüren.

Er rechnet denn auch nicht damit, dass Vincenz für längere Zeit ins Gefängnis wandert. «Ich kann mir vorstellen, dass er verurteilt wird – aber zu einer bedingten Freiheitsstrafe», prognostiziert der Rechtsexperte.

Verteidiger spielen auf Zeit

Nach mehrstündiger Beratung steht der Entscheid des Gerichts: Der Prozess wird nicht verschoben. Dennoch könnte es mit der Verurteilung im Falle Commtrain knapp werden. Die Verhandlung wird mehr Zeit in Anspruch nehmen als ursprünglich geplant. Neben den vier Prozesstagen diese Woche wird auch der Reservetag am 9. Februar gebraucht. Das Gericht hat die Parteien ausserdem an vier zusätzlichen Daten im März vorgeladen.

Der letzte Prozesstag ist am 23. März und damit weniger als zwei Wochen vor Ende der Verjährungsfrist angesetzt. Genau so viel Zeit bleibt dem Gericht nach Prozessende für die Urteilsfindung.

Dass die Verteidiger mit Vorfragen auf Zeit spielen, ist nicht ungewöhnlich. Die Vorfragen bieten der Verteidigung Futter für einen allfälligen späteren Rekurs gegen das Urteil vor Obergericht. Gemäss der Einschätzung eines Anwalts vor Ort hielten sich die Vorfragen am ersten Prozesstag im Fall Vincenz sogar noch im Rahmen. Auch der vorsitzende Richter Sebastian Aeppli (63) liess verlauten, der Prozessauftakt sei ganz nach seinen Erwartungen verlaufen.

«Ich würde wetten, er kriegt keine sechs Jahre»
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Rechtsexperte über Urteil:«Ich würde wetten, er kriegt keine sechs Jahre»
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