Banken wollen, dass wir per Handy bezahlen
Aber wir lassen uns unser Münz nicht nehmen

Löst das Smartphone den Griff in den Geldbeutel ab, so soll dies unser Leben erheblich vereinfachen. Eine Bequemlichkeit, die uns aber teuer zu stehen käme.
Publiziert: 06.06.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 16:06 Uhr
Befürchtet eine Entmündigung des Bürgers: Ex-Banker Oswald Grübel.
Foto: Keystone
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Von Moritz Kaufmann

Ökonomen wollen Münzen und Noten aus unseren Portemonnaies verbannen. Allen voran der Professor und deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger (60). In ganz Europa wird über ein Verbot des Bargelds diskutiert. Auch in der Schweiz. Jetzt ergreift Oswald Grübel (71) das Wort. «Ein Bargeldverbot wäre eine Entmündigung des Bürgers», warnt der ehemalige Chef der Grossbanken Credit Suisse und UBS im Gespräch mit BLICK. Man traue dem Bürger nicht zu, verantwortungsbewusst mit Geld umzugehen. «Es ist verständlich, dass der Staat ein Interesse daran hat», meint Grübel, «so kann er besser überwachen.» Für den Ex-Banker ist aber klar: Hände weg vom Bargeld!

Dabei helfen die Banken eifrig mit, Flüssiges überflüssig zu machen. Diese Woche stellte die UBS zusammen mit der Zürcher Kantonalbank eine eigene Bezahl-App für Handys vor. Postfinance und Swisscom haben ebenfalls Bezahl-Apps parat. Und US-Gigant Apple hätte es ohnehin am liebsten, wenn wir künftig nur noch per Apple-Watch bezahlten.

«Das ist die Zukunft!», sind die Entwickler überzeugt. Bargeld dagegen hat einen schlechten Ruf. Es sei teuer, unsicher, schmutzig und fördere Kriminalität.

Werden der Fünfliber-Hirt und der 100er-Noten-Giacometti also bald pensioniert? «Gut möglich», sagt Oswald Grübel. «Ich würde es nicht ausschliessen, dass es dereinst ein Bargeldverbot gibt.» Heute sei das zwar nicht mehrheitsfähig. «Aber die junge Generation ist es sich gewohnt, elektronisch zu zahlen.»

Warum eigentlich denkt man ausgerechnet jetzt über ein Bargeldverbot nach? «Bargeld zu horten, ist sehr attraktiv, wenn die Zeiten unsicher sind», sagt Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann (49). «Die Negativzinsen haben diesen Trend verstärkt.» In der EU flutet die Zentralbank den Markt mit Euro, um die Konjunktur anzukurbeln. In der Schweiz dagegen versucht die Nationalbank mit Negativzinsen den Franken unattraktiv zu machen.

Beides zielt ins Leere, wenn die Menschen ihr Geld zu Hause bunkern. Deshalb sagt auch Straumann: «Die Behörden haben ein Interesse an einem Bargeldverbot.»

Dabei ist Cash nützlicher, als viele denken. «Bargeld bietet der jungen Generation die beste Chance zu lernen, wie man mit Geld umgeht», sagt Wirtschaftspsychologin Anne Herrmann (38) von der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten SO. Je abstrakter das Geld, desto schwieriger werde es für Kinder zu verstehen, was es bedeute, Geld ausgeben. Und Geld zu sparen. Bargeldlos zu zahlen, ist bequem – zu bequem! Das reduziere den «Schmerz des Bezahlens», erklärt die Psychologin. Dafür stiegen die Chancen, dass sich jemand verschulde.

Aber eine drohende Überwachung habe auch Folgen für das Privatleben, so Anne Herrmann. «Selbst bei gemeinsamer Haushaltskasse möchte man nicht unbedingt, dass der Partner über jede Ausgabe Bescheid weiss.»

Kommt hinzu: Die Schweizer haben einen sehr engen Bezug zu ihrem Geld. Münzhändler Benoit Schoeni (40) aus Basel kennt den Hauptgrund: «Bei uns sehen die Münzen  seit 150 Jahren gleich aus.» Schon für die Deutschen sei das unvorstellbar. «Bei denen hat in der gleichen Zeit mehrmals die Währung gewechselt», erklärt Schoeni.

Tatsächlich: Abgesehen vom Fünfliber, der 1931 eine andere Grösse bekam, sehen alle Schweizer Münzen aus wie 1850. Noch heute werden Zehnräppler, die 1879 geprägt wurden, als Zahlungsmittel akzeptiert. Er ist damit die mit Abstand älteste noch gültige Münze der Welt.

Münzfreund Benoit Schoeni ist darum überzeugt: Würde Bargeld verboten, ginge ein Stück Schweizer Kultur verloren. «In der EU kann ich mir das ja vorstellen», sagt der Münzspezialist, «in der Schweiz niemals.»

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