Barbara Kux über Karrieren von Frauen, Quoten und Qualifikationen
«Frauen müssen wollen!»

Barbara Kux (63) hat eine bemerkenswerte internationale Karriere absolviert. Sie sass in den Konzernleitungen von Philips oder Siemens, heute ist sie Mitglied in Verwaltungsräten wie Firmenich, Henkel oder Total. Sie gilt als eine der Vorreiterinnen der «grünen Wirtschaft».
Publiziert: 07.03.2017 um 23:47 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 09:59 Uhr
Barbara Kux (63) hat eine bemerkenswerte internationale Karriere absolviert.
Foto: Thomas Meier
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Interview: René Lüchinger

BLICK: Frau Kux, heute ist Internationaler Frauentag. Hat das eine Bedeutung für Sie?
Barbara Kux: Gut, dass es diesen Tag gibt. In Amerika sind die Frauen wegen der aktuellen politischen Situation aufgestanden. Das ist positiv.

Sie sind seit 35 Jahren in der Wirtschaft tätig. Was hat sich verändert?
Die starren Berufsbahnen haben sich aufgelöst. Frauen können heute ihren individuellen Lebensweg gestalten. Als Hausfrau und Mutter und damit glücklich werden. Aber Beruf und Familie lassen sich heute auch kombinieren oder nach Lebensphasen aufteilen. Oder sie können sich, wie ich das getan habe, voll dem Beruf widmen.

Jede Karriere ist möglich?
In der Schweiz beträgt der Anteil von Frauen in Geschäftsleitungen heute 6,7 Prozent, in Verwaltungsräten über ein Fünftel. Eine positive Entwicklung.

Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Frauen mit entsprechenden beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen müssen zunächst in genügender Zahl verfügbar sein, und sie müssen auch wollen. Wir haben heute eine Bundespräsidentin in der Schweiz, eine Kanzlerin in Deutschland, eine Regierungschefin in England.

Trotzdem werden politisch Frauenquoten gefordert.
Ich kann nur für mich reden. Ich will keine Quotenfrau sein und war das auch nie. Ich bin aufgrund meiner Qualifikationen in Geschäftsleitungen oder Verwaltungsräte aufgestiegen. Es kann sein, dass Quoten eine Beschleunigung bringen. Aber klar ist auch: Für einen Verwaltungsrat ist eine vorgängige jahrelange und internationale Erfahrung im Top-Management hilfreich. Unabhängig vom Geschlecht.

Viele Frauen wollen das vielleicht gar nicht.
Wer das will, muss sich bewusst sein: Es ist eine Aufgabe mit grossem Einsatz. Man sollte bereit sein, viel Zeit und Energie zu investieren, auch auf Kosten des Privatlebens. Und ganz wichtig ist ein Partner, der dieses mitträgt.

Wie war das bei Ihnen?
Ich habe das Glück, dass mein Mann diesen Weg seit vielen Jahren gemeinsam mit mir geht – auch, indem wir zusammen sehr oft umgezogen sind. 

Was sagen Sie einer jungen Frau, die Ähnliches erreichen will?
Sie sollte ein berufliches Tätigkeitsfeld wählen, für das sie sich begeistert. Dort muss sie herausragende Leistungen erbringen. Viele Menschen haben das Talent dazu. Dann hilft es, schon in jungen Jahren diesen beruflichen Traum von einem professionellen Berufsberater beurteilen zu lassen, als Reality-Check.

Was war Ihr Traum?
Für mich war entscheidend, dass ich während des Gymnasiums ein Austauschjahr in den USA machen konnte. Der «American Spirit» hat mich geprägt: Was man wirklich erreichen will, kann man auch schaffen! Diese Freiheit, der Mut und dieses Selbstbewusstsein zu entwickeln, das hat mich sehr beeindruckt.

Was hat das bei Ihnen bewirkt?
Mir wurde klar: Ich will eine Ausbildung machen, die mich lehrt, ein Unternehmen von A bis Z zu führen. So kam ich auf die École hôtelière de Lausanne – das war damals eine der wenigen Hochschulen für Unternehmensführung in Europa. Die meisten Business Schools von heute gab es noch nicht. Das Akademische brachte ich von zu Hause mit: Mein Vater war Professor und Journalist bei der NZZ.

Aus heutiger Sicht: Sind Sie zufrieden mit der Wahl?
Ich habe das nie bereut. In vier Jahren haben wir gelernt, was in einem Unternehmen wichtig ist: Strategie, Finanzen oder HR – und vor allem auch der Service als Dienst am Menschen. Ich stand in den Praktika auch in der Küche und schälte Kartoffeln. So konnte ich das Akademische mit dem «Doing» verbinden. Weil ich einen Abschluss als Jahrgangsbeste gemacht habe, gingen nach der Ausbildung auch viele Türen auf.

Sie haben nach einer Zeit als Marketingmanagerin bei einer Tochtergesellschaft von Nestlé Deutschland doch noch einen MBA gemacht. Warum?
Richtig. An der französischen Business School Insead. Ich wollte das Management-Handwerk noch vertiefen. Weiterbildung ist wichtig, und bei entsprechenden Leistungen ergeben sich dann auch internationale Chancen.

Sie gingen dann als Beraterin zu McKinsey Deutschland. 
In der Beratung lernt man die Problemlösung. Also etwa: Wie ermöglicht man den Eintritt in einen neuen Markt? Oder in der Pharmaindustrie: Wie lassen sich die Diagnostika mit den Pharmaprodukten verbinden? Welches sind die Optionen? Dieses Denken hilft einem auch bei operativer Führung oder im Verwaltungsrat.

Als 1989 die Mauer fiel, gingen Sie für ABB nach Osteuropa. War Ihnen bewusst, dass das eine historische Zeitenwende war?
Durchaus. Die aus der schweizerischen Brown Boverie & Cie und der schwedischen Asea entstandene ABB war eine Pionierin. Wirtschaftlich öffnete sich der Eiserne Vorhang ja anfangs nur langsam. ABB war unter den Ersten, die mit volkseigenen Betrieben im Kraftwerksbereich in verschiedenen Ländern Joint Ventures einging. Die Schweden gaben Nachwuchsleuten viel Verantwortung. Ich sagte mir: Das mache ich. Es war eine faszinierende Zeit. Es herrschte Aufbruchstimmung.

Aber es war Neuland für Sie. Wie geht man da vor?
Nehmen Sie das Beispiel Polen. Ich hatte gehört, dass dort ein neues Wirtschaftsprogramm aufgesetzt werden sollte. Das hatte Auswirkungen auf unser Geschäft und auf die polnischen Partner, mit denen wir uns verbinden wollten. Ich fand heraus, dass der Autor der Harvard-Professor Jeffrey Sachs war. Also habe ich ihn angerufen.

Einfach so?
Ja. Ich sagte ihm, dass ich ihn sehen wollte. Er sei auf der Makro-Ebene tätig, ich auf der Mikro-Ebene. Wir trafen uns, und das gab mir Sicherheit bei den anstehenden unternehmerischen Entscheiden.

Was lässt sich daraus ableiten?
Man darf sich nicht scheuen, die besten Köpfe zu kontaktieren. Innerhalb wie ausserhalb der Firma. Dieses Netzwerk muss aufgebaut und gepflegt werden. Das habe ich auch später bei Philips oder Siemens so gehalten.

Dort wurden Sie erstmals Konzernleitungsmitglied mit globalem Wirkungskreis.
Ich war für das Beschaffungswesen zuständig. Ich habe damals den obersten Einkaufschef von IBM kontaktiert, eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Er gab mir den Rat, den gesamten Einkauf zu zentralisieren.

Sind Sie dem gefolgt?
Ich wählte einen eigenen Weg. Bei Philips wurden damals zwei Drittel der Ergebnisrechnung vom konzernweiten Einkauf geprägt. Gleichzeitig kauften wir für Milliardensummen indirekte Materialien, zum Beispiel für die Büroausstattung. Ich habe überall dort zentralisiert, wo das Eingekaufte nicht in unsere eigene Produktion einfloss. Also beim Büromaterial. Bei allen anderen Produkten, etwa bei Kupfer, ernannten wir einen internen «Mister Kupfer», der diese dann in Absprache mit den Abteilungen konzernweit einkaufte, ähnlich wie zum Beispiel für elektronische Komponenten oder Glas. Das ergab nicht nur ein internes, sondern auch ein externes Netzwerk.

Warum ist das wichtig?
Wir haben Milliarden eingespart, die Qualität verbessert, die besten Lieferanten als Partner ausgewählt und dadurch langfristig an uns gebunden. Der Wettbewerb findet in Zukunft nicht mehr zwischen Siemens und General Electric, zwischen UBS und CS statt. Gewinnen wird, wer die besten Partner an sich binden kann. Aber das ist nicht alles.

Sondern?
Bei Philips und Siemens war ich auch zuständig für Nachhaltigkeit. Das beinhaltet nicht nur die Ressourcen-Effizienz in den eigenen Fabriken, sondern auch, das Geschäftsfeld «Green Economy» zu entwickeln. Das ist ein riesiger globaler Markt, bis 2025 entstehen da über fünf Billionen Euro Umsatz.

Und das bedeutet?
Bei Siemens forcierten wir den Ausbau der «grünen» Technologien, zum Beispiel bei erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz. Innert fünf Jahren erhöhten wir den Umsatz bei diesen grünen Technologien von 19 auf 33 Milliarden Euro. Unseren Kunden ermöglichte dies eine CO2-Reduktion von 330 Millionen Tonnen, was dem Ausstoss der Schweiz in sechs Jahren entspricht. Das gibt eine Vorstellung davon, was noch möglich ist.

Dieses Wissen geben Sie nun in Verwaltungsräten weiter?
Nicht nur dort. Sondern auch an Studierende der Universität St. Gallen bei einem Master für International Strategies. Die jungen Menschen entwickeln in unserem Kurs ganz konkrete nachhaltige Lösungen in Projekten mit Partnerfirmen wie BMW, Henkel, Firmenich, UBS oder Roche.

Barbara Kux (63) hat eine bemerkenswerte internationale Karriere absolviert. Sie sass in den Konzernleitungen von Philips oder Siemens, heute ist sie Mitglied in Verwaltungsräten von Unternehmen wie Firmenich, Henkel oder Total.

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