Bern, Paris, London oder Dubai
Wer es bei Russen-Sanktionen locker nimmt

Die einen Länder greifen durch, andere begrüssen Millionäre aus Russland. So unterschiedlich wenden 16 Staaten Sanktionen der USA und der EU an.
Publiziert: 18.04.2023 um 11:29 Uhr
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Aktualisiert: 18.01.2024 um 10:21 Uhr
Stefan Barmettler, «Handelszeitung»
Handelszeitung

Die Jagd nach russischen Vermögen ist lanciert. Die USA und die EU haben über 1000 Bürger und Bürgerinnen mit russischem Pass sanktioniert, indem sie ihren persönlichen Besitz blockieren. Dazu gehören Bankkonti, Realwerte wie Schiffe, Immobilien, Bilder, Beteiligungen an Firmen, Fondsanteile.

Im Visier sind Oligarchen, die Wladimir Putin oder der Rüstungsindustrie nahestehen. Um ihre Vermögen aufzuspüren, haben die G7-Staaten die «Russian Elites, Proxies, and Oligarchs» (Repo) Task-Force ins Leben gerufen. Diese meldete, dass bislang Vermögenswerte im Volumen von 58 Milliarden Dollar weltweit gesperrt worden sind. Rund die Hälfte davon stammt aus EU-Ländern. Die EU hat ihre eigene Task-Force aufgestellt, die ebenfalls Oligarchengeldern nachspürt. Diese EU-Task-Force hat nach eigenen Angaben bislang 23 Milliarden Euro an Vermögenswerten blockiert. Zudem wurden rund 300 Milliarden Euro an Devisenreserven der russischen Zentralbank gesperrt.

Allerdings ist bis heute nicht klar, wo genau diese Gelder liegen, daher ist die Zahl mit Vorsicht zu geniessen. Nur Frankreich hat gemeldet, 22 Milliarden Euro russischer Zentralbankgelder eingefroren zu haben. Die Schweiz steht in der Kritik der G7-Staaten, sie tue nicht genug, um die Sanktionen durchzusetzen. Wie aber schneiden die anderen Finanzplätze ab? Im folgenden Überblick ist zu beachten, dass die meisten Angaben in den Sammelangaben der verschiedenen Arbeitsgruppen enthalten sind.

London, auch als Londongrad bekannt, ist eine Hochburg der russischen Geldelite.
Foto: Sven Thomann
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Schweiz

Die Bankiervereinigung schätzte die Vermögenswerte russischer Eigentümer grob auf 150 bis 200 Milliarden Franken, davon sind die allermeisten von Sanktionen nicht betroffen. Hierzulande sind aktuell 7,5 Milliarden Franken und 15 Villen eingefroren. Weitere 2,2 Milliarden sind blockiert und in Abklärung.

Bei der Umsetzung der Sanktionen sind nur Konten ab 100'000 Franken betroffen. Gelder von Doppelbürgern, also Schweiz-Russen, werden nicht erfasst. In jüngster Zeit haben UBS und CS ihre Vorsichtsmassnahmen rund um russische Gelder verschärft, weil sie Sanktionen der USA befürchten.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

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Prominentester Sanktionierter ist Viktor Vekselberg, der seit 2018 auf einer Liste der USA steht. Er ist an Sulzer und OC Oerlikon beteiligt, hat aber seit Jahren keinen Zugriff auf seine Schweizer Konten, auch seine Dividenden aus den Beteiligungen werden auf ein Sperrkonto einbezahlt.

Die Gazprombank Schweiz, eine mit der sanktionierten russischen Staatsbank Rossija verbundene Bank in Moskau, wird abgewickelt. Bekannt wurde sie, weil die Bank vermutlich Vermögen von Putin und seinen Freunden verschob, obwohl es Hinweise auf die fragwürdige Herkunft der Gelder gab. Die Finma griff nach Publikation der Panama Papers durch und verbot der Bank, eine Zeit lang neue Privatkunden aufzunehmen. Im letzten Monat verurteilte das Bezirksgericht in Zürich vier Spitzenbanker wegen Verstoss gegen Sorgfaltspflichten. Die Gazprombank mit Sitz in Moskau unterhält im Ausland – nach dem Aus in Zürich – nur noch Filialen in Luxemburg, Weissrussland und Zypern.

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Zypern

Das EU-Land gilt seit Jahrzehnten als Hotspot russischer Millionäre, die auf der Mittelmeerinsel Immobilien und (Briefkasten)-Firmen unterhalten. Das Land ist interessant, weil mit Immobilienkäufen oder Firmengründungen ein Pass – und damit ein EU-Zugang – garantiert ist.

Zypern zeigte sich bei der Blockierung von Vermögen zögerlich. Erst im Januar 2023 kündigte die Regierung an, nach Geldern von sanktionierten Oligarchen zu suchen. Kürzlich hiess es, man habe 1,5 Milliarden Euro blockiert, darunter 100 Millionen auf Bankkonten sanktionierter Russen; ein Grossteil der Gesamtsumme sei in Investmentgesellschaften angelegt. Gemäss Finanzminister Constantinos Petrides hätte der Finanzplatz in den letzten Jahren grosse Geldabflüsse aus Russland hinnehmen müssen. Aktuell lägen noch eine Milliarde auf zypriotischen Banken, vor der Finanzkrise 2009 seien es 10-mal mehr gewesen.

Auf Druck der EU kündete Zypern im März an, die Fälle der maltesisch-russischen Doppelbürger, die einen «Golden Pass» gekauft hätten, genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Visier der USA und der EU stehen die Vermögen der Oligarchen Alisher Usmanov und Roman Abramovich, beide enge Vertraute Putins. Der zypriotische Regierungssprecher erklärte: «Wir haben Massnahmen ergriffen, um Zypern als vertrauenswürdiges Wirtschaftszentrum zu erhalten.»

Zypern ist allerdings spät dran: Usmanov wurde schon letztes Jahr von der EU und der Schweiz sanktioniert.

3

Malta

Wie Zypern gilt Malta als bevorzugte Destination, wie Zypern werden in Malta Pässe an Russen verkauft. Malta hat bislang aber keine Sanktionen umgesetzt. Die Erklärung Maltas: Man habe anderen EU-Ländern geholfen, Jachten, die in Malta immatrikuliert sind, zu blockieren. Im Januar 2023 gab die Regierung bekannt, man habe umgerechnet 210'000 Franken eingefroren.

4

Karibik

Der Finanzplatz Bahamas hat im März 2022 Finanztransaktionen mit sanktionierten Russen untersagt. Die Notenbank in Nassau schätzt die Vermögen russischer Bürgerinnen und Bürger auf umgerechnet 2,9 Milliarden Franken. Andere Länder in der Karibik beteiligen sich nicht an einem Freeze, weil viele der Kontoinhaber Doppelbürger sind, die mit Investitions-Programmen einen Pass erlangten.

5

Deutschland

Das EU-Land hat gemäss eigenen Angaben bislang 2,1 Milliarden Euro blockiert.

6

Luxemburg

Das Finanzministerium meldete Ende 2022, man habe 5,3 Milliarden Euro an Russengeldern blockiert. Die Gazprombank, die auch Private Banking mit russischen Bürgern betreibt, ist in Luxemburg immer noch aktiv.

7

Arabische Emirate

Die Emirate mit den Finanzzentren Abu Dhabi und Dubai werden seit dem Ukraine-Angriff von vermögenden Russen überrannt, denn am Golf haben sie nichts zu befürchten. Das gilt auch für Superjachten und Privatjets. Das Laissez-faire hat politische Hintergründe: Das Emirat nimmt Rücksicht auf Putin, weil Russland in Syrien und im Iran eine wichtige Rolle spielt. Im Oktober war Khalifa bin Zayed Al Nahyan zu Besuch bei Putin. Auch für die USA sind die Arabischen Emirate ein «wichtiger strategischer Partner», wie das Beratungsinstitut Soufan Center schreibt.

Der Freiraum hat Folgen. Die Nachfrage nach Immobilien hat sich 2022 verdoppelt, entsprechend sind die Preise in die Höhe geschossen, wie das Dubai Land Departement schreibt.

Weil die EU und die USA gleichwohl Druck machen, gab Abu Dhabi kürzlich bekannt, ab sofort Investitionen von Russen zu stoppen. Weiter soll der sanktionierten MTS Bank die Lizenz entzogen werden. Sie gehört Oligarch Vladmir Yevtuschnekov, der vom Westen längst sanktioniert ist. Selbst der Chef der Wagner Gruppe, Jewgenij Prigoschin, ist wohlgelitten. Denn er ist mit seiner Söldnertruppe im Sudan und in Mali im Geschäft mit Gold verwickelt, das über die Emirate gehandelt wird.

8

Montenegro

Viele russische Staatsbürger haben auch montenegrinische Pässe gekauft, verbunden mit Investitionen. Fast die Hälfte der Immobilienkäufe sollen 2022 durch Russen abgewickelt worden sein. Das Land hält sich bei der Umsetzung von Sanktionen zurück. Bekannt ist nur, dass die Regierung Immobilien von zwei russischen Milliardären blockierte.

9

USA

Wieviele Vermögenswerte die USA eingefroren haben, ist nicht bekannt. Kürzlich meldete das Finanzdepartement, man habe Besitz von einer Milliarde Dollar in Briefkastenfirmen in Delaware blockiert.

Die USA haben 14 Personen aus der Rüstungsindustrie sanktioniert, dazu rund 300 Politikerinnen und Politiker. Auf der Liste steht auch Notenbankchefin Elvira Nabiullina. Im Visier ist ferner Viktor Vekselberg. Seine Jacht Tango wurde in Spanien festgesetzt, seit Anfang Jahr bemüht sich das Justizdepartement, sechs seiner Immobilien zu beschlagnahmen.

10

Singapur

Im März 2022 verbot die Finanzmarktaufsicht, mit vier russischen Banken zu geschäften. In der Vergangenheit haben diverse Oligarchen ihre Gelder in den Stadtstaat verschoben, darunter Herman Gref, von den USA sanktionierter Chef der Sberbank, Russlands grösster Bank. Gemäss Panama Papers soll er einen Family Trust verbunden mit Offshore-Firmen auf den Britischen Virgin Islands aufgebaut haben, wo 75 Millionen gebunkert sein sollen. Später übertrug er das Vermögen seinem Neffen Oskar Gref.

11

Hongkong

Die ehemalige Kronkolonie verweigert sich den Sanktionen des Westens. Der Chief Executive der chinesischen Wirtschaftsmetropole, John Lee, ist seit 2020 selber von den USA sanktioniert, und zwar wegen Menschenrechtsverletzungen rund um das Niederringen der Demokratiebewegung.

Lee meinte kürzlich: «Wir lachen nur über die so genannten Sanktionen.» Auslöser war das Ankern der Superjacht Nord, die dem sanktionierten Stahl-Milliardär Alexey Mordashov gehört. Die USA forderten eine Beschlagnahmung der Jacht und drohten mit Gegenmassnahmen. Lee weigerte sich und zählt auf die Unterstützung durch China.

12

Belgien

Das EU-Land hat bislang Vermögenswerte von umgerechnet 3,4 Milliarden Franken eingefroren.

13

Grossbritannien

«Grossbritannien half, 48 Milliarden Pfund an russischen Vermögen zu blockieren», verkündete die Regierung in London im März. Allerdings hat sie selber bislang nur 20,4 Milliarden eingefroren, dreimal mehr als die Schweiz.

In London («Londongrad») haben in den letzten Jahren viele russische Oligarchen eine zweite Heimat gefunden. Nach dem Einmarsch Putins hat die Regierung den Verkauf von «Golden Visas» an vermögende Russen gestoppt.

Gemäss Transparency International haben in den letzten Jahren 700 russische Bürger dank Immobilienkäufe ein Aufenthaltsrecht auf der Insel erhalten. Insgesamt sollen 48 Russen mit engen Beziehungen zum Kreml gegen zwei Milliarden in den Immobiliensektor gesteckt haben. Gemäss Transparency International ist eine Verarrestierung schwierig, weil Offshore-Strukturen zwischengeschaltet sind.

14

Kanada

Das Land hat bislang 90 Millionen Franken eingefroren.

15

Monaco

Das Fürstentum ist ein wichtiger Finanzplatz, der auch Roman Abramovich zu schätzen weiss. Gemäss Medienmeldungen sind Abklärungen über Offshore-Konstrukte im Gang, die, kurz vor seinem Auftauchen auf einer EU-Sanktionsliste, durch die Barclays-Filiale in Monaco aufgesetzt wurden. Wieviel Geld blockiert wurde, ist nicht bekannt.

16

Frankreich

Die Franzosen haben bis Ende März 1,2 Milliarden Franken und zwei Dutzend Villen blockiert.

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