Hilfe der Caritas so gefragt wie noch nie
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Teuerung und Ukraine-Krieg:Hilfe der Caritas so gefragt wie noch nie

Brockenhäuser werden überrannt
Warum sie dennoch nicht mehr Arbeitsintegration bieten können

Brockenhäuser florieren, wenn die Inflation anzieht. Obwohl ihre Umsätze klettern, können sie nicht mehr Arbeitsintegrationsmassnahmen anbieten. Daniel Von Holzen von Caritas Luzern erklärt die Gründe.
Publiziert: 23.04.2023 um 22:30 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2023 um 09:07 Uhr

Brockenhäuser und Secondhand-Läden erleben einen zweiten Frühling. Gebrauchtes findet reissenden Absatz, denn die Preise im Detailhandel steigen und steigen. Sowohl bei Hiob und bei der Heilsarmee, zwei der grössten Brocki-Betreiber, hat die Nachfrage im vergangenen Jahr bereits um zehn Prozent angezogen. Tendenz steigend. Die Betriebe in der ganzen Schweiz freuen sich über steigende Umsätze, ohne jeweils gegenüber Blick Zahlen bekannt zu geben.

Auch die drei Brockis der Caritas Luzern haben vergangenes Jahr elf Prozent mehr Umsatz gemacht. Vor allem Kleider, Möbel und Haushaltsartikel seien gefragt. «Dieses Jahr scheint sich der Trend fortzusetzen», sagt Daniel von Holzen (61). Er leitet die Märkte und Läden bei Caritas Luzern.

Nicht nur die Teuerung ist dafür verantwortlich, dass die Brockenhäuser überrannt werden. Auch ukrainische Flüchtlinge decken sich dort gern ein. «Sie schätzen vor allem Kleider», sagt von Holzen. Blick berichtete vor Kurzem über die Caritas-Märkte, die im März einen noch nie dagewesenen Umsatz verzeichneten.

Die Brockis in Luzern hätten eigentlich Kapazität, noch mehr Personen im Rahmen der Arbeitsmigration einzustellen.
Foto: Philippe Rossier
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Wie die Heilsarmee betreibt auch Caritas Luzern Programme für den Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt. Einen der Teilnehmenden, Armando De Sousa (53), konnte Blick bei seiner Arbeit begleiten. Bei den Rekord-Umsätzen stellt sich die Frage: Können Brockis jetzt mehr Menschen im Rahmen von Arbeitsintegration einstellen? Schliesslich gibt es auch mehr zu tun.

Wie die Arbeitsintegration läuft

Wer für den ersten Arbeitsmarkt nicht fit ist, dem können Arbeitsintegrationsprogramme den Wiedereintritt erleichtern. Es gibt unterschiedliche Massnahmen auf ganz verschiedenen Ebenen: Die Sozialversicherung wählt in Absprache jeweils aus, welches Programm für den betroffenen Menschen am besten passt. Involviert sind auch das RAV, die Invalidenversicherung (IV), die Sozial- sowie die Asylsozialhilfe. An solchen Programmen nehmen also Arbeitslose, IV- oder Sozialhilfebezüger sowie Flüchtlinge teil.

Falls der Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist, liegt der Fokus auf der sozialen Integration.

Über 400 Organisationen sind Mitglied beim Fachverband Arbeitsintegration Schweiz und seinen Regionalvertretungen. Neben Caritas Luzern zählen auch die Migros Klubschule sowie das Schweizerische Rote Kreuz dazu. Rund ein Drittel der Verbandsmitglieder bieten durch interne Integrationseinrichtungen niederschwellige Arbeiten an.

Laut des Fachverbands wird der Mehrwert seiner Arbeit für die Schweizer Wirtschaft noch immer unterschätzt. Gäbe es solche Programme hierzulande nicht, würde es deutlich mehr Arbeitslose geben, heisst es bei Arbeitsintegration Schweiz. Milena Kälin

Wer für den ersten Arbeitsmarkt nicht fit ist, dem können Arbeitsintegrationsprogramme den Wiedereintritt erleichtern. Es gibt unterschiedliche Massnahmen auf ganz verschiedenen Ebenen: Die Sozialversicherung wählt in Absprache jeweils aus, welches Programm für den betroffenen Menschen am besten passt. Involviert sind auch das RAV, die Invalidenversicherung (IV), die Sozial- sowie die Asylsozialhilfe. An solchen Programmen nehmen also Arbeitslose, IV- oder Sozialhilfebezüger sowie Flüchtlinge teil.

Falls der Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist, liegt der Fokus auf der sozialen Integration.

Über 400 Organisationen sind Mitglied beim Fachverband Arbeitsintegration Schweiz und seinen Regionalvertretungen. Neben Caritas Luzern zählen auch die Migros Klubschule sowie das Schweizerische Rote Kreuz dazu. Rund ein Drittel der Verbandsmitglieder bieten durch interne Integrationseinrichtungen niederschwellige Arbeiten an.

Laut des Fachverbands wird der Mehrwert seiner Arbeit für die Schweizer Wirtschaft noch immer unterschätzt. Gäbe es solche Programme hierzulande nicht, würde es deutlich mehr Arbeitslose geben, heisst es bei Arbeitsintegration Schweiz. Milena Kälin

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Arbeitsmarkt komplett ausgetrocknet

So einfach ist es leider nicht. «Wir bekommen momentan wenig Anmeldungen vom RAV oder von den Sozialämtern, weil der erste Arbeitsmarkt so dringend nach Fach- und Hilfskräften sucht. Grundsätzlich ist das eine gute Entwicklung, für uns jedoch eine anspruchsvolle Situation», erklärt von Holzen das Problem. Er würde gern mehr Personen beim Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt helfen.

Mit einer Arbeitslosenquote von 2,0 Prozent im März herrscht hierzulande praktisch Vollbeschäftigung. Vom RAV vermittelte Personen seien zum Teil nach zwei Wochen wieder weg, weil sie eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt gefunden haben. An sich ist das eine gute Nachricht, allerdings fordert die vorzeitige Wiedereingliederung die Caritas-Brockis aktuell heraus.

Denn die Brockis von Caritas Luzern finanzieren sich zwar mit dem Umsatz, den sie generieren. Doch sie erhalten auch Beiträge für die Arbeitsintegration vom RAV oder von den Sozialämtern – diese fehlen aber im Moment teilweise. «Da es momentan an Teilnehmenden mangelt, probieren wir uns mit dem Umsatz zu stabilisieren. Das ist eine Herausforderung», sagt von Holzen.

Teilnehmende nennt die Caritas die Mitarbeitenden, die über ein Arbeitsintegrations- oder Beschäftigungsprogramm angestellt sind. Einen Lohn erhalten sie nicht, dafür aber Beiträge vom RAV oder vom Sozialamt. Beim RAV sind es beispielsweise 80 Prozent des vorherigen Lohns. Die Brockis selbst beschäftigten nur wenige Festangestellte.

In der Brockenstube in Luzern arbeiten aktuell etwa 30 Teilnehmende. Aber egal, wie viele es sind – es gibt für alle eine sinnvolle Beschäftigung. «Man muss immer eine gute Alternative bereit haben», so von Holzen. Nach Corona seien es beispielsweise doppelt so viele Teilnehmende wie jetzt gewesen – und es gab noch eine Warteliste.

Fehlende Beiträge als Herausforderung

Dass die Caritas irgendwann gar keine Teilnehmenden mehr findet, glaubt Daniel von Holzen aber nicht. «Es gibt ja die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit», sagt er. Zudem rechnet von Holzen damit, dass die Arbeitslosigkeit früher oder später wieder steigen wird. «Dann sind wir bereit und können die neue Nachfrage gut abdecken.»

Eine Arbeitsintegration sei zudem immer auch eine soziale Integration. «Die Teilnehmenden haben hier Arbeitskameraden, die in etwa den gleichen Rucksack tragen.» Caritas Luzern unterstützt die Teilnehmenden auch bei der Stellensuche und schult sie für Bewerbungsgespräche.

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