Bundesrätin spricht Klartext
9-Milliarden-Staatsgarantie könnte nicht ausreichen

Finanzministerin Karin Keller-Sutter rechtfertigt die Vorgänge rund um die Rettung der Credit Suisse und kritisiert dabei die Grossbank scharf. Dabei spricht sie auch Tacheles hinsichtlich der Zahlen zur Rettung.
Publiziert: 25.03.2023 um 15:29 Uhr
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Aktualisiert: 25.03.2023 um 15:59 Uhr
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Der Niedergang der Credit Suisse und deren vom Bund mitgetragene Übernahme durch die UBS wirft seit Tagen hohe Wellen. Im Auge des Sturms: Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59), die vergangenen Sonntag den Rettungsvorschlag des Bundes der verdutzten Öffentlichkeit präsentierte.

In einem Radiointerview mit SRF gibt Keller-Sutter nun Einblicke in die Vorgänge rund um diese Rettung. Zunächst hält sie fest, dass die CS ohne die Notrettung «am Montagmorgen Konkurs gegangen» wäre, was zu riesigen Verwerfungen auf den Finanzplätzen in der Schweiz und im Ausland geführt hätte. Dass die letztlich getroffene Rettungsmassnahme für Unmut sorgt, kann sie nachvollziehen. Die Schuldigen sind allerdings schnell verortet: «Leider können Sie Fehler im Management nicht wegregulieren», sagt Keller-Sutter. Gegen die Kumulation von Fehlern, Skandalen und Vertrauensverlust sei kaum etwas auszurichten.

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«Seit Monaten» habe der Bund gemeinsam mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Finanzmarktaufsicht (Finma) die Lage beobachtet und bereits über Szenarien diskutiert. Die CS habe das Land und den Bundesrat «in eine unmögliche Lage» gebracht, kritisiert sie. Druckversuche aus den USA oder Grossbritannien habe es dagegen nicht gegeben, widerspricht die Finanzministerin anderslautenden Medienberichten aus dem Ausland. Die Telefonate mit den dortigen Finanzministern hätten bezweckt, «Kulanz» und Entgegenkommen für die letztlich präsentierte Lösung zu schaffen.

Bundesrätin Karin Keller-Sutter (59) sagt, die Credit Suisse wäre ohne Notrettung am Montagmorgen Konkurs gegangen.
Foto: keystone-sda.ch
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«Grosse Milliardenbeträge bereits bezogen»

Die Bundesrätin hält fest, dass die 209 Milliarden Franken nicht in Bargeld fliessen, sondern Risikogarantien darstellen. Ob die CS die bereits zuvor von der SNB gewährte Liquiditätsspritze von 50 Milliarden Franken bezogen hat, weiss Keller-Sutter nicht im Detail. Sie weiss aber, dass «am letzten Wochenende grosse Milliardenbeträge abgezogen wurden». Dies einerseits, weil die CS-Kunden weiterhin Geld abzogen, zum anderen, weil andere Banken für Geschäfte mit der CS auf Garantien pochten. Dass also bereits über 50 Milliarden Franken zur CS geflossen sind, «davon ist auszugehen», so Keller-Sutter.

Das ist jedoch ein Klacks gegenüber dem, was ein Konkurs der CS die Schweiz gekostet hätte: Auf rund 740 Milliarden Franken beziffert Keller-Sutter den Schaden, den ein «ungeordneter Konkurs» der CS der Schweiz beschert hätte.

So betrachtet war die alternative Lösung, nämlich eine Verstaatlichung der CS, kein Thema, zumal das ganze Risiko «beim Steuerzahler gelegen» hätte. Da habe der Bund nicht verantworten können. Letztlich habe sich die Lösung mit der UBS als bestmögliche Lösung abgezeichnet. Ein alternatives Angebot von Saudi-Arabien über 5 Milliarden Franken für die Übernahme der CS war Keller-Sutter offenbar nicht bekannt, ein weiteres Angebot von Blackrock vom Samstag sei noch am selben Tag wieder zurückgezogen worden.

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Bund verhandelt auch über Gewinnbeteiligungen

Gegen mögliche Verluste mit toxischen CS-Papieren – Derivatepositionen, welche die UBS nicht übernehmen wollte – hat die UBS 5 Milliarden zurückgestellt, der Bund bietet darüber hinaus 9 Milliarden Franken an zusätzlicher Garantie. Was, wenn die Verluste damit nicht genügend gedeckt sind? Laut Keller-Sutter ist noch nicht verhandelt, wer und in welcher Höhe zusätzliche Verluste tragen müsste. Eine Erhöhung der Garantiesumme müsste eventuell vors Parlament. Demgegenüber würde der Bund im Falle eines gewinnbringenden Verkaufs der Papiere laut Keller-Sutter auch über Gewinnbeteiligungen verhandeln.

Unter dem Strich bestätigt die Bundesrätin aber, dass die Staatsgarantie über die vereinbarten 9 Milliarden hinausgehen könnten. Dass die Mehrsumme hälftig von Bund und UBS getragen werde, wie kolportiert wurde, «stimmt nicht».

Aufsehenerregend ist auch Keller-Sutters Aussage zu den AT1-Anleihen, deren Inhaber faktisch enteignet wurden, und dies in einer Höhe von 17 Milliarden Franken: «Im Kleingedruckten steht, dass das Geld abgeschrieben werden kann, wenn es zu einer staatlichen Unterstützung kommt – dieser Fall ist eingetreten.» Da es sich beim CS-Fall nicht um einen Konkurs handle, gelte auch die übliche Praxis nicht, wonach zuerst die Aktionäre und erst danach die Anleiher haften. Dazu handle es sich bei den 17 Milliarden Franken um einen Nominalwert, «der effektive Wert lag zuletzt bei 5 Milliarden», so Keller-Sutter.

UBS-Boni dürften bleiben

Da der Bundesrat der UBS eine Garantie gewährt, wäre denkbar, dass – wie bei der CS – auch bei der UBS die Boni gekappt werden. Damit habe sich der Bundesrat aber noch nicht beschäftigt. Ob man dies bei der UBS wolle, sei unklar, zumal die UBS «Teil der Lösung» gewesen sei. Keller-Sutter sagt es so: «Man muss aufpassen, nicht zu überschiessen.»

CS-Abspaltung unerwünscht

Die FDP – Keller-Sutters eigene Partei – verlangt, dass die CS als eigenständige Bank beibehalten wird, also von der UBS wieder abgespaltet. Keller-Sutter warnt jedoch davor: «Das wäre eine wesentliche Veränderung des Deals mit der UBS.» Priorität habe, die Übernahme der CS durch die UBS zu ermöglichen. Es gehe darum, bei der CS-Rettung die «richtige Reihenfolge» zu berücksichtigen. Zu viele Bedingungen und Forderungen könnten den Deal gefährden.

Keller-Sutter verweist darauf, dass sich die Wettbewerbskommission noch nachträglich den Deal prüfen wird. Die Bundesrätin moniert: «Ruhe bewahren».

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