Händler, reduziert die Margen!
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Konsumentenschützerin fordert:Händler, reduziert die Margen!

Die Auswirkungen auf Wirtschaft, Jobs, Energieversorung, Konsum und Wohnen
Schweizer Haushalte bezahlen teuer für den Ukraine-Krieg

Die wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine drohen den Aufschwung nach Corona gleich wieder abzuwürgen. Steigende Zinsen und Energiekosten belasten die Budgets vieler Haushalte – auch in der Schweiz.
Publiziert: 17.03.2022 um 00:44 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2022 um 06:38 Uhr
Der Krieg in der Ukraine treibt die Preise für Öl und Gas in die Höhe.
Foto: Keystone
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Christian Kolbe

In der Weltwirtschaft schrillen sämtliche Alarmglocken. Was eben noch nach einem entspannten Sommer mit viel wirtschaftlichem Aufholbedarf nach der Corona-Pandemie ausgesehen hat, droht nun durch den Krieg in der Ukraine wieder zunichtegemacht zu werden. Die Invasion der russischen Truppen im Nachbarstaat führt dazu, dass die meisten Institute ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigieren. Der Internationale Währungsfonds ebenso wie etwa die Grossbanken UBS und CS oder das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).

Die gute Nachricht: Der Nachholbedarf nach Corona ist offenbar immer noch so gross, dass trotz Dämpfer alle Prognostiker immer noch mit einem kräftigen Wachstum in der Schweiz rechnen.

Zum Beispiel Rudolf Minsch (54), Chefökonom beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Er schätzt das Wachstum der Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr auf 2,4 Prozent. «Kommt es zu keiner weiteren Eskalation des Krieges in der Ukraine, dann wird die Wirtschaft weiter wachsen», ist Minsch überzeugt.

Nur: Ob, wann und wie der Konflikt eskalieren könnte, ist völlig unklar. «Ich bin vorsichtig, da ich nicht weiss, was im Kopf des russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeht», so Minsch.

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Das sind die Preistreiber auf den Weltmärkten

Das Problem: Die Weltwirtschaft schlittert von einem Angebotsschock in den nächsten. Erst waren die Lieferketten wegen Corona unterbrochen, nun zeigen die Preise vor allem für Energie, aber auch für andere Rohstoffe steil nach oben. Russland gehört auch bei Stahl, Nickel, Palladium oder Aluminium zu den wichtigsten Produzenten auf dem Weltmarkt.

Den ersten Angebotsschock hat die Weltwirtschaft fast verdaut, nun beisst sie sich am zweiten beinahe die Zähne aus. In einer aktuellen Umfrage von Economiesuisse gibt ein Drittel der befragten Firmen an, dass der Krieg zu erneuten Lieferengpässen geführt habe. Es fehlt etwa an Dämmmaterial im Baugewerbe, Speicherchips und Prozessoren. Andere Produkte – darunter Waschmaschinen und Velos – sind zwar noch zu haben, aber zu horrenden Preisen.

Vor allem, wenn es zu einem Stopp der russischen Öl- und Gaslieferungen nach Europa kommt. Dann ist mit einem starken wirtschaftlichen Einbruch zu rechnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Russland die Lieferungen stoppt oder Europa als Sanktion darauf verzichtet.

Und auch keine Rolle spielt es dann, dass die Schweiz viel weniger von den Energielieferungen aus Russland abhängig ist als ihre Nachbarn, sagt die Ökonomin und Energieexpertin Cornelia Meyer: «Wenn das russische Gas fehlt, dann hat das gravierende Folgen für die Industrie in Deutschland oder Österreich. Das spüren auch die Schweizer Kunden oder Zulieferer dieser Firmen.»

Ohne Energie aus Russland dürfte die Schweiz in eine Rezession stürzen. In den nächsten zwei Jahren könnte die Wirtschaftsleistung der Schweiz deshalb um 3 bis 4 Prozentpunkte sinken, wie die «SonntagsZeitung» eine Berechnung der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich zitiert.

Minsch relativiert: «Wir sollten jetzt keine Untergangsszenarien skizzieren. Die Menschen sind erfinderisch und deshalb in der Lage, den Schaden einzugrenzen.» Ein Lieferstopp könnte zum Beispiel den Ausbau alternativer Energien beschleunigen.

Nur das braucht Zeit. Ebenso wie der Ersatz des russischen Gases: «Man kann nicht einfach den Schalter umlegen und hat das Problem damit gelöst», warnt Meyer. «Dafür braucht es neue Infrastrukturen wie zum Beispiel Verladeterminals für Flüssiggas.»

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So spüren es Konsumenten

All die Verwerfungen der globalen Wirtschaft bemerken die Konsumenten in der Schweiz zuerst an der Zapfsäule. Doch inzwischen treibt der Krieg auch die Preise für Lebensmittel in die Höhe. Denn nur schon der Transport der Güter des täglichen Bedarfs habe sich verteuert, die Logistiker und Camionneure schlagen wegen der hohen Dieselpreise Alarm. Auch Traktoren brauchen Diesel. Das verteuert landwirtschaftliche Produkte ebenso wie den Dünger. Denn auch da gehört Russland zu den wichtigsten Anbietern.

Immerhin: Die steigenden Preise für Brotgetreide müssen uns kein Bauchweh machen, beruhigte Bundespräsident Ignazio Cassis (60) am Mittwoch in der Ukraine-Debatte im Nationalrat. «Wir können den Grossteil unseres Bedarfs mit inländischen Produkten decken.» Normalerweise werde ein Teil unseres Brotgetreides sogar zu Tierfutter verarbeitet.

Der von der SVP bemühte Mythos «Anbauschlacht» aus dem Zweiten Weltkrieg muss nicht wiederbelebt werden. Auch mit bepflanztem Sechseläutenplatz in Zürich oder Kartoffeläckern in der Wendeschleife des Trams kletterte der Selbstversorgungsgrad damals auf nur 59 Prozent – heute liegt er immer noch bei 57 Prozent. Die Schweiz war und ist auf Importe angewiesen.

Im Moment können die allermeisten in der Schweiz die Preissteigerungen noch gut verkraften. «Der Schweizer Konsument hat das Privileg einer starken Kaufkraft», sagt Minsch. «Der starke Franken und die hohen Löhne können Preissteigerungen teilweise abfedern.»

Der Konsumentenschutz warnt gar vor einer allzu forschen Preispolitik. «Jetzt schon Preiserhöhungen anzukündigen, ist nicht korrekt», sagt Sara Stalder (56) zu Blick TV. Es könne nicht sein, dass man wegen einer humanitären Krise Gewinnoptimierung betreiben wolle. «In der Schweiz haben wir vielerorts gerade bei Importprodukten noch immer sehr hohe Margen für den Detailhandel.» Dort könne man durchaus noch etwas Luft rauslassen, glaubt die Konsumentenschützerin.

Steigende Zinsen und teureres Wohnen

Jetzt hat sie es also getan: Die US-Notenbank FED hat am Mittwoch die Zinsen leicht erhöht – und damit den Kampf gegen die galoppierende Inflation in den USA aufgenommen. Das Ende der Zeit der ultratiefen Zinsen ist nah, das spiegelt sich unter anderem auch in steigenden Hypozinsen in der Schweiz. Mit 1,73 Prozent kostet eine zehnjährige Festhypothek so viel wie seit vier Jahren nicht mehr, schreibt der Vergleichsdienst Moneyland.

Das dürfte allerdings keinen Run auf Festhypotheken auslösen. «80 Prozent der Hypothekarschuldner haben bereits eine Festhypothek, zudem sind Geldmarkthypos immer noch deutlich günstiger», sagt Martin Neff (61), Chefökonom von Raiffeisen. Rudolf Minsch dagegen glaubt, es könnte sich schon jetzt lohnen umzusteigen, da «Hypothekar-, aber auch Firmenkredite in der langen Frist etwas teurer werden».

«Die steigenden Zinsen lassen die Preise für Aktien und Immobilien sinken», ergänzt Cornelia Meyer. Das trifft uns alle, zum Beispiel über weniger Rendite bei den Pensionskassen. Aber auch für einige Häuschenbesitzer könnte es schwieriger werden, ihre Hypothek zu erneuern.

Bis die steigenden Zinsen auf die Mieten durchschlagen, wird es noch eine Weile dauern. Die gestiegenen Energiepreise allerdings werden viele Mieter in der Nebenkostenabrechnung – spätestens im nächsten Jahr – spüren: Eine Schätzung von 300 bis 600 Franken Mehrkosten hält der Mieterverband auf Anfrage von Blick für realistisch.

SNB wartet auf EZB

Bleibt die Frage, was die Schweizerische Nationalbank (SNB) nun machen wird? Für alle Beobachter ist klar: Irgendwann muss nun die Zeit der Negativzinsen ein Ende haben. Das brächte vor allem auch für auf Sicherheit bedachte Sparer etwas, sie müssten dann nicht mehr, um den Strafzinsen zu entgehen, ihr Geld in Aktien oder Fonds anlegen.

Nur: Ein Zinsschritt in der Schweiz hängt davon ab, was die Eurozone machen wird. «Es rächt sich nun, dass die EZB, die Europäische Zentralbank, bei den Zinsen nicht früher eine Normalisierung eingeleitet hat», erklärt Rudolf Minsch. Das heisst: Ohne einen kräftigen Zinsschritt der EZB kann auch die SNB nicht an der Zinsschraube drehen.

Stetig stärkerer Franken

Denn ein Vorpreschen würde den Franken noch mehr aufwerten. Dabei zeigt unsere Währung in der Krise schon Muskeln, wird stärker und stärker. Mittelfristig werden wir uns an die Parität zum Euro gewöhnen müssen. Das heisst, Euro und Franken sind dann gleich viel wert. «Der Franken wird weiterhin zur Stärke neigen», ist Neff überzeugt. Das habe unter anderem mit der tieferen Teuerung und der stabilen Wirtschaft zu tun. Diese kann inzwischen mit dem starken Franken ganz gut leben. «Ein Kurs von 1:1 wäre daher für die Wirtschaft bei weitem nicht mehr so schlimm wie 2015», sagt Minsch.

Damals kam die Aufwertung über Nacht mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses. Inzwischen haben sich die Firmen an den stetig steigenden Wert des Frankens angepasst. Zudem: Die Lieferengpässe bereiten den Unternehmern viel mehr Kopfzerbrechen als der starke Franken.

Robuster Arbeitsmarkt

Trotz der wirtschaftlichen Turbulenzen sehen alle Befragten keine Anzeichen für einen Jobabbau in grossem Stil. «Der Schweizer Arbeitsmarkt ist sehr robust», sagt Neff. Und Minsch ergänzt: «In der Schweiz herrscht noch immer ein Fachkräftemangel.» Das heisst, auch gut ausgebildete Flüchtlinge aus der Ukraine haben Chancen, in der Schweiz schnell einen Job zu finden.

Im Moment setzen die Märkte auf die Macht der Diplomatie und einen Erfolg der Gespräche zwischen den russischen und ukrainischen Unterhändlern. Das lässt den Ölpreis ebenso sinken wie die Notierungen für Weizen oder Erdgas.




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