Die Harvard-Psychologin Maria Konnikova erforscht Tricksereien
«Eine Welt ohne Betrug ist eine traurige Welt»

Um Betrüger und Trickster zu verstehen, hat sich die Harvard-Psychologin Maria Konnikova zur Poker-Spielerin ausbilden lassen. Beim Besuch am WEF erzählt sie BLICK, was sie dabei gelernt hat.
Publiziert: 23.01.2019 um 12:58 Uhr
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Aktualisiert: 23.01.2019 um 13:20 Uhr
Guido Schätti
Guido SchättiStv. Chefredaktor BLICK

Der grösste Betrüger der Geschichte? «Wir kennen ihn nicht», ist Maria Konnikova (34) überzeugt. Denn wer sein Handwerk wirklich beherrscht, fliegt nie auf.

Die Harvard-Psychologin ist zum ersten Mal in Davos GR. Sie sitzt auf mehreren Podien, moderiert Diskussionen, eilt von Termin zu Termin. Jeder will hören, was sie erforscht hat: Was den perfekten Betrüger ausmacht und warum wir so einfach zu Opfern werden.

Sie beherrscht ihr Thema auch in der Praxis

Konnikova hat dazu nicht nur Bücher geschrieben, sie ging auch in die Praxis, setzte sich mit den abgebrühtesten Trickstern an einen Tisch: Die gebürtige Russin, die im Alter von vier Jahren mit ihren Eltern in die USA zog, spielte professionell Poker.

Sie weiss alles über Betrüger: Harvard-Psychologin Maria Konnikova.
Foto: André Springer
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Und schlug sich achtbar: Sie verdiente knapp 300'000 Dollar in einer Saison. Noch mehr hat sie gelernt dabei, zum Beispiel auch, dass es den einfachen Trick zum Entlarven von Betrügern nicht gibt. «Jeder denkt, dass das Gegenüber bei einer Lüge einen Tick hat, aber so einfach ist das nicht.»

Wenn man herausfinden wolle, ob jemand blufft oder nicht, müsse man sein Verhalten über lange Zeit studieren. «Verräterisch sind Abweichungen von diesem Muster.»

Ganz ähnlich gehen Betrüger vor: «Sie müssen vor allem gute Beobachter sein und sich in einen Menschen einfühlen können», sagt sie.

WEF wäre eine hervorragende Plattform für Hochstapler

Das WEF, ist sie überzeugt, wäre eine hervorragende Plattform für Hochstapler. Der Badge, ohne den man in Davos keinen Schritt machen kann, weist einen als vertrauenswürdige Person aus. Das ist eine Einladung für Scharlatane.

Ein Beispiel: Die Pharma-Unternehmerin Elizabeth Holmes (34) zählte 2015 zu den Young Global Leaders am WEF. Sie verkörperte genau das, was sich ältere Männer unter einer Start-up-Unternehmerin vorstellen: Sie war charmant, smart und furchtlos.

Frauen sind die besseren Betrüger

Da sie meist einen schwarzen Rollkragen-Pullover trug, umwehte sie ein Hauch von Steve Jobs. Ihr Davoser Auftritt dürfte ihr geholfen haben, noch mehr Investorengelder anzuziehen. Erst Jahre später brach ihre Firma Theranos zusammen. Die von Holmes angepriesenen Gentests waren nur ein Bluff.

«Obwohl ich das nicht gerne zugebe, ist es so», sagt Konnikova. «Frauen sind die besseren Betrüger.» Denn mangels physischer Überlegenheit seien Frauen gezwungen gewesen, genauer zu beobachten, um andere zu verstehen. «Das ist die Essenz des Betrugs: Man muss verstehen, was der andere eigentlich will, und ihm glauben machen, dass man ihm das geben kann.»

Die Möglichkeit von Betrug macht die Welt erst menschlich

Anfällig für Schwindler seien besonders Menschen in Umbruchphasen – ob im Guten oder im Schlechten, spiele keine Rolle. Wer fällt, klammert sich an jeden Strohhalm. Wer steigt, glaubt, dass das nur der Anfang ist. «Das nützen Hochstapler schamlos aus.»

Wie kann man sich davor schützen? «Eine gesunde Skepsis hilft, aber absoluten Schutz gibt es nicht», sagt Konnikova. Und ist aus ihrer Sicht auch nicht wünschenswert: «Vertrauen und Hoffnung machen uns menschlich, aber auch anfällig für Betrüger.» Deshalb gilt für sie: Eine Welt, in der Betrug nicht möglich ist, ist eine traurige Welt.

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