Wer fährt eigentlich die vielen E-Scooter?
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Deutscher Anbieter erklärt:Wer fährt eigentlich die vielen E-Scooter?

Die Pläne, die Probleme, die Chancen
E-Trottis erobern unsere Städte

E-Trottinetts sind schon in Basel, Zürich und neuerdings in Zug. Sie wollen die Städte grüner machen. Doch erste Erfahrungen zeigen in eine andere Richtung.
Publiziert: 19.05.2019 um 00:11 Uhr
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Aktualisiert: 19.05.2019 um 11:46 Uhr
Moritz Kaufmann (Text)
 und Philippe Rossier (Fotos)

Valdet Roci hat alle Hände voll zu tun. Mit der linken und der rechten schiebt er am Zürcher Bahnhof Oerlikon frisch aufgeladene Elektro-Trottinette zu ihren Standplätzen.

Roci arbeitet für die Firma Flash, ein deutsches Jungunternehmen. Sein Job: mit einem Lastwägeli durch die Stadt kurven, Trottis mit leerem Akku einsammeln und solche mit geladenem hinstellen – immer nur zwei nebeneinander, damit sie nicht so auffallen.

Und doch sieht man sie an jeder Ecke: in Zürich, Basel, seit diesem Wochenende auch in Zug. Plötzlich waren sie da: Tretroller mit Elektromotor. Sie heissen Flash, Bird, Tier oder Lime. Das Prinzip ist einfach: entsperren per Smartphone, herumkurven und irgendwo in der Stadt wieder abstellen. «Free floating» – freischwebend – nennt man dieses Verleihsystem auf Neudeutsch. «Diese Firmen sind Venture-Capital-finanziert. Es ist sehr schnell sehr viel Geld zusammengekommen», sagt Michael Grampp, Forschungsleiter des Beratungsunternehmens Deloitte in Zürich.

Valdet Roci von Flash verteilt voll aufgeladene Scooter am Bahnhof Oerlikon in Zürich.
Foto: Philippe Rossier
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Anbieter stehen im knallharten Wettbewerb

Grampp hat sich intensiv mit dem Thema Sharing Economy auseinandergesetzt – der Tauschwirtschaft. «Sharing» deshalb, weil man kein eigenes Trotti mehr besitzen muss. Das sanfte Wort «tauschen» täuscht jedoch: Die Anbieter stehen im knallharten Wettbewerb. «Es ist ein ‹The Winner Takes It All› - Markt. Es geht jetzt darum, an möglichst vielen Orten möglichst präsent zu sein», erklärt Grampp.

Die Schweiz ist ein Eldorado für Trotti-Firmen. Während Deutschland erst am Freitag E-Trottis auf seinen Strassen zuliess, hat der Bundesrat schon 2015 eine «Erleichterung für gewisse Elektrofahrzeuge» verkündet. Und alle fahren auf 20 Stundenkilometer schnellen Teilen ab. «Wir sind sehr zufrieden mit der Resonanz, seit Tag eins. Unsere E-Trottinetts werden stark nachgefragt. Selbst bei schlechtem Wetter», sagt Torge Barkholtz, Geschäftsführer von Flash Schweiz.

Bei der Konkurrenz klingt es ähnlich. Kein Wunder, planen die Firmen mehr. «Es gibt noch weitere Städte in der Schweiz mit Potenzial», so Barkholtz. Und erklärt stolz: «Wir können mit 18 Kilo und wenig Fläche eine Person 30 Kilometer weit transportieren.»

«Der Platz ist das grösste Problem»

Doch das plötzliche Auftauchen der flotten Flitzer sorgt bei anderen Verkehrsteilnehmern für Ärger, der sich dann in den Social Media und in Lokalzeitungen entlädt. Bei Autofahrern, weil sie die leisen Zweiräder nicht richtig einschätzen können. Bei Velofahrern, weil sie plötzlich Konkurrenz auf dem Fahrradstreifen haben. Und bei Fussgängern, weil die Benutzer oft – trotz Verbot – aufs Trottoir ausweichen.

«Der Platz ist das grösste Problem. Schon heute müssen wir ÖV, Velos, Autos, Zulieferer et cetera aneinander vorbeibringen. Und das in einem Stadtkern aus dem Mittelalter», sagt Rupert Wimmer, Leiter Verkehr und Stadtraum beim Zürcher Tiefbauamt. Er räumt offen ein: «Es ist ein Experimentieren. Wir suchen gerade noch den Umgang mit all den neuen Gefährten, die da gekommen sind.»

Weil Zürich eine hohe E-Trotti-Dichte hat, schaut die ganze Schweiz hin, wie sich die Limmatstadt schlägt. «Wir sind liberal. Wir wollen Innovation ermöglichen, sind auf Private und die Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen. Wenn wir sehen, dass es Probleme gibt, versuchen wir, sie zu lösen», sagt Wimmer.

E-Trottis wird Auto nicht obsolet machen

Die Anbieter von Mietvelos und -trottis müssen pro Stück zehn Franken im Monat berappen. Ist eines falsch parkiert, haben sie 24 Stunden Zeit, es andernorts zu platzieren. Sonst sammelt die Stadt das Gefährt ein. «Sie können es dann für 50 Franken wieder auslösen. Für uns ist das aber kein gutes Geschäft. Der Aufwand ist grösser als der Erlös», sagt Wimmer.

Der Kontakt zu den Firmen sei zwar gut. Doch Wimmer ist dennoch nicht überzeugt. «Unsere erste Erfahrung mit den E-Trottinetten ist: Sie ersetzen keine Autofahrten, sondern vielmehr den Fussweg.» Statt 300 oder 500 Meter zu laufen, nehme man nun den Scooter. «Ich sehe deshalb bis jetzt nur bedingt einen Vorteil für die städtische Mobilität.»

Flash-Chef Barkholtz entgegnet: «Das Elektrotrottinett alleine wird das Auto nicht obsolet machen. Aber es hat Potenzial, gemeinsam mit weiteren Anbietern den Verkehr in der Stadt zu verändern.» Seine Firma wolle die urbane Mobilität in eine nachhaltige Zukunft führen. «Aktuell ist das E-Trottinett das Produkt dazu. In Zukunft können es weitere Produkte sein.»

Barkholtz ist sich bewusst, dass er kritisch beäugt wird. Das Mietvelo-Drama vor zwei Jahren – als chinesische Firmen Hunderte Schrottvelos in der Stadt abluden und verschwanden – hat einen grossen Reputationsschaden für Sharing-Unternehmen angerichtet. Jetzt haben die E-Trottis Gelegenheit zu beweisen, dass sie ein ernst zu nehmendes Fortbewegungsmittel sind – und nicht bloss ein weiteres Spassmobil. 

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