Digitec-Gründer und FDP-Nationalrat Marcel Dobler (36) setzt voll auf Digitalisierung
«Es rächt sich sofort, wenn man die Entwicklung verpasst»

FDP-Nationalrat Marcel Dobler erklärt, weshalb die Digitalisierung auch Arbeiter und KMU auf dem Land betrifft. Und warum er in die Fussstapfen von Ruedi Noser tritt und nicht auf der faulen Haut liegen will.
Publiziert: 10.12.2016 um 18:03 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 19:29 Uhr
Interview: Bastian Heiniger

Er gründete den Onlinehändler Digitec und politisiert seit einem Jahr für die St. Galler FDP im Nationalrat – quasi als Mister Digital. Mit BLICK sitzt Marcel Dobler (36) im Journalistenzimmer des Bundeshauses, hat den Laptop aufgeklappt und verfolgt auf dem iPhone die Session.

BLICK: Herr Dobler, sind die Leute zu oft online und dadurch dauergestresst?
Marcel Dobler:
Jeder muss selber entscheiden, ob er die ganze Zeit aufs Smartphone starren und seine Nachrichten checken will.

Ihr Nationalratskollege Corrado Pardini fordert eine internetfreie Zeit, um die Arbeitnehmer zu schützen. Was halten Sie davon?
Pardini will anscheinend zurück in die Vergangenheit. Er sollte zur Kenntnis nehmen, dass die Dinosaurier längst ausgestorben sind. Wahrscheinlich nimmt er aber seine Forderung nicht einmal selber allzu ernst.

Sie werden Präsident des Informatikverbandes ICT Switzerland und treten damit in die Fussstapfen Ihres Parteikollegen Ruedi Noser. Sind diese nicht zu gross?
Ich hoffe für Ruedi Noser, dass er keine grösseren Füsse hat als ich. Aber ich bin mit der IT aufgewachsen, habe den grössten Onlineshop der Schweiz aufgebaut und 500 Arbeitsplätze geschaffen. Ich bin motiviert, mich für die positive Entwicklung der Schweiz und der Branche einzusetzen.

Ist Ihnen die Politik nicht zu lahm?
Ich sage immer: Wenn etwas schnell gehen muss, darf es nicht nach Bern. Allerdings ist es wichtig, dass sich Unternehmer im Parlament engagieren. Gerade in Bezug auf die Digitalisierung. Von den 200 Nationalräten hat nur eine Handvoll einen IT-Background.

Welche?
Spontan in den Sinn kommen mir neben Ruedi Noser auch Balthasar Glättli von den Grünen, Jacqueline Badran von der SP und Franz Grüter und Mauro Tuena von der SVP.

Das Durchschnittsalter liegt im Parlament bei über 50 Jahren. Jene, die bestimmen, haben keine Ahnung von der Digitalisierung.
Momentan findet ein Wandel statt. Viele Parteien greifen das Thema auf, auch der Bundesrat ist ziemlich initiativ. Digitalisierung ist unsere Zukunft und das Thema schlechthin. 

Bundespräsident Johann Schneider-Ammann sagte, die Schweiz habe die erste Halbzeit der Digitalisierung verloren. Was, wenn wir auch die zweite verlieren?
Die Schweiz ist ein innovatives Land. Aber nichts ist so schnell weg wie ein Vorsprung. Wenn wir in der Bildung nichts tun, wenn wir keine Anreize für neue Firmen schaffen, dann werden Arbeitsplätze abwandern. Wir verlieren an Wohlstand.

Experten rechnen damit, dass die Digitalisierung die Hälfte aller Jobs vernichtet.
Das ist Schwarzmalerei. Ich glaube fest daran, dass im Gegenteil neue Jobs entstehen. Ich sah das ja bei Digitec. Da gab es eine Verlagerung vom stationären Geschäft zum Onlinehandel. Im Detailhandel sind Arbeitsplätze verloren gegangen. Dafür haben wir in Logistik, Vertrieb und Backoffice neue geschaffen.

Aber was ist mit Leuten, die ihren Job verlieren und keine Digital-Kompetenzen haben?
Eine Architektin sagte mir, dass sie nur junge Leute einstelle – weil diese 3D-Planungen beherrschen würden. Wir müssen auch die Älteren mit der digitalen Welt vertraut machen und Möglichkeiten für Weiterbildungen schaffen.

Weshalb sollte sich ein Arbeiter oder ein ländliches KMU für die Digitalisierung interessieren?
Klar, grosse Firmen setzen stärker auf Digitalisierung als KMU. Aber: Firmen werden dank der Digitalisierung effizienter. Wer sich dem widersetzt, wird irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig sein.

Hoteliers klagen über Booking.com, Taxifahrer über Uber.
Das spiegelt das Versagen der Branchen und deren Verbände. Wieso haben es weder die Taxi- noch die Hotelbranche geschafft, eine Schweizer Lösung zu entwickeln? Heute rächt es sich sofort, wenn man die Entwicklung verpasst. Man muss die Konkurrenz beobachten.

Der Schweiz fehlen Visionäre im Format eines Steve Jobs oder Elon Musk.
Wir brauchen mehr Vordenker wie Nick Hayek. Leute, die sich etwas zu sagen getrauen. Auch wenn es nicht immer realisierbar ist, sie bringen einen auf neue Ideen.

Inwiefern haben Sie das mit Digitec geschafft?
Wir hatten das Glück, dass in unserem Bereich alle Grossen die Digitalisierung verschlafen haben. Media Markt, Interdiscount, Melectronics – sie alle sind nun, 15 Jahre später, sehr engagiert und haben sich Firmen zugekauft.

Sie konnten Digitec mit Ihren beiden Mitstreitern für einen zweistelligen Millionenbetrag an die Migros verkaufen. Sie könnten das Leben geniessen.
Ehrgeizige Leute wollen immer etwas Neues erreichen. Ich wäre unglücklich, wenn ich auf der faulen Haut liegen würde. Als ich die Aktien verkaufte, habe ich mir gesagt: Entweder baue ich mir etwas Neues auf, oder ich versuche, in die Politik zu kommen.

Als Bobfahrer sind Sie ja auch noch Spitzensportler.
Ich mache das jetzt noch ein Jahr. Mein Ziel ist es, bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang in Südkorea dabei zu sein. Damit würde ein Traum in Erfüllung gehen.

Wie kriegen Sie Spitzensport und Politik unter einen Hut?
Ich habe ja schon immer viel Sport gemacht. Ich trainiere fast jeden Tag. Aber immer am Nachmittag oder Abend. Dann kann ich mich besser verausgaben als am Morgen.

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