Diskreter Einsatz für Schweizer Firmen
Bund interveniert im Ausland wegen Russland-Sanktionen

Die Seco-Chefin sagte bei einem Geheimtreffen mit dem Kanton Zug, die Schweiz versuche bei den Russland-Sanktionen Einfluss auf andere Staaten zu nehmen – «im Interesse der Schweizer Wirtschaft».
Publiziert: 08.01.2023 um 11:23 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2023 um 12:48 Uhr
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Die Schweiz macht mit bei der internationalen Jagd nach Oligarchengeldern. Doch wie sie das tut, erfreut nicht alle. Der Kanton Zug, der mit seiner Tiefsteuerpolitik jahrzehntelang Superreiche und Rohstoffkonzerne anlockte, kritisierte den Bund scharf für dessen Umsetzung der Russland-Sanktionen – und verlangte eine Aussprache mit den Verantwortlichen in Bern.

Am 27. September kam es deshalb zu einem geheimen Treffen auf höchster Ebene: Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) und Helene Budliger Artieda (57), Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, empfingen den Zuger Landammann Martin Pfister (59), Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut (61) und Finanzdirektor Heinz Tännler (62) in Bern.

Die Beteiligten wahrten Stillschweigen über das Meeting. Erst Ende November erfuhr die Öffentlichkeit davon – aufgrund von SonntagsBlick-Recherchen. Was dort besprochen wurde, behielten die Beteiligten aber weiter für sich. «Zum Inhalt des Treffens können wir uns nicht äussern», schrieb das Seco damals.

Am 27. September 2022 empfingen Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Seco-Chefin Helene Budliger Artieda den Zuger Landammann Martin Pfister, Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut und Finanzdirektor Heinz Tännler. Die Zuger Regierung hatte eine Aussprache verlangt, weil sie unzufrieden war mit der Umsetzung der Russland-Sanktionen.
Foto: ZVG
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Nun kommen die Gründe für die Geheimnistuerei ans Licht:Seco-Chefin Budliger Artieda gab bei dem Termin Dinge preis, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Meinen wir Russland-Sanktionen ernst?

Die Staatssekretärin erklärte damals zum Beispiel, dass sich der Bund in Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen international «im Interesse der CH-Wirtschaft» einsetze – namentlich durch die «Aufnahme von Firmenfällen» mit ausländischen Regierungen. So geht es aus einer E-Mail-Zusammenfassung hervor, die SonntagsBlick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte.

Der Bund interveniert also im Ausland, um die Auswirkungen der Russland-Sanktionen für die Schweiz und hier ansässige Firmen zu mindern.

Solche Einflussversuche sind heikel – zumal Bern schon heute im Verdacht steht, es mit den Russland-Sanktionen nicht wirklich ernst zu meinen. Unter anderem wird international moniert, dass der Bund noch immer keine Taskforce installiert habe, um die russischen Vermögen im Land aufzuspüren.

Das Seco redet die Interventionen im Ausland dennoch klein: «Da Sanktionen immer auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die Staaten haben, welche die Sanktionen erlassen, ist es üblich, dass sich diese Staaten dafür einsetzen, die negativen Auswirkungen auf ihre Wirtschaft so gering wie möglich zu halten», sagt ein Sprecher. Auch der Bund setze sich im Rahmen der geltenden Rechtsordnung und gemäss seinem gesetzlichen Auftrag dafür ein. «Dazu stehen die Schweizer Behörden in regelmässigem Kontakt mit ihren internationalen Partnern.»

Obwohl es dies als international üblich darstellt, will das Seco nicht verraten, für welche «Interessen» und Firmen sich die Schweiz konkret eingesetzt hat.

«Es geht nicht pauschal um Firmenwegzüge»

Ebenso unklar bleibt, auf wessen Bestreben hin der Kanton Zug in Bern vorstellig wurde. Aus der schriftlichen Zusammenfassung des Treffens geht zumindest hervor, dass der Regierungsrat handelte, weil er befürchtete, dass wegen der Sanktionen Firmen «abziehen» und dadurch «Steuersubstrat und Arbeitsplätze» verloren gehen könnten – insbesondere bei «im Rohstoffsektor tätigen Unternehmen».

Auf Nachfrage von SonntagsBlick präzisiert Finanzdirektor Heinz Tännler: «Es geht nicht pauschal um Firmenwegzüge.» Wenn von der Staatengemeinschaft sanktionierte Unternehmen aufgrund dieser Sanktionen in Länder wechselten, welche die Sanktionen nicht mittragen, sei das eine logische Konsequenz des Sanktionsregimes und werde von der Zuger Regierung akzeptiert.

Tännler: «Wir mussten allerdings feststellen, dass auch Unternehmen betroffen waren, die nicht auf der Sanktionsliste verzeichnet waren.» Zeitweise seien sie durch Sanktionen so eingeschränkt gewesen, dass ihr Fortbestand gefährdet war. Sie hätten nicht einmal mehr Mieten und Löhne bezahlen können. Tännler: «Ein Wegzug aus der Schweiz war denn auch keine Drohung, sondern die letzte Möglichkeit, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.»

Einzelne Firmen hätten tatsächlich ihren Sitz verlegt, teilweise sogar in EU-Länder. Das sei der Grund gewesen, der den Regierungsrat zum Handeln bewogen habe.

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