EqualVoice Summit über die Grenzen bekannt machen
«Können Jungs eigentlich auch Finanzchefin sein?»

Beim ersten EqualVoice Summit der Schweiz tauschten sich Top Executives führender internationaler Unternehmen über die Sichtbarkeit von Frauen in den Medien aus.
Publiziert: 03.05.2022 um 00:07 Uhr
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Aktualisiert: 03.05.2022 um 10:01 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Leo (8) stand im Mittelpunkt, dabei war er gar nicht da. Annabella Bassler (45), die als Chief Financial Officer (CFO) bei Ringier das Geld verwaltet, erzählte beim ersten EqualVoice Summit des Verlags aus ihrem Familienleben: «Mein Sohn fragte mich: ‹Mama, können Jungs denn auch Finanzchefin werden?›» Der Saal lachte über die herzige Frage des Achtjährigen, der die grosse Geschlechter-Ungleichheit in der Gesellschaft entlarvt. Denn natürlich ist es normalerweise andersrum: Mädchen und Frauen fehlen in vielen Bereichen des Lebens (sichtbare) Vorbilder.

Wäre es überall so wie im Hause Bassler, bräuchte es die 2019 gegründete EqualVoice-Initiative der Ringier AG nicht. Der Verlag, in dem auch Blick erscheint, setzt sich damit für die Gleichstellung und Sichtbarkeit von Frauen in den Medien ein. Am Montag luden Ringier-CEO Marc Walder (56) und Annabella Bassler in Zürich zum ersten Mal zu einer Konferenz ein, um die Initiative bekannt zu machen und das Thema über den eigenen Verlag und die Schweizer Landesgrenzen hinaus voranzutreiben.

Karin Keller-Sutter: Gleiche Rechte gleich gleiche Möglichkeiten

Die Teilnehmer – vor allem Mitglieder der Führungsetagen von Schweizer Firmen, aber auch Medienvertreter aus Deutschland oder Polen – lachten an diesem Nachmittag nicht nur über einen Achtjährigen. Stattdessen brachten hochkarätige Rednerinnen die Top-Führungskräfte zum Nachdenken.

Ringier-Finanzchefin Annabella Bassler teilte bei der Konferenz in Zürich eine persönliche Anekdote mit ernstem Hintergrund.
Foto: Anja Wurm
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«Gleiche Rechte bedeuten, die gleichen Möglichkeiten zu haben», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter (58) in ihrem Grusswort. Medien hätten dahingehend eine besondere Verantwortung: «Frauen müssen als Politikerinnen und Vorstandsmitglieder abgebildet werden – und nicht nur als ‹Frau von›.» Wie viele Frauen, die es nach oben geschafft haben, können sie und die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch (61), die per Videoschalte zu den Top Executives im Zuschauerraum sprach, ein Lied vom langen und kräftezehrenden Kampf für die Gleichberechtigung singen.

«Es war oft seltsam, die einzige Frau im Raum zu sein», erzählte auch Investorin und Philanthropin Carolina Müller-Möhl (53) auf der Bühne des «Aura» nahe dem Zürcher Paradeplatz. «20 Jahre später ist es in den Räumen und an den Tischen immer noch oft einsam für Frauen.»

Daten für die Geschlechtergerechtigkeit

Die Schweizer Harvard-Professorin Iris Bohnet (56) weiss, wie man das ändern kann: «Wir müssen die Leute motivieren, den Kampf um die Geschlechtergerechtigkeit zu führen.» Gerade deswegen finde sie EqualVoice so interessant.

Auf Basis des EqualVoice Factor, eines von Ringier entwickelten semantischen Algorithmus, misst Ringier den Frauen- und Männeranteil in den Onlineberichten seiner Medienmarken. «Anfangs waren nur 25 Prozent unserer Artikel über Frauen», erzählt Katia Murmann (42), die vier Jahre lang Chefredaktorin von Blick.ch war.

Die Datenaktivistin Brittany Kaiser (36) hob in ihrem Vortrag hervor, wie Daten und Algorithmen die Geschlechterungerechtigkeit verstärken: «Je mehr wir Artikel sehen, die nur über Männer sind, desto öfter lesen wir sie auch. Und das führt wiederum zu noch mehr solchen Artikeln. Weil es Werbern und anderen fälschlicherweise signalisiert, das sei der gewünschte Inhalt.»

Gastgeberin Annabella Bassler hat sich dem Ziel verschrieben, die gesetzlich geltende Geschlechtergleichheit auch wirklich zur Realität zu machen – und zwar über die Medienbranche hinaus.

Beim Summit nahm Annabella Bassler die Teilnehmer in die Pflicht. Einen «Pledge», ein Versprechen, die Geschlechtergerechtigkeit innerhalb der eigenen Organisation zu unterstützen, unterzeichneten bis zum Abend fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer.


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