«Ich habe mir meinen Traum erfüllt»
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Ex-Blick-Journalistin Fritsche:«Ich habe mir mit dem Hotel meinen Traum erfüllt»

Ex-Blick-Journalistin Julia Fritsche übernimmt Hotel mitten in der Corona-Pandemie
«Ich habe mir meinen Traum erfüllt»

Kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie hierzulande im letzten Jahr kündigte die damalige Blick-Journalistin Julia Fritsche ihren Job, um ins Hotelbusiness einzusteigen. Zusammen mit ihrer Schwester führt sie heute das Hotel Erica – ein Traum wurde für sie wahr.
Publiziert: 29.04.2021 um 00:45 Uhr
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Aktualisiert: 07.05.2021 um 11:38 Uhr
Patrik Berger

Wie kann man bloss! Mitten in der Corona-Krise, die die Hotellerie besonders hart trifft, ein Hotel eröffnen? Diese Frage hört Julia Fritsche (36) immer wieder. Sie steht auf dem Balkon ihres Hotels Erica in Langenbruck BL und beantwortet sie so einfach wie überzeugend: «Ich habe mir damit meinen Traum erfüllt.» Die ehemalige Blick-Journalistin hat das Haus zusammen mit ihrer Schwester Kathrin (32), einer gelernten Hauswirtschaftspraktikerin, Anfang 2020 gekauft. «Im Januar haben wir guten Mutes die Verträge unterzeichnet. Im Februar gings dann los mit Corona.»

Für sie sei das Ärgernis und Chance zugleich gewesen. Als Branchenneulinge bekommen sie keine finanzielle Corona-Unterstützung vom Staat. «Wir konnten uns aber mehr Zeit lassen mit dem umfassenden Umbau des historischen Hauses», sagt Kathrin Fritsche. Und als dann doch so langsam ersten Gäste eincheckten, hätten sie gut in ihre Rollen hineinwachsen können.

Nun zieht das Geschäft an. «Über die Ostertage waren wir erstmals praktisch ausgebucht», sagt Julia Fritsche. Ansonsten habe es bei den Buchungen der 16 Zimmer mit insgesamt 29 Betten natürlich noch Luft nach oben. «So können wir nicht davon leben.» Zumal sie nur Hotelgäste bewirten durften, dagegen Wanderer oder Ausflügler, die das Oberbaselbiet besuchten, abweisen mussten, bis die Restaurant-Terrassen wieder öffnen durften.

Die frühere Blick-Journalistin Julia Fritsche führt nun ein Hotel.
Foto: STEFAN BOHRER
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Corona als Chance

Corona kann für die beiden Quereinsteigerinnen aber auch zur Chance werden. «Man wird sich wohl zweimal überlegen, ob man an die Nordsee fährt», glaubt Julia Fritsche. Schon der letzte Sommer habe gezeigt, dass Schweizer lieber Ferien im eigenen Land machen. «Da sind wir mit unserem Hotel in der Natur gut aufgestellt.» Erste Gäste hätten bereits gebucht für die Sommerferien.

Den Wunsch, dereinst zusammen ein eigenes Hotel zu führen, hatten die beiden Schwestern schon lange. Dann ging es plötzlich schnell. Hotel entdeckt. Objekt besichtigt. Und gekauft. «Es war Liebe auf den ersten Blick. Für uns war sofort klar, dass wir hier unseren Traum verwirklichen wollen», sagt Julia Fritsche, die bisher keinen Bezug zu Langenbruck hatte. Überhaupt: Es war das einzige Hotel, das die gebürtigen Aargauerinnen sich angeschaut haben.

Das 1906 erbaute Haus im Jugendstilbau hat eine lange Geschichte. Genau diese will Julia Fritsche weiterschreiben. Geschichten hat sie schon beim Blick geschrieben. Fehlt ihr der Job im Journalismus nicht, das Arbeiten im hektischen, zuweilen lauten Newsroom mitten in Zürich? «Hektisch kann es auch hier werden», sagt sie und lacht. Schliesslich sind die beiden fast rund um die Uhr für ihre Gäste da. «Aber klar», sagt sie, «ich vermisse die Arbeit im Team beim Blick. Hier sind wir Einzelkämpferinnen.»

Kommunikativer Job Gastgeberin

Irgendwann habe sie sich aber einfach gefragt, ob sie den Job auch in 30 Jahren noch machen könne. Da sei die Antwort relativ schnell klar gewesen. Gastgeberin sei zudem auch ein sehr kommunikativer Job. «Die Gäste wollen viel wissen über Haus und Umgebung», sagt Julia Fritsche. Diesen direkten Kontakt möge sie sehr. «Meine Gäste habe ich bei mir am Tisch. Wer meine Artikel gelesen hat, wusste ich früher nicht.»

Derzeit würden 60 Prozent der Gäste aus Basel kommen. «Es sind Menschen, die die Ruhe suchen und die Natur lieben», sagt Julia Fritsche. Die Ruhe ist ein zentrales Element ihres Konzepts. So gibt es in den Zimmern ganz bewusst keine Fernseher. «Das lenkt nur ab», sagt sie.
Im Sommer hoffen die beiden dann auf mehr Familien mit Kindern.

Zuweilen finden auch weit gereiste Gäste den Weg nach Langenbruck. «Eines Abends klopfte es an der Türe. Zwei ukrainische Lieferwagenfahrer, stämmige Kerle alle beide, waren auf der Suche nach einer Bleibe.» Zuerst habe es ihnen nicht so gepasst, dass sie in einem Doppelzimmer schlafen sollen. «Wenig später hörte ich die beiden friedlich schnarchen», erzählt Julia Fritsche und lacht.

Derzeit führen die zwei Schwestern den Betrieb allein. Die ältere, Julia, kümmert sich um die Buchungen und kocht für die Gäste. Und Kathrin ist die Herrin über die stilvoll eingerichteten Zimmer. Gibts nie Zoff zwischen den Schwestern? «Klar sind wir nicht immer gleicher Meinung. Aber wir kennen uns schon über 30 Jahre, da finden wir jeweils schnell eine Lösung», so Kathrin.

Forellenfilet aus dem Nachbardorf

Beim Umbau haben die beiden auf einheimische Materialien gesetzt. «Wir wollten die Substanz des Hauses erhalten und haben viel mit Schweizer Holz gearbeitet», sagt Julia Fritsche. Auf einen Wellnessbereich hätten sie verzichtet. «Es gibt schon genügend Hotels, die das anbieten.» Auch die Küche hält sie regional. So kommt das Forellenfilet aus einer Zucht im Nachbardorf. Der Käse aus der Bergkäserei Reckenkien, Wurst und Eier aus Langenbruck. Ein Grossteil der Weine stammt aus dem Baselbiet.

Für die beiden Schwestern ist klar: «Wir freuen uns darauf, in unserem Saal mit 50 Plätzen wieder Hochzeiten empfangen zu dürfen oder Firmenessen durchzuführen, wenn wir Corona im Griff haben. Und darauf, im Sommer fast nicht damit nachzukommen, hungrige und durstige Wanderer oder Velofahrer zu verköstigen.» Dann seien sie so richtig angekommen. «Und dann lebt das Haus wieder so wie in den 115 Jahren zuvor.»

Horrorjahr für Schweizer Tourismus

Der Einbruch ist historisch: Im letzten Jahr verbuchte die Schweizer Hotellerie lediglich 24 Millionen Übernachtungen. Das ist ein Einbruch zum Vorjahr von 40 Prozent. Schweiz-Tourismus-Chef Martin Nydegger (50): «Corona wirft uns 70 Jahre zurück!» Quarantäne und Einreiseregeln schreckten ausländische Touristen ab. Asiaten, Araber und Co. – Fehlanzeige. Deren Logiernächtezahl ging um zwei Drittel zurück. Weniger drastisch der Einbruch bei einheimischen Gästen (–8,6 Prozent). Im Juli bis Oktober gabs sogar eine Rekordnachfrage aus dem Inland. Von der inländischen Nachfrage profitierten besonders Graubünden und das Tessin. Auch die Kantone Bern und Wallis legten zu. Bis das «Horrorjahr» 2020 wieder aufgeholt ist, werde es zwar nicht 70 Jahre dauern, scherzt Nydegger. «Aber es wird seine Zeit dauern.»

Der Einbruch ist historisch: Im letzten Jahr verbuchte die Schweizer Hotellerie lediglich 24 Millionen Übernachtungen. Das ist ein Einbruch zum Vorjahr von 40 Prozent. Schweiz-Tourismus-Chef Martin Nydegger (50): «Corona wirft uns 70 Jahre zurück!» Quarantäne und Einreiseregeln schreckten ausländische Touristen ab. Asiaten, Araber und Co. – Fehlanzeige. Deren Logiernächtezahl ging um zwei Drittel zurück. Weniger drastisch der Einbruch bei einheimischen Gästen (–8,6 Prozent). Im Juli bis Oktober gabs sogar eine Rekordnachfrage aus dem Inland. Von der inländischen Nachfrage profitierten besonders Graubünden und das Tessin. Auch die Kantone Bern und Wallis legten zu. Bis das «Horrorjahr» 2020 wieder aufgeholt ist, werde es zwar nicht 70 Jahre dauern, scherzt Nydegger. «Aber es wird seine Zeit dauern.»

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