«Firmen kontrollieren die Präsenz statt das Ergebnis»
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Expertin zu Homeoffice:«Firmen kontrollieren die Präsenz statt das Ergebnis»

Expertin fordert Vertrauenskultur bei Homeoffice
«Firmen kontrollieren die Präsenz statt das Ergebnis»

Firmen müssen keine Angst haben, dass Mitarbeiter im Homeoffice weniger arbeiten, sagt Alexandra Kühn, Chefin der auf flexible Arbeit spezialisierten Work Smart Initiative. Im Gegenteil. Aber sie müssten von der Kultur des Präsenzmarkierens abkommen.
Publiziert: 29.07.2020 um 07:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.08.2020 um 20:06 Uhr
Homeoffice ist technisch schnell realisiert, sagt Alexandra Kühn (39), Geschäftsführerin der Work Smart Initiative, gegründet von Microsoft, der SBB, der Post, Swisscom und Witzig The Office Company. Doch die Folgen der Heimarbeit werden oft unterschätzt.
Foto: Zvg
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Claudia Gnehm

Das Homeoffice sei schnell eingerichtet, sagt Alexandra Kühn (39), Geschäftsführerin der Work Smart Initiative, gegründet von Microsoft, SBB, Post, Swisscom und Witzig The Office Company. Doch bisher habe sich mobil-flexible Arbeit wegen fehlendem Vertrauen noch nicht etabliert. Daran habe auch der Lockdown nichts geändert.

BLICK: Viele Firmen wollen das Homeoffice-Angebot ausbauen. Wird die Schweiz zur Homeoffice-Vorreiterin?
Alexandra Kühn: Erste Firmen wie Siemens und Novartis haben zwar vor kurzem ihre Homeoffice-Pläne angekündigt. Die Frage ist jedoch: Gelingt es den Firmen, sich nachhaltig zu verändern? Nach dem Pandemie-Homeoffice kommt ein grosser Brocken Arbeit auf sie zu. Diese betrifft die Organisationskultur.

Angestellte fanden im Homeoffice fehlendes Vertrauen des Arbeitgebers am herausforderndsten. Woher kommt das?
Wer vor dem Lockdown seinen Mitarbeitenden nicht voll vertraut hat, konnte das auf Distanz wohl noch weniger. Für Homeoffice braucht es eine Vertrauenskultur.

Wie schafft man diese?
Arbeitgeber erkundigen sich oft, ob und wann Angestellte arbeiten, statt was dabei herauskommt und ob die Ziele erreicht werden. Sie kontrollieren die Präsenz statt das Ergebnis. Wer hingegen vertraut, zeigt seinen Angestellten: Ich glaube an dich, ich weiss, dass du dein Bestes gibst! Das Ergebnis sind Mitarbeitende, die angespornt sind, diese Erwartungen zu erfüllen.

Etliche Konzerne wollen mehr Homeoffice und dafür bei Büromieten und Infrastruktur sparen. Wird das Sparpotenzial überschätzt?
Grundsätzlich können Betriebe durch Homeoffice tatsächlich Kosten reduzieren. Angestellte haben keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wenn sie freiwillig von zu Hause aus arbeiten. Dass dadurch die betrieblichen Ausgaben sinken, ist ja auch nicht verkehrt - wenn dies nicht der einzige Grund für die Einführung neuer Arbeitsmodelle ist. Ich plädiere jedoch dafür, dass Betriebe das ersparte Geld woanders einsetzen.

Wofür?
In Massnahmen für die neue Arbeitswelt, beispielsweise Weiterbildungen, den Umbau von Arbeitsplätzen zu Begegnungszonen und Kreativräumen oder die Finanzierung eines Co-Working-Abonnements. So gesehen gibt es keine Einsparungen. Aber zufriedenere, fähigere Mitarbeitende, eine höhere Produktivität und mehr Innovationskraft. Dies ist ein Gewinn für alle.

Über ein Drittel der Angestellten sagen, sie hätten im Homeoffice länger gearbeitet als im Büro. Wie kommt das?
Wieso haben die befragten Mitarbeitenden denn mehr gearbeitet? Einige hatten sicherlich mehr zu tun im Lockdown. Vermutlich wiegt aber ein anderer Grund viel schwerer: Im Homeoffice ist es zentral, sich selber zu disziplinieren und zu organisieren. Es ist schwieriger, zwischen Arbeit und Freizeit zu trennen. Vorgesetzte brauchen keine Angst zu haben, dass das Homeoffice ein Home ohne Office ist. Aber sie tun gut daran, ihre Mitarbeitenden bei Bedarf zu unterstützen. Damit diese eben Pausen machen und abschalten. Im Homeoffice, wo die Struktur fehlt, ist dies für viele eine echte Herausforderung.


Vorreiter Siemens – Wer ins Büro will, registriert sich per App

Homeoffice war gestern. Bei Siemens redet man inzwischen von mobiler Arbeit und bereitet sich dementsprechend auf die Zukunft vor.

Mit der neuen Siemens-App Comfy will der deutsche Technologiekonzern die bisherige Bürokultur liberalisieren und die während der Corona-Krise gewonnene Flexibilität beibehalten. «Unsere Angestellten sollen bei der Wahl des Arbeitsortes frei sein», sagt Siemens-Schweiz-Personalchef Thomas Frick (58). Die Konzernführung in München (D) entschied nach dem Lockdown, dass mehr als die Hälfte der rund 240'000 Mitarbeiter in Zukunft zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten darf.

Personalchef Frick erklärt, wie das funktioniert: Je nach Aufgabe wählt ein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz aus und registriert ihn über die App – und zwar unabhängig vom Standort. «Jemand, der am Standort Zug angestellt ist, soll jederzeit in Zürich arbeiten können», sagt Frick. Comfy soll – zum Beispiel mithilfe von Karten – «lokale Besonderheiten verständlich zugänglich machen».

Hierzulande startet die App Ende August an 18 von 20 Standorten. Sie soll einem Grossteil der 5700 Angestellten zur Verfügung stehen. Damit reagiert Siemens laut Frick nicht nur auf die Corona-Pandemie. Denn: «Je nach Lebensphase haben unsere Angestellten unterschiedliche Bedürfnisse.» Das neue Konzept solle Berufs- und Privatleben besser vereinbaren.

Mit vermehrter Telearbeit wird bei Siemens weniger Bürofläche gebraucht. Doch solange die Corona-Krise andauert, wird keine Fläche abgebaut. In Zukunft soll das Konzept auch bei anderen Firmen zum Einsatz kommen – installiert und aufgesetzt von den Gebäudetechnikern von Siemens. Levin Stamm

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So arbeitet ihr produktiv im Homeoffice

Wegen Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus ermöglichten viele Firmen ihren Angestellten, von zu Hause aus zu arbeiten. Im Homeoffice kann man durchaus produktiv sein, wenn man es richtig macht.

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