Fäkalien, Keime und Chemikalien
So dreckig sind unsere Badis

Viele Frei- und Hallenbäder weisen gemäss den kantonalen Laboren keine einwandfreie Wasserqualität auf. In Zürich fanden Kontrolleure in fast jedem dritten Becken Mängel.
Publiziert: 28.07.2024 um 12:15 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2024 um 14:12 Uhr
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Lisa AeschlimannReporterin & Blattmacherin

In Maschwanden ZH musste im Juni 2023 ein Naturbad nach einer Kontrolle wegen Verunreinigungen geschlossen werden – zum wiederholten Mal. Gäste hatten sich wegen Algen an den Wänden beschwert, doch als man diese reinigte, wurden verschiedene Bakterien freigesetzt.

In Embrach ZH musste die Badi Talegg mitten in den Sommerferien für vier Wochen schliessen. Grund war ein technischer Defekt, der zu Problemen mit der Wasseraufbereitung führte.

Besucherinnen der Schwimmhalle Neufeld im Kanton Bern klagten im Winter 2023 über Husten und Atemprobleme, der Schwimmklub verschob deswegen seinen Trainingsort. Trotz zahlreicher Tests kam man dem Problem nicht auf die Schliche – am Ende vermutete man eine nicht optimale Steuerung des Lüftungssystems.

Viele Frei- und Hallenbäder weisen gemäss den kantonalen Laboren keine einwandfreie Wasserqualität auf.
Foto: Keystone
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Immer wieder Schliessungen nach Kontrolle

Das sind nur drei Beispiele – jetzt zeigen neue Zahlen der Kantonschemikerinnen und -chemiker, dass es 2023 immer wieder Probleme mit der Wasserqualität in Frei- und Hallenbädern gab.

In Zürich wurde fast jedes dritte untersuchte Becken beanstandet. 50-mal enthielt das Wasser zu viel Harnstoff – also Urin, Schweiss, aber auch Rückstände von Sonnencreme und Kosmetik. Fünfmal fanden die Kontrolleure Fakälbakterien, die Durchfall auslösen können. 18-mal wiesen sie krankheitserregende Keime, die unter anderem Mittelohrentzündungen begünstigen, nach.

Im Kanton Bern gab es 2023 bei knapp der Hälfte der 89 untersuchten Bäder Beanstandungen. Im Aargau wurden 44 der 45 untersuchten Bäder bemängelt: Sei es, weil notwendige Dokumente oder technische Daten fehlten oder weil die Messtechnik fehlerhaft war. Jeder dritte Betrieb wies eine mangelhafte Badewasserqualität auf.

Die St. Galler Kontrolleure haben 31 Bäder inspiziert und 50 Verfügungen zur Mängelbehebung ausgestellt – deutlich mehr als in den vergangenen Jahren. Und in Luzern war in jedem fünften Becken der Harnstoffgehalt zu hoch.

Das Wasser in den Bädern ist zum Teil so verunreinigt, dass sie direkt nach der Kontrolle geschlossen werden müssen. In Bern kam dies im letzten Jahr dreimal vor, in Luzern gar viermal und in St. Gallen zweimal. Es betraf ein Therapiebad und ein Saunabecken, in beiden Fällen wurde der Höchstwert für krankheitserregende Keime massiv überschritten, im Therapiebad waren zudem auch Fäkalbakterien nachweisbar.

An Spitzentagen schwer einzuhalten

Warum finden die Kontrolleure jeweils derart viele Mängel? Alda Breitenmoser, Präsidentin der Schweizer Kantonschemiker, sagt, in heissen Sommern, wenn die Bäder randvoll sind, könne es schwierig werden, alle Vorgaben einzuhalten. In der Schweiz sind Anforderungen an die Wasserqualität hoch, die Aufbereitungssysteme teuer und komplex.

Häufigster Beanstandungsgrund: zu hohe Chloratwerte. Die Chemikalie, die bei der Wasseraufbereitung entsteht, kann die Sauerstoffaufnahme beeinträchtigen und Nieren schädigen. In St. Gallen mussten drei von vier Bäder-Proben wegen zu hohen Chloratgehalts beanstandet werden. In Zürich war bei jedem achten Becken der Wert zu hoch.

Der Verband der Schweizer Kantonschemiker der Schweiz hat deswegen 2023 eine Kampagne durchgeführt und 275 Proben aus 92 Schwimmbädern auf chemische Nebenprodukte aus der Badewasser-Desinfektion untersucht. In fast der Hälfte der Betriebe lag die Chloratkonzentration über dem Höchstwert.

Badis brauchen Expertenhilfe

Den Chloratwert einzuhalten ist anspruchsvoll: Chlorat kann weder durch Sand- noch Aktivkohlefilter entfernt werden, mehr Frischwasser allein löst das Problem meistens nicht. Die Problemquellen sind vielfältig: die Lagerung und Qualität des Desinfektionsmittels, aber auch der Zustand der Wasserleitungen hat einen Einfluss auf den Wert. Bei rostigen Leitungen kann sich Chlorat bereits vor dem Zufluss ins Becken bilden.

56 Prozent der gerügten Badis gelang es trotz umgesetzter Massnahmen nicht, die zu hohe Chloratkonzentration nachhaltig und ausreichend zu reduzieren. Meist müsse in diesen Fällen ein externer Bäderspezialist hinzugezogen werden, um das Problem zu beheben, sagt Breitenmoser.

Grundsätzlich stellt die oberste Kantonschemikerin den Badis aber ein gutes Zeugnis aus: «Insgesamt muss man sich beim Bad im Hallen- oder Freibad keine Sorgen um die Wasserqualität machen.» Die festgestellten Mängel könnten meistens rasch behoben werden.

Der Zürcher Kantonschemiker Martin Brunner schreibt: Die Situation habe sich in den letzten Jahren verbessert, was man auch auf die intensiveren Kontrollen und die amtlichen Beanstandungen zurückführe. Was trotzdem bleibe, seien die jährlichen Schwankungen – beispielsweise beim Wetter und entsprechend den Besucherzahlen. «Wir werden darum wachsam bleiben.»

«Duschen bringt viel»

Gäste können viel dazu beitragen, dass das Wasser sauber bleibt: «Sonnencreme ist Gift fürs Wasser, Schweiss ebenfalls. Duschen bringt also viel», sagt Martin Lorenzoni, oberster Badmeister. Etwas, das längst nicht alle tun: «Gerade im Freibad darf man sehr häufig darauf hinweisen», sagt Lorenzoni, der selbst als Betriebsleiter im Hallenbad in Murten FR arbeitet. An Spitzentagen fehle jedoch die Zeit, dies allen Gästen einzubläuen.

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Breitenmoser sagt, es gehe auch um Rücksicht gegenüber anderen Badegästen: «Sie wollen auch nicht in einem Becken voller Schweiss der anderen baden.»

Der typische «Chlorgeruch» im Bad ist übrigens ein Zeichen dafür, dass der Harnstoffgehalt im Wasser hoch ist – Chlor riecht erst in der Kombination.

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