Fitnessstudio eckt mit Plakatwerbung massiv an
«Sie holen die Fetten zuerst!»

Dieser Scherz ging gewaltig in die Hose: Das Fitnessstudio Kraftwerk Fitness in St. Gallen macht Werbung auf Kosten übergewichtiger Menschen – und löst damit heftige Reaktionen aus. Der Studio-Betreiber wehrt sich.
Publiziert: 03.06.2022 um 12:07 Uhr
Martin Schmidt

Kraftwerk Fitness in Heerbrugg SG eckt mit seiner aktuellen Plakatkampagne gewaltig an. Auf dem Plakat ist ein Alien abgebildet. Bei Blick-Lesern sorgt jedoch der in grossen Lettern gehaltene Schriftzug für Empörung: «Sie kommen … und wenn sie da sind, holen sie sich die Fetten zuerst! Rette dich selbst!» Mit dieser provokativen Werbung will das Studio neue Mitglieder gewinnen. Doch das geht nach hinten los. Vielen Leuten geht die Werbung zu weit.

Die Bestürzung ist gross. «Darf denn heute niemand mehr dick sein?» oder «Werden hier die Fetten ausgegrenzt und erniedrigt?», so zwei der zahlreichen Reaktionen. Es ist von Bodyshaming die Rede, also von abwertenden Aussagen über das Aussehen anderer.

Nicht die erste Werbung mit Bodyshaming

Blick konfrontiert den für die Plakatwerbung verantwortlichen Geschäftsführer des Studios. «In keinster Weise ist oder war es meine Absicht, Menschen, die korpulenter sind, zu diskriminieren oder abzuwerten», wehrt sich Ali Hasani gegen die Vorwürfe. Er sei selbst sehr lange übergewichtig gewesen.

Das Studio Kraftwerk Fitness setzt bei seiner neuen Werbekampagne auf Provokation und erntet Kritik.
Foto: Blick-Leserreporter
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«Deshalb kann ich mich sehr gut in die Lage anderer übergewichtiger Menschen versetzen.» Er habe seinen Lebensstil mit hartem Training und einer gesunden Ernährung geändert. Übergewichtig zu sein, sei in den «meisten Fällen eine Entscheidung und keine gottgegebene Sache», sagt er weiter.

«Bodyshaming ist ein Trendbegriff»

Auch den Vorwurf des Bodyshamings lässt er nicht gelten: Das sei ein «Trendbegriff». «Bodyshaming existiert in meinen Augen bei Menschen, die an einer Krankheit leiden oder aufgrund eines Unfalls körperlich eingeschränkt sind.» Über solche Menschen würde er sich nie ein Urteil erlauben, betont Hasani. Wie er mit seiner Werbung verhindern will, dass sich Betroffene angesprochen fühlen, bleibt er jedoch schuldig.

Stattdessen hebt Hasani den Gesundheitsaspekt hervor: «Herz-Kreislauf-Erkrankungen machen heutzutage einen Grossteil der frühzeitigen Todesfälle aus, deshalb sehe ich es als eine Pflicht, mich dafür einzusetzen, Menschen zum Sport zu motivieren. Da nehme ich diese Kritik auch gern in Kauf.»

Es ist nicht das erste Mal, das Kraftwerk Fitness auf Kosten übergewichtiger Menschen Werbung macht. Auf einem älteren Werbebanner steht in Grossbuchstaben «Es reicht, wenn diese Schrift fett ist.»

Studio-Betreiber lädt zum Gespräch

Das Thema Bodyshaming ist seit dem Vormarsch der sozialen Medien immer mehr in den Fokus gerückt. Stark bearbeitete und gefilterte Fotos sind weit verbreitet und preisen makellose Schönheitsideale fernab jeder Realität an. Gerade für junge Menschen können solche Vorbilder fatale Folgen haben, sind sich Experten einig. Mit Body-Positivity hat sich eine Gegenbewegung gebildet, bei der Menschen davon überzeugt werden sollen, mit ihrem Körper zufrieden zu sein – auch wenn er von gängigen Schönheitsidealen abweicht.

Fitnessstudios haben zweieinhalb sehr schwierige Jahre hinter sich. Gleich mehrmals mussten sie aufgrund der Corona-Pandemie ihre Türen schliessen. Dabei gingen zahlreiche Kunden verloren, die nun zurückgewonnen werden sollen. Ob Werbung auf dem Rücken beleibter Menschen hierbei hilfreich ist, scheint jedoch mehr als zweifelhaft. Die Leserreaktionen sprechen eine deutliche Sprache: Das geht gar nicht! «Menschen, die sich angegriffen fühlen, lade ich sehr herzlich in mein Fitnessstudio ein, um sich selbst ein Bild von mir als Menschen zu machen», sagt Hasani. Er sei für Gespräche offen.

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