Flüge könnten gestrichen werden
Wird Air Berlin schon heute zerschlagen?

Über zehn Interessenten gibt es für Air Berlin. Am heutigen Mittwoch trifft sich der Gläubigerausschuss. Schon im September soll die insolvente Fluggesellschaft Geschichte sein. Laut Insidern könnten schon bald Flüge gestrichen werden.
Publiziert: 23.08.2017 um 09:40 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:22 Uhr
Am heutigen Mittwoch trifft sich der Gläubigerausschuss, um über Teilverkäufe von Air Berlin zu entscheiden.
Foto: Imago
Vinzenz Greiner

Seit Air Berlin Mitte August Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt hat, überschlagen sich Gerüchte um mögliche Zukunftsszenarien.

Laut Insidern, auf die sich die «Süddeutsche Zeitung» beruft, könnten schon bald Flüge aus Geldmangel gestrichen werden. Obwohl die deutsche Bundesregierung der Airline einen Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro gewährt hat.

Bisher keine Zürcher Air-Berlin-Flüge gestrichen

Am Mittwochmorgen waren jedoch keine Annullierungen von Air-Berlin-Flügen im System des Zürcher Flughafens eingetragen. «Wenn Air-Berlin-Flüge aufgegeben werden, gehen wir davon aus, dass andere Fluggesellschaften diese übernehmen», erklärt Flughafen-Sprecherin Sonja Zöchling auf Anfrage von BLICK. 

Air Berlin ist nach der Swiss die zweitwichtigste Airline für den Flughafen Zürich-Kloten. Für allfällige finanzielle Ausfälle, falls Air Berlin Flughafenrechnungen nicht begleichen kann, seien Vorkehrungen getroffen worden, sagt Sprecherin Zöchling.

Niki könnte am heutigen Mittwoch verkauft werden

Derweil rückt ein Verkauf von Teilen der Air-Berlin-Gruppe näher, zu der auch die Schweizer Fluggesellschaft Belair und die österreichische Niki gehören. Niki könnte laut «Süddeutscher Zeitung» schon heute Mittwoch unter den Hammer kommen.

Der Gläubigerausschuss könnte den Verkauf der Österreicher an Air-Berlin-Konkurrentin Lufthansa genehmigen. Der Konzern ist einer von «mehr als zehn Interessenten», sagte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann der Zeitung «Bild am Sonntag». Winkelmann will die Airline schnell an einen Käufer bringen. «Wir wollen den Verkauf spätestens im September abschliessen. Sonst schwindet das Vertrauen der Kunden in die Airline», so Winkelmann.

Deutsche Regierung verweigert Komplettverkauf

Ein Komplettverkauf steht nicht zur Debatte, auch wenn der deutsche Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl entsprechendes Interesse angemeldet hat. Die deutsche Bundesregierung hat nämlich nach dem Kredit ein Wörtchen mitzureden beim Verkauf von Air Berlin.

«Das Modell Air Berlin als eine eigenständige Airline ist ja gescheitert», sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig dem Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Man müsse «nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass man jetzt mehrere Partner braucht».

Darum gibts bei Air Berlin kein Grounding

Die Flotte der einst stolzen Swissair blieb am Boden, als der nationalen Airline das Geld ausgegangen war. Auch Air Berlin ist jetzt pleite – aber fliegt weiter. Möglich ist das nur, weil der deutschen Regierung Jobs wichtiger sind als Prinzipien.

Das Bild ist eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Schweiz. 2. Oktober 2001, über siebzig Flieger der einst stolzen Swissair stehen am Boden. Das Grounding der Airline nach über siebzig Jahren Luftfahrt.

Am Schluss kämpfte im Grunde nur noch einer für das Schweizer Kreuz auf der Heckflosse: Mario Corti, der letzte Swissair-Chef, bettelte bei den Banken um die rechtzeitige Überweisung des Geldes für den Kauf der Swissair-Tochter Crossair. Er bettelte beim Bundesrat um eine Bürgschaft, die hätte helfen sollen, den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Beim Bund blitzte er ab, die UBS überwies das Bare später als abgemacht. Das bedeutete das Ende der nationalen Luftfahrtgesellschaft, an der vielfältige öffentliche Körperschaften beteiligt waren.

In der EU eigentlich verboten

Jetzt hat Air Berlin Insolvenz angemeldet. Zu den grössten Aktionären gehört die Golf-Airline Etihad Airways sowie die ESAS Holding, eine türkische Beteiligungsgesellschaft im Besitz einer Industriellenfamilie vom Bosporus. Dennoch sprach die deutsche Bundesregierung ohne Zögern einen Überbrückungskredit über 150 Millionen Euro, um die Flieger in der Luft zu halten. Sie wollte das Grounding der seit Jahren hochdefizitären privaten Fluggesellschaft verhindern, obwohl zumindest vordergründig keine deutschen Interessen im Spiel sind. Und sie nahm damit in Kauf, mit dem Scheckbuch in der Hand Strukturpolitik zu betreiben – was die EU eigentlich verbietet.

Steuergelder liefern Sauerstoff

Warum geht bei Air Berlin, was bei der Swissair nicht ging? Es geht um einige tausend Arbeitsplätze – und geht es um Jobs, stehen in Deutschland die Gebote der freien Marktwirtschaft gewöhnlich nicht mehr zuoberst auf der politischen Agenda. Zum anderen wird die Lufthansa wohl Flieger und Strecken der Air Berlin übernehmen können, gleichzeitig wird die Offensive der Konkurrenz aus den Vereinigten Arabischen Emiraten elegant gestoppt. In Deutschland genügt dies, um wirtschaftsliberale Grundsätze über Bord zu werfen. In der Schweiz scheinen diese in Stein gemeisselt. Deshalb musste die Swissair sterben. Air Berlin bekommt Sauerstoff in Form von Steuergeldern. 

Die Flotte der einst stolzen Swissair blieb am Boden, als der nationalen Airline das Geld ausgegangen war. Auch Air Berlin ist jetzt pleite – aber fliegt weiter. Möglich ist das nur, weil der deutschen Regierung Jobs wichtiger sind als Prinzipien.

Das Bild ist eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Schweiz. 2. Oktober 2001, über siebzig Flieger der einst stolzen Swissair stehen am Boden. Das Grounding der Airline nach über siebzig Jahren Luftfahrt.

Am Schluss kämpfte im Grunde nur noch einer für das Schweizer Kreuz auf der Heckflosse: Mario Corti, der letzte Swissair-Chef, bettelte bei den Banken um die rechtzeitige Überweisung des Geldes für den Kauf der Swissair-Tochter Crossair. Er bettelte beim Bundesrat um eine Bürgschaft, die hätte helfen sollen, den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Beim Bund blitzte er ab, die UBS überwies das Bare später als abgemacht. Das bedeutete das Ende der nationalen Luftfahrtgesellschaft, an der vielfältige öffentliche Körperschaften beteiligt waren.

In der EU eigentlich verboten

Jetzt hat Air Berlin Insolvenz angemeldet. Zu den grössten Aktionären gehört die Golf-Airline Etihad Airways sowie die ESAS Holding, eine türkische Beteiligungsgesellschaft im Besitz einer Industriellenfamilie vom Bosporus. Dennoch sprach die deutsche Bundesregierung ohne Zögern einen Überbrückungskredit über 150 Millionen Euro, um die Flieger in der Luft zu halten. Sie wollte das Grounding der seit Jahren hochdefizitären privaten Fluggesellschaft verhindern, obwohl zumindest vordergründig keine deutschen Interessen im Spiel sind. Und sie nahm damit in Kauf, mit dem Scheckbuch in der Hand Strukturpolitik zu betreiben – was die EU eigentlich verbietet.

Steuergelder liefern Sauerstoff

Warum geht bei Air Berlin, was bei der Swissair nicht ging? Es geht um einige tausend Arbeitsplätze – und geht es um Jobs, stehen in Deutschland die Gebote der freien Marktwirtschaft gewöhnlich nicht mehr zuoberst auf der politischen Agenda. Zum anderen wird die Lufthansa wohl Flieger und Strecken der Air Berlin übernehmen können, gleichzeitig wird die Offensive der Konkurrenz aus den Vereinigten Arabischen Emiraten elegant gestoppt. In Deutschland genügt dies, um wirtschaftsliberale Grundsätze über Bord zu werfen. In der Schweiz scheinen diese in Stein gemeisselt. Deshalb musste die Swissair sterben. Air Berlin bekommt Sauerstoff in Form von Steuergeldern. 

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