Franken-Schock vernichtete Tausende Arbeitsplätze
Nationalbank zahlte trotzdem 200 Milliarden!

Der 15. Januar 2015 war dramatisch. Der Euro stürzte an dem Tag auf 85 Rappen ab. In der Folge mussten Tausende Arbeitsplätze gestrichen werden. BLICK enthüllt: Seither musste die Schweizerische Nationalbank trotzdem 200 Milliarden in den Euro investieren.
Publiziert: 07.01.2018 um 23:37 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:55 Uhr
Historischer Entscheid: Am 15. Januar 2015 verkündete SNB-Chef Thomas Jordan die Aufhebung des Mindestkurses.
Foto: WALTER BIERI
1/6
Harry Büsser

Auch dieses Jahr hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) wieder Milliarden in Euros investiert. Damit wächst ihr Devisenberg weiter gegen 800 Milliarden Franken (siehe Grafik)! Zum Vergleich: Dieser Betrag würde reichen, um allen Einwohnern der Schweiz je 100'000 Franken auszubezahlen.

Morgen wird die SNB Zahlen für das Gesamtjahr veröffentlichen. Sicher ist, dass sie auch drei Jahre nach dem Frankenschock massiv intervenieren musste, damit die Exportindustrie nicht noch grösseren Schaden nimmt.

 Rückblende: Die Nationalbank hatte am 6. September 2011 einen Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken festgelegt und bei jeder Gelegenheit betont, sie werde diesen durch dick und dünn verteidigen. Darum ist es ein Schock, als SNB-Direktor Thomas Jordan am 15. Januar 2015 um 10.30 Uhr plötzlich das Gegenteil verkündet.

Roche-Genussscheine verlieren über 20 Prozent

Minuten später schiesst der Kurs des Schweizer Frankens nach oben, kurz vor elf Uhr kostet ein Euro nur noch 85 Rappen. Auch die Kurse an der Schweizer Börse tauchen: Holcim-Aktien und Roche-Genussscheine verlieren über 20 Prozent, Swatch über zehn. Deren Chef Nick Hayek sagt: «Was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami. Sowohl für die Exportindustrie als auch für den Tourismus und schlussendlich für die ganze Schweiz.

SNB befand sich in schwieriger Situation

Die Aufhebung des Mindestkurses ist auch heute noch ein umstrittener Entscheid. Klar ist, dass sich die SNB Anfang des Jahres 2015 in einer schwierigen Situation befand – sowohl mit oder ohne Mindestkurs. Im Januar 2015 ächzten die Direktoren der SNB, dass sie den Mindestkurs aufheben müssten, weil sie ansonsten genötigt wären, Euros für 100 Milliarden Franken zu kaufen. 

Aber wer erwartet hatte, dass die SNB nach Aufhebung des Mindestkurses deutlich weniger Euros kaufen müsste, wurde enttäuscht. Inzwischen musste sie ohne Mindestkurs doppelt so viel investieren. Allein im ersten Halbjahr 2017 hat die SNB Euros im Wert von 50 Milliarden Franken gekauft. Seit Aufhebung des Mindestkurses summiert sich der Betrag auf 200 Milliarden Franken, wie Blick nachgerechnet hat. Das musste sie, damit der Euro nicht noch bedrohlicher fällt. 

So treibt die Nationalbank den Euro in die Höhe

Wenn die Schweizerische Nationalbank Euros (SNB) kauft, erhöht sie die Nachfrage nach Euros, was den Preis des Euro – also dessen Kurs – erhöht. Das ist der gleiche Effekt, der bei den Zimmerpreisen in Familienhotels in den Schulferien zu beobachten ist. In den Schulferien steigt die Nachfrage nach diesen Zimmern und deswegen auch deren Preise.

Die SNB behält die Euros anschliessend in den Devisenreserven oder kauft damit wiederum andere Wertpapiere, etwa Obligationen oder Aktien. Wenn die Kurse dieser Wertpapiere steigen, erhöhen sich die Devisenreserven der SNB, auch wenn sie keine Euros dazukauft. (hb)

Wenn die Schweizerische Nationalbank Euros (SNB) kauft, erhöht sie die Nachfrage nach Euros, was den Preis des Euro – also dessen Kurs – erhöht. Das ist der gleiche Effekt, der bei den Zimmerpreisen in Familienhotels in den Schulferien zu beobachten ist. In den Schulferien steigt die Nachfrage nach diesen Zimmern und deswegen auch deren Preise.

Die SNB behält die Euros anschliessend in den Devisenreserven oder kauft damit wiederum andere Wertpapiere, etwa Obligationen oder Aktien. Wenn die Kurse dieser Wertpapiere steigen, erhöhen sich die Devisenreserven der SNB, auch wenn sie keine Euros dazukauft. (hb)

Mehr

Ein Schlag für die Wirtschaft

Aber: Einen höheren Eurokurs hätte die SNB wahrscheinlich kostengünstiger mit Mindestkursgrenze halten können – dank dessen psychologischer Wirkung (siehe Box unten). Zumindest gab es Jahre in denen die SNB deutlich weniger Euros kaufen musste (siehe Tabelle).

Deswegen sehen Ökonomen die SNB-Aktion von vor drei Jahren kritisch: «Im Nachhinein war es wahrscheinlich ein Fehler, aber aus der Situation heraus verständlich», sagt Oliver Adler, Chefökonom der Credit Suisse. «Die Aufhebung des Mindestkurses war eine Reaktion auf extremen Marktdruck. Die SNB hoffte auf einen Befreiungsschlag.»

Tausende Arbeitsplätze weg, die kaum mehr zurückkommen

Aber ein Schlag war es vor allem für die Wirtschaft: «Für die Industrie und ihre Angestellten war die Aufhebung des Mindestkurses klar negativ. Die Unternehmen mussten Arbeitsplätze auslagern, und Geschäftsfelder schrumpften», sagt Adler. «Jetzt sind Tausende von Arbeitsplätzen weg, die kaum mehr zurückkommen.»

Im Gegensatz zur Schweiz, die unter dem hohen Franken litt, konnten andere Länder vom tiefen Eurokurs profitieren und Arbeitsplätze gewinnen. Adler nennt Osteuropa und Deutschland als Beispiele.

Mit Mindestkurs wären die Arbeitsplätze hier geblieben

«In Deutschland ist die Zahl der Beschäftigten in der Industrie seit dem Jahr 2010 um zehn Prozent gestiegen. In der gleichen Zeit ist sie in der Schweiz um zwei Prozent gesunken», sagt Marc Brütsch (51), Chefökonom des Versicherers Swiss Life. Aus dieser Sicht wäre es damals besser gewesen, den Mindestkurs zu halten. Dann wären die Arbeitsplätze hier geblieben.

Die SNB hätte damals besser auf stabilere Zeiten gewartet. Zum Beispiel jetzt, Anfang 2018: Die Wirtschaft in Europa läuft, der Euro notiert bei 1.17 Franken. Natürlich kann das auch wieder ändern: «Die Ängste um die Eurozone sind nicht vorbei: Bald kommen Wahlen in Italien mit einem offenem Ausgang», sagt Brütsch. 

Erst Psychologie, dann Guerilla

Während der Zeit des Mindestkurses zog die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine klare Grenze bei einem Eurokurs von 1.20 Franken. In der Zeit vom
6. September 2011 bis zum 15. Januar 2015 war die SNB bereit, jederzeit Euros für 1.20 Franken zu kaufen. Da sie im Prinzip unbegrenzt neue Franken «per Knopfdruck» herstellen kann, gab es für Besitzer von Euros keinen Grund mehr, irgendwo auf der Welt den Euro für weniger als 1.20 Franken zu verkaufen.

Sie konnten ja immer mit ihren Euros zur SNB. Während dieser Zeit blieb der Euro logischerweise immer über 1.20 Franken. Auch die Spekulanten akzeptierten die Macht der SNB lange Zeit.

Wetten zwangen SNB zum Handeln

Der Mindestkurs war auch ein psychologischer Schachzug. Dieser wirkte, denn kaum jemand versuchte darauf zu wetten, dass die SNB den Mindestkurs nicht halten könnte. Andere Käufer von Euros mussten mehr als 1.20 Franken bieten, wenn sie Euros bekommen wollten, denn ansonsten schlug die SNB zu und kaufte.

Weil das alle wussten, musste die SNB lange Zeit auch gar nicht so viele Euros kaufen. Aber in den Wochen vor dem 15. Januar 2015 gab es dann anscheinend sehr viele Euro-Verkäufer, die darauf wetteten, dass die SNB den Kurs von 1.20 Franken nicht würde halten können. Sie verkauften Dutzende Milliarden Euro an die SNB.

Rasanter Absturz des Eurokurses

Die musste so viele Franken per Knopfdruck herstellen, dass sich Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der SNB, und seine Direktionskollegen nicht mehr wohlfühlten. Sie hatten Angst, dass mit den vielen neu geschaffenen Franken das Vertrauen in sie als Währungshüter verloren gehen könnte. Deswegen entschieden sie, die Mindestgrenze fallen zu lassen.

Allerdings führte das zu einem rasanten Absturz des Eurokurses (siehe Grafik) und hatte Folgen für die Industrie-Arbeitsplätze in der Schweiz. In der Folge war die SNB gezwungen, weiter Euros zu kaufen. Nicht mehr zu einem fixe Preis, sondern je nachdem. In gewisser Weise ist die SNB damit vom psychologischen Schachzug zur Guerilla-Taktik übergegangen.

Während der Zeit des Mindestkurses zog die Schweizerische Nationalbank (SNB) eine klare Grenze bei einem Eurokurs von 1.20 Franken. In der Zeit vom
6. September 2011 bis zum 15. Januar 2015 war die SNB bereit, jederzeit Euros für 1.20 Franken zu kaufen. Da sie im Prinzip unbegrenzt neue Franken «per Knopfdruck» herstellen kann, gab es für Besitzer von Euros keinen Grund mehr, irgendwo auf der Welt den Euro für weniger als 1.20 Franken zu verkaufen.

Sie konnten ja immer mit ihren Euros zur SNB. Während dieser Zeit blieb der Euro logischerweise immer über 1.20 Franken. Auch die Spekulanten akzeptierten die Macht der SNB lange Zeit.

Wetten zwangen SNB zum Handeln

Der Mindestkurs war auch ein psychologischer Schachzug. Dieser wirkte, denn kaum jemand versuchte darauf zu wetten, dass die SNB den Mindestkurs nicht halten könnte. Andere Käufer von Euros mussten mehr als 1.20 Franken bieten, wenn sie Euros bekommen wollten, denn ansonsten schlug die SNB zu und kaufte.

Weil das alle wussten, musste die SNB lange Zeit auch gar nicht so viele Euros kaufen. Aber in den Wochen vor dem 15. Januar 2015 gab es dann anscheinend sehr viele Euro-Verkäufer, die darauf wetteten, dass die SNB den Kurs von 1.20 Franken nicht würde halten können. Sie verkauften Dutzende Milliarden Euro an die SNB.

Rasanter Absturz des Eurokurses

Die musste so viele Franken per Knopfdruck herstellen, dass sich Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums der SNB, und seine Direktionskollegen nicht mehr wohlfühlten. Sie hatten Angst, dass mit den vielen neu geschaffenen Franken das Vertrauen in sie als Währungshüter verloren gehen könnte. Deswegen entschieden sie, die Mindestgrenze fallen zu lassen.

Allerdings führte das zu einem rasanten Absturz des Eurokurses (siehe Grafik) und hatte Folgen für die Industrie-Arbeitsplätze in der Schweiz. In der Folge war die SNB gezwungen, weiter Euros zu kaufen. Nicht mehr zu einem fixe Preis, sondern je nachdem. In gewisser Weise ist die SNB damit vom psychologischen Schachzug zur Guerilla-Taktik übergegangen.

Mehr
So funktioniert die Nationalbank

Stellen Sie sich vor, Sie hätten – wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) – das Recht, Geld zu drucken. Sie müssen es nicht mal drucken, sondern können es per Klick, per Knopfdruck herstellen: Einmal die Taste B auf Ihrer Computertastatur drücken, und Sie haben eine Billion Franken, also 1000 Milliarden Franken. Da spielt es keine Rolle mehr, ob Sie 100 Milliarden Verlust oder Gewinn machen.

Das Einzige, was noch eine Rolle spielt: Ihre Franken, die Sie drucken oder per Klick herstellen können, sollen werthaltig bleiben. Das heisst: Wenn Sie mit Ihren Franken von jemandem ein Auto abkaufen, muss der Verkäufer daran glauben, dass diese Franken auch künftig Wert haben werden.

Er muss davon ausgehen, dass er mit Ihren Franken auch in einem Jahr wieder etwas kaufen kann, das ähnlich wertvoll ist wie das Auto, das er Ihnen verkauft hat. In der Sprache der SNB bedeutet dies, dass die Inflation tief bleiben muss. Denn wenn die Inflation hoch ist, verlieren die Franken an Wert. Darum ist das bedeutendste, fast einzige Ziel der SNB, die Inflation tief zu halten. (hb)

Stellen Sie sich vor, Sie hätten – wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) – das Recht, Geld zu drucken. Sie müssen es nicht mal drucken, sondern können es per Klick, per Knopfdruck herstellen: Einmal die Taste B auf Ihrer Computertastatur drücken, und Sie haben eine Billion Franken, also 1000 Milliarden Franken. Da spielt es keine Rolle mehr, ob Sie 100 Milliarden Verlust oder Gewinn machen.

Das Einzige, was noch eine Rolle spielt: Ihre Franken, die Sie drucken oder per Klick herstellen können, sollen werthaltig bleiben. Das heisst: Wenn Sie mit Ihren Franken von jemandem ein Auto abkaufen, muss der Verkäufer daran glauben, dass diese Franken auch künftig Wert haben werden.

Er muss davon ausgehen, dass er mit Ihren Franken auch in einem Jahr wieder etwas kaufen kann, das ähnlich wertvoll ist wie das Auto, das er Ihnen verkauft hat. In der Sprache der SNB bedeutet dies, dass die Inflation tief bleiben muss. Denn wenn die Inflation hoch ist, verlieren die Franken an Wert. Darum ist das bedeutendste, fast einzige Ziel der SNB, die Inflation tief zu halten. (hb)

Mehr
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.