Für ABB-Chef Ulrich Spiesshofer ist es nur eine Frage der Zeit, bis E-Autos Benziner ablösen
«Langfristig fahren wir alle elektrisch»

Jetzt surren sie durch Zürich, die batteriegetriebenen Boliden der Formel E. Viel Geld steckt der Technologie-Konzern ABB in die Rennserie. Warum er das tut und welche Chancen in Elektroautos stecken, erklärt ABB-Boss Ulrich Spiesshofer im Interview.
Publiziert: 09.06.2018 um 10:44 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2018 um 20:42 Uhr
Interview: Christian Kolbe

Aus der Chefetage am Firmensitz in Zürich-Oerlikon können wir einen ersten Blick auf den BMW i8 von ABB-Chef Ulrich Spiesshofer (54) erhaschen. Unten im Hof steht der Elektroflitzer für den Fototermin schon bereit. Doch erst einmal muss sich der Chef den Fragen von BLICK stellen. Denn morgen steigt die ABB FIA Formel E Meisterschaft, die zum ersten Mal in Zürich gastiert.

Fährt auch privat auf E-Autos ab: ABB-Chef Ulrich Spiesshofer nimmt in seinem BMW i8 Platz.
Foto: PHILIPPE ROSSIER
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BLICK: Herr Spiesshofer, Ihre Augen glänzen, wenn Sie von Ihrem BMW i8 erzählen. Sind Sie ein grosser Fan?
Ulrich Spiesshofer:
Das ist ein Riesenfahrspass, viele unterschätzen die Alltagstauglichkeit dieser Autos. Ich bin gerne in Lenzerheide – selbst im Winter habe ich nie Probleme, der i8 fährt auch auf Schnee gut.

Ist so ein Auto ein Männertraum – oder die Mobilität der Zukunft?
Wir alle werden langfristig Elektroautos fahren, das ist gar keine Frage. Jetzt stehen wir an der Schwelle zur mobilen elektrischen Zukunft. Im Moment demonstrieren die Hersteller mit neuen Vorzeigemodellen, was technisch überhaupt machbar ist.

Elektroautos sind viel zu teuer, um massentauglich zu sein!
Die Autoindustrie ist dabei, Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, die preislich mit einem Golf, der mit Benzin oder Diesel fährt, mithalten können. Wenn der Anschaffungspreis keinen Unterschied mehr macht, dann sind andere Qualitäten wichtig: zum Beispiel die tiefen Verbrauchskosten dank Energierückgewinnung.

Am Sonntag steigt das ABB-Heimrennen. Sind Sie nervös?
Nein, höchstens bezüglich des Wetters. Seit 2014 gibt es die Formel-E-Rennserie, und noch nie hat es bei einem Rennen geregnet. Wo die ABB Formel E fährt, scheint die Sonne. Das ist hoffentlich auch in Zürich so.

Warum sind Sie so heiss auf die Formel E?
Wir sind bei der Elektromobilität ein Technologie-Pionier und der Weltmarktführer im Bereich der Ladeinfrastruktur. Auch die Formel E ist eine Pionierin. Ein Formel-E-Rennwagen ist eine fahrende Elektronik-Optimierungszelle mit Batterie.

Aber im Endeffekt geht es doch nur wie in der Formel 1 darum, wer am schnellsten um die Häuser kurvt!
Richtig, aber der Weg dorthin ist ein anderer. Der Sieger des Rennens von Rom im April erklärte, er habe das Rennen wegen des besseren Energiemanagements gewonnen. Wenn man ein Rennen durch besseres Energiemanagement gewinnen kann, dann passt das gut zu ABB.

Ulrich Spiesshofer (54)

Ulrich Spiesshofer (54) steht seit Herbst 2013 an der Spitze des Schweizer Elektrotechnik-Konzerns ABB. Der gebürtige Deutsche lebt seit vielen Jahren in der Schweiz und sagt von sich: «Im Herzen bin ich Schweizer.» Seit 2016 ist er es auch amtlich: Zum 125-Jahre-Jubiläum von ABB überreichte ihm Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) persönlich den Schweizer Pass. Spiesshofer lebt in der Nähe von Zürich, ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Wenn er sich nicht gerade um Fortschritte bei der Elektromobilität kümmert, geht der ABB-Chef gerne Ski fahren oder segeln.

Ulrich Spiesshofer (54) steht seit Herbst 2013 an der Spitze des Schweizer Elektrotechnik-Konzerns ABB. Der gebürtige Deutsche lebt seit vielen Jahren in der Schweiz und sagt von sich: «Im Herzen bin ich Schweizer.» Seit 2016 ist er es auch amtlich: Zum 125-Jahre-Jubiläum von ABB überreichte ihm Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66) persönlich den Schweizer Pass. Spiesshofer lebt in der Nähe von Zürich, ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Wenn er sich nicht gerade um Fortschritte bei der Elektromobilität kümmert, geht der ABB-Chef gerne Ski fahren oder segeln.

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Es heisst, ABB habe sich das Sponsoring 100 Millionen Franken kosten lassen. Das ist ein Haufen Geld.
Diese Zahl ist so nicht richtig. Wir haben uns für sieben Jahre in der Formel E verpflichtet. Zahlen zum finanziellen Engagement behalten wir für uns.

Sie sollten dieses Geld besser in den Ausbau des Ladestationen-Netzes investieren.
Das ist eine Marketing-Investition, die unsere weltweite Positionierung als Marktführer in diesem Bereich unterstützt. Wir positionieren uns als Technologie-Vorreiter. Das sehen unsere Kunden ebenso wie die Endkonsumenten.

Die sehen aber auch, dass beim Laden der Batterie viel Zeit vergeht.
Für eine Strecke von 200 Kilometern dauert das Laden mit unserer Technologie gerade mal acht Minuten.

An der Zapfsäule fülle ich meinen Tank in zwei Minuten und fahre damit 500 Kilometer oder mehr.
Es gibt grosse Fortschritte. Früher dauerte es über zwei Stunden, eine Batterie zu laden, heute unter zehn Minuten. Diese Dauer wird weiter sinken. 

Verdienen Sie mit den Schnellladestationen schon Geld?
Wir haben schon früh auf diesen Bereich gesetzt, Start-ups zugekauft, um dann mit unseren Leuten und unserem Geld diese Ladestationen zu entwickeln und zu bauen. Klar, da haben wir ein paar Jahre Verluste gemacht, jetzt haben wir die Gewinnschwelle erreicht. Nun beginnt sich das Ganze zu lohnen, wir bekommen viele Aufträge.

Fahren die Rennwagen am Sonntag mit Atom- oder mit sauberem Strom?
Sauberer Strom muss langfristig das Ziel sein. Heute kann man nicht belegen, woher der Strom genau kommt. Aber in Zukunft sollte es mittels neuer Technologien wie zum Beispiel der Blockchain möglich werden nachzuweisen, dass der Strom für Elektroautos von sauberer Herkunft ist. Da stehen wir aber noch am Anfang.

Gut, der Strom für Elektroautos könnte bald nachweisbar nachhaltig sein. Bleibt die Batterie, welche Rohstoffe und Unmengen an Energie bei der Produktion verschlingt.
Das ist ein berechtigter Kritikpunkt. Deshalb hat sich ABB als Gründungsmitglied am Projekt Northvolt in Schweden beteiligt. Das Ziel ist es, eine Fabrik aufzubauen, die Batterien mittels schwedischer Wasserkraft produziert. Langfristig soll diese Fabrik den Batteriebedarf der europäischen Automobilindustrie abdecken.

Dann bleibt noch das Entsorgungsproblem.
Das ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft: das Recycling der Batterie. Aber wir müssen die Batterie auch besser nutzen. Die meisten Fahrzeuge werden ihrem Namen gar nicht gerecht, sie fahren nicht, sondern stehen 90 Prozent der Zeit ungenützt herum, sind also «Stehzeuge». Wir müssen diese Fahrzeuge mit den teuren Batterien mehr bewegen, etwa indem wir sie mit anderen teilen.

ABB ist kein Autobauer. Wie viel ABB steckt überhaupt in einem Elektroauto? 
Für nachhaltige Elektromobilität braucht es vier Bausteine: das Auto, Ladestationen, ein stabiles Stromnetz und die Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Quellen ins Netz einzuspeisen. Bei drei dieser Bausteine ist ABB führend, beim Auto sind wir als Lieferant von Produktions-Robotern und industrieller Automatisierungstechnik führend.

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