Gedruckte Zahlen sind passé - Online geht die Post ab
Die dicken Schinken der SMI-Firmen will niemand mehr

Von 20 SMI-Firmen drucken nur noch zwei ihren Geschäftsbericht. Online toben sich die Firmen aus. Die Firmen und ihre Geschäftsberichte im Vergleich.
Publiziert: 20.05.2024 um 11:37 Uhr
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Aktualisiert: 20.05.2024 um 11:53 Uhr
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Tina Fischer
Handelszeitung

Geschäftsberichte sind wie Bücher: Sie erzählen eine Geschichte. Die der Firma, die ihrer wichtigsten Protagonisten und Protagonistinnen und die Geschichte davon, was im vergangenen Jahr passierte. Wo nötig, wird dabei auf die Vorjahre Bezug genommen, und es wird alles offengelegt, von den nüchternen Finanzzahlen bis zu den Steuerkonflikten in den Fussnoten. Früher flatterte der Bericht pünktlich zur Generalversammlung in die Briefkästen und lag am Anlass selber auf.

Auf Hochglanz polierte Seiten, mitunter mehrere hundert davon, mit einem stattlichen Gewicht. Wer Informationen zur Firma wollte, kam nicht um das gedruckte Exemplar herum. Das ist heute anders. Firmen veröffentlichen ihre Berichte online als PDF, die Anzahl gedruckter Exemplare ist rückläufig. Wer heute überhaupt noch druckt und warum darauf verzichtet wird, das wollte die «Handelszeitung» von den zwanzig SMI-Firmen wissen.

Verzicht auf den Druck

Vorreiterin beim Verzicht ist der Sanitärkonzern Geberit. Seit 2011 stellt der Anbieter von Dusch-, WC- und Rohrsystemen den Bericht nur noch online zur Verfügung, als «erstes börsenkotiertes Unternehmen in Europa», wie es vonseiten der Medienstelle heisst. Auf Geberit folgte 2013 der Lebensversicherer Swiss Life, sieben Jahre später machte auch die Zurich Versicherung den Schritt Richtung Papierlosigkeit.

Soll man lieber den dem gedruckten Papier treu bleiben, oder nachhaltig seine Geschäftsberichte online publizieren? In diesem Wandel befinden sich die SMI Firmen in der Schweiz.
Foto: HZ
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Auch Lonza, Sonova, UBS und Swiss Re verzichten gänzlich auf die gedruckte Form. Als Gründe für den Verzicht nennt Swiss Re: abnehmende Nachfrage, die Rückmeldung, die digitale Version reiche aus, sowie Bedenken in Bezug auf ökologische Auswirkungen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Drucken auf Nachfrage

Die Nachhaltigkeit ist das meistgenannte Argument in Bezug auf den Druckverzicht. Ganz davon absehen wollen einige aber trotzdem nicht. Viele Firmen drucken nur noch, um die vorhandene Nachfrage zu decken. Das heisst: für Aktionäre und Investorinnen oder um einige Exemplare an der Generalversammlung aufzulegen. Nestlé gehört etwa dazu, gleich handhaben es auch ABB, Alcon, Holcim, Novartis, Partners Group und Roche. Sie alle verweisen gleichzeitig auf den digitalen Lagebericht.

Swisscom bietet ebenfalls das digitale und gedruckte Produkt an. Doch auch hier sei die gedruckte Auflage «massiv zurückgegangen und liegt aktuell bei wenigen hundert gedruckten Exemplaren auf Bestellung». Damit könne das Unternehmen viel Papier und Ressourcen einsparen, was auch ökologischer sei. Bei ihren gedruckten Geschäftsberichten bleiben zwei Firmen: Kühne+Nagel und Sika. Kühne+Nagel plant, in Zukunft ihre Auflage stark zu reduzieren. 

Bereits heute sei der gedruckte Geschäftsbericht aufs Minimum gehalten, auf 34 Seiten weist das Logistikunternehmen aus, was und wer rund um den Umsatz von 23,8 Milliarden involviert ist.

«Unser Geschäftsbericht hält sich eng an die Finanzberichterstattung. Den Magazinteil haben wir schon seit einigen Jahren in eine separate Unternehmensbroschüre ausgelagert», so ein Mediensprecher. Das fällt online auf, denn dort umfasst der «Annual Report» fast hundert Seiten mehr.

Online-Auftritt als neues Schaufenster

Bewegt man sich im Online-Bereich also heute auf grüner Wiese? Ein Stück weit ja, wie Fabio Negro, COO beim Unternehmen Management Digital Data, beobachtet. Er befasst sich mit dem Berichterstattungsprozess und unterstützt bei der Stakeholder-Kommunikation. Dabei falle ihm auf, dass Firmen verschiedene Definitionen von «online» haben. Für einige Unternehmen reicht es, ein PDF auf der Website zur Verfügung zu stellen.

Bei anderen hingegen wird eine komplette Seite aufgezogen. Die Zahlen flimmern über den Bildschirm, es kann in die einzelnen Kapitel hineingezoomt werden, Videos der Geschäftsleitung runden den Auftritt ab.

Grenzen gibt es online keine. Bei einem gedruckten Bericht hingegen sind Vorgaben gesetzt. Entsprechend gross ist das Interesse an diesen HTML-Lösungen. Das allein ist aber nicht der Grund für die ausufernden Online-Darstellungen. Laut Negro haben die heutigen Kommunikationsmassnahmen wegen der Online-Kanäle sowie der sozialen Medien stark zugenommen. Der Austausch ist direkter. 

Jeder und jede kann auf den Report zugreifen. Und dank der Suchfunktion finden sich die gewünschten Informationen um einiges schneller, als wenn man ein gedrucktes Exemplar erst organisieren und dann durchblättern muss.

Steigende Anforderungen an die Berichterstattung

Das macht es für Firmen nicht einfacher, denn die Öffentlichkeit schaut genau hin. Die Folgen sind neue Regularien: «Die Berichtumfänge sind aufgrund zunehmender regulatorischer Anforderungen gewachsen», sagt Fabio Negro. Dabei variierten aber Länge sowie Detaillierungsgrad von Geschäftsberichten je nach Unternehmensgrösse, Branche und den spezifischen Anforderungen der Stakeholder. 

Ob nun gedruckt oder online, nüchtern oder ausschweifend dargestellt: Der Geschäftsbericht ist noch immer das wichtigste Dokument einer Firma. «Glaubwürdigkeitsdokument» nennt es Hans-Peter Nehmer, Jurypräsident des jährlichen Schweizer Geschäftsberichte-Ratings. Denn Vertrauen ist gerade in Zeiten der schnellen Online-Welt eine harte Währung, die es aufzubauen und vor allem zu halten gilt.

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