Raiffeisen-Basis rechnet mit Spitze um Patrik Gisel ab
«Unglaubliche Arroganz und unzählige Spitzkehren»

Es brodelt gewaltig bei den Raiffeisen-Genossenschaftern. Sie rufen zum Aufstand gegen die Zentrale von Raiffeisen Schweiz auf, die die 255 Raiffeisenbanken seit einigen Jahren beherrsche. Der Tenor: CEO Patrik Gisel ist nicht mehr glaubwürdig.
Publiziert: 14.06.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:00 Uhr
Patrik Gisel, CEO Raiffeisen Gruppe, wird von der Basis heftig kritisiert.
Foto: WALTER BIERI
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Ulrich Rotzinger, Guido Schätti

Es brodelt bei den 1,8 Millionen Raiffeisen-Genossenschaftern. Das spürte man schon an den regionalen Versammlungen in den letzten Wochen. Die 255 Raiffeisenbanken wollen sich nicht mehr länger wegen der Skandale in der St. Galler Zentrale die Früchte ihrer Arbeit kaputt machen lassen.

Vor der Delegiertenversammlung von morgen in Lugano TI erreicht die Unzufriedenheit eine neue Stufe. Das zeigt ein Schreiben der Raiffeisenbank Horw, das BLICK vorliegt. Es ging an ihre 6275 Mitglieder und noch einmal so viel Kunden – insgesamt an gut 11000 Empfänger im Wirtschaftsraum Luzern.

Verwaltungsratspräsident Marc Kaeslin (65) fordert darin grundlegende Reformen. Sie gehen weit über das hinaus, was der Verwaltungsrat unter dem neuen Präsidenten Pascal Gantenbein (48) bisher umgesetzt hat.

Die wichtigsten Forderungen:

-> Macht muss zurück zur Basis: «Faktisch beherrschen seit einigen Jahren nicht mehr die Raiffeisenbanken als Eigentümer die Zentrale, sondern die Zentrale beherrscht zunehmend die Eigentümer, die Raiffeisenbanken», schreibt der Jurist Kaeslin. Und fordert: Die 255 Raiffeisenbanken müssten wieder die Geschicke ihres Verbands bestimmen können.

-> Verwaltungsrat nicht mehr glaubwürdig: Der Grossteil der Verwaltungsräte hat zwar den Abgang bis spätestens 2020 angekündigt, doch die meisten könnten wegen Amtszeitbeschränkungen ohnehin nicht mehr antreten. Kaeslin bezeichnet die angebliche Erneuerung als «Farce» und fordert den «sofortigen Rücktritt aller Mitglieder des VR während der Ära Vincenz».

-> Geschäftsführung hat abgehoben: Die Geschäftsleitung um CEO Patrik Gisel (56) falle durch «unglaubliche Arroganz und unzählige Spitzkehren» auf, schreibt Kaeslin. Mitte Januar 2018 habe Gisel noch erzählt, die Reputationsrisiken für Raiffeisen stünden in keinem Verhältnis zum Inhalt der Finma-Untersuchung. Einen Verkauf der Privatbanken-Tochter Notenstein La Roche schloss er damals aus. «Heute, nicht einmal fünf Monate später, stimmt nichts mehr davon», bilanziert Kaeslin. 

-> Neues Personal: Nicht nur Vincenz, sondern auch andere Mitglieder der Geschäftsleitung von Raiffeisen Schweiz hätten eine «Verantwortung für die himmeltraurige Entwicklung bei Raiffeisen Schweiz», so Kaeslin weiter. Auf Nachfrage von BLICK fordert er personelle Konsequenzen: «Alle Verantwortlichen aus der Ära Vincenz müssen weg, auch der heutige CEO Gisel. Diese Personen können die Gruppe nicht glaubwürdig in die Zukunft führen.» 

«Darf keine Décharge erteilt werden»

In Lugano wird Kaeslin nicht dabei sein. Aus Protest ist er schon vor einem Jahr als Delegierter zurückgetreten. Auf die Delegiertenversammlung setzt er ohnehin keine grossen Hoffnungen. Dass in Lugano die Entlastung des Verwaltungsrates auf der Traktandenliste stehe, sei ein «Skandal». Solange die verschiedenen Verfahren nicht abgeschlossen seien, «darf keine Décharge erteilt werden», fordert Kaeslin. 

1. November 2017: Die Finma ermittelt gegen Pierin Vincenz.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY / GAETAN BALLY
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Die Delegierten seien viel zu eng mit den Machthabern verstrickt, kritisiert Kaeslin. «Vielen fehlt die Unabhängigkeit, entweder weil sie Angestellte von Raiffeisenbanken sind oder weil sie mit solchen Aufgaben schlicht überfordert sind. Es braucht unabhängige Leute, welche der Zentrale in St. Gallen auf Augenhöhe begegnen können.»

Um das zu erreichen, fordert Kaeslin mehr Demokratie bei Raiffeisen: «Es braucht ein einfaches Prinzip: Jede Raiffeisenbank bestimmt ihren Delegierten und der hat eine Stimme.» Damit will Kaeslin auch die Genossenschafts-Idee retten: «Sie darf keinesfalls wegen Machenschaften und Unfähigkeiten von einzelnen Funktionsträgern bei Raiffeisen Schweiz beerdigt werden.»

Mit seiner Kritik sieht sich Kaeslin getragen von den anderen regionalen Genossenschaften. Von den anderen Banken habe er nur positive Rückmeldungen erhalten auf seinen Brief. Kaeslin: «Die grosse Mehrheit der Verantwortlichen der Raiffeisenbanken ist seit längerem höchst unzufrieden mit den Entwicklungen in St. Gallen.» 

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