Gewerkschaftsökonom widerspricht Bankern
«Ohne Negativzinsen gibt es mehr Arbeitslosigkeit»

Am Donnerstag entscheidet die Schweizerische Nationalbank (SNB) über die Ausweitung der Negativzinsen. Im Gegensatz zu den Banken bezeichnet Daniel Lampart, Ökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, die Negativzinsen als notwendig.
Publiziert: 18.09.2019 um 08:20 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2019 um 20:50 Uhr
Ohne Negativzinsen steige der Druck auf die Löhne, sagt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsdachverbandes (SGB).
Foto: keystone
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Interview: Claudia Gnehm

Negativzinsen schaden der Wirtschaft, sagte der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung letzte Woche. Und Spitzenbanker sagen gegenüber BLICK, dass sie diese bei einer Ausweitung den Kleinsparern weitergeben müssten. Daniel Lampart (51), Ökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, sieht das anders. Die Negativzinsen seien derzeit im Interesse der Normalverdiener, sagt er vor dem Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) am Donnerstag.

BLICK: Was halten Sie Bankern entgegen, die sagen, Negativzinsen seien volkswirtschaftlich schädlich?
Daniel Lampart: Ohne Negativzinsen droht eine starke Aufwertung des Frankens, weil er dann für Anleger noch attraktiver wird. Das wäre fatal für den Schweizer Werkplatz – insbesondere für die Exportindustrie und den Tourismus. 

Sie verteidigen Negativzinsen. Gleichzeitig kritisieren Sie, dass das günstige Geld den Binnenkonsum nicht genügend ankurbelt. Was ist das Problem?
Der Detailhandel und andere Konsumbereiche kommen umsatzmässig nicht vom Fleck. Ohne breitflächige Lohnerhöhungen ändert sich daran nichts. Wenn die Schweizerinnen und Schweizer weniger Geld zum Leben haben, stehen sie bei den Ausgaben auf die Bremse. Das kostet auch Arbeitsplätze.

Der Bund kennt Konjunkturhilfen für Phasen der Rezession, aber nicht für Wachstumsphasen wie jetzt. Sehen Sie hier ein Manko?
Das Hauptproblem ist im Moment der stark überbewertete Franken. Die SNB muss für eine Korrektur sorgen.

Die Negativzinsen fressen zunehmend Renten und Sparanlagen von Normalverdienern weg. Schaden Negativzinsen nicht in erster Linie den tieferen Einkommen?
Ohne Negativzinsen gibt es mehr Arbeitslosigkeit und mehr Druck auf die Löhne. Das würde vor allem die Normalverdiener treffen. Die Negativzinsen erhalten im Moment Arbeitsplätze. Wichtig wäre, dass die Nationalbank die Einnahmen aus den Negativzinsen an die Pensionskassen auszahlt. Das stabilisiert die Renten.

Sie fordern, dass der AHV-Fonds von den Negativzinsen ausgenommen wird. Warum?
Der AHV-Fonds verwaltet Volksvermögen. Darum soll er vollständig ausgenommen werden.

Wieso fordern Sie für die Pensionskassen nicht dasselbe?
Selbstverständlich sollten auch die Pensionskassen ausgenommen werden. Nur ist das technisch nicht ganz so einfach realisierbar. Die Auszahlung der zwei Milliarden Franken Negativzinseinnahmen an die Pensionskassen wäre hingegen vergleichsweise einfach.

Der Euro hat dieses Jahr gegenüber dem Franken 2,7 Prozent an Wert verloren. Wieso beklagen die Gewerkschaften dieses Jahr die Franken-Aufwertung nicht mehr?
Der Franken ist gegenüber dem Euro um 10 bis 15 Prozent überbewertet. Das sagen wir die ganze Zeit. Offenbar will man uns nicht hören.

Was passiert, wenn die SNB den Negativzins nicht weiter senkt?
Unserer Ansicht nach muss die SNB den Zins im Moment nicht weiter senken. Sie muss aber bestimmter gegen die Überbewertung ankämpfen. Indem sie beispielsweise klarer kommuniziert, dass sie eine Abwertung anstrebt, und dieses Ziel auch konsequent verfolgt.

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