Gopfried Stutz
Warum Aktionäre Angst haben vor der Inflation

Inflation und Zinsen sind so etwas wie siamesische Zwillinge. Wenn die Preise anziehen, steigen in der Regel auch die Zinsen und umgekehrt.
Publiziert: 12.06.2021 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 19.06.2021 um 17:14 Uhr
Claude Chatelain

Was verstehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, unter einem Schreckgespenst? Falls Sie Wirtschaftsnachrichten lesen, so könnte Ihnen dazu womöglich das Wort Inflation einfallen.

«Das Schreckgespenst der Inflation ist zurück» («Finanz+Wirtschaft»).

«Das Schreckgespenst Inflation: Seit gestern geistert es in den USA wieder umher» («10vor10»).

Claude Chatelain, Publizist und Wirschaftsjournalist.
Foto: Paul Seewer

«Die Stimmung ist angesichts der Wiederkehr des Schreckgespensts Inflation etwas angeschlagen» («Cash»).

Dies nur drei Beispiele, wie die drohende Steigerung der Teuerungsrate charakterisiert wird.

Warum eigentlich? Ein Schreckgespenst wäre eine Hyperinflation wie während der Weimarer Republik mit unkontrollierten Preissteigerungen und darauffolgendem Staatsbankrott. Auch Verhältnisse wie Mitte der 70er-Jahre, als nach der Erdölkrise die Preise im zweistelligen Prozentbereich stiegen, wünscht sich niemand zurück. Ich wäre aber froh, hätten wir endlich wieder eine Teuerung von einigen wenigen Prozentpunkten, um damit das wirkliche Schreckgespenst, die Negativzinsen, zu verscheuchen.

Inflation und Zinsen sind so etwas wie siamesische Zwillinge. Wenn die Preise anziehen, steigen in der Regel auch die Zinsen und umgekehrt.

Warum aber sind steigende Zinsen schlecht für Aktien?

Das geht so: Ein Anleger hat eine bestimmte Summe zur Verfügung, die er mit einem gesunden Risiko-Rendite-Verhältnis anlegen will. Dazu stehen ihm vor allem Aktien und Obligationen zur Verfügung. Je höher die Zinsen, desto interessanter werden Obligationen, weil sie einen sicheren Ertrag abwerfen. Steigt die Nachfrage nach Obligationen, so bleibt für Aktien weniger übrig. Diese beiden Kategorien stehen wie in einem Konkurrenzverhältnis zueinander.

Wenn nun die Aktienmärkte in den letzten Wochen und Monaten ziemlich nervös reagierten, dann wegen steigender Inflationserwartungen. Diese wiederum spiegeln sich in den langfristigen Zinsen. Die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen ist so etwas wie ein Seismograf. Anfang Jahr lag sie noch bei 0,9 Prozent und stieg dann ruckartig bis Mitte März auf über 1,7 Prozent. Dieser Anstieg war es, der die Aktienmärkte nervös machte.

Seither rätseln Ökonomen, Analysten und Wirtschaftsjournalisten: Kommt sie oder kommt sie nicht, die Inflation? Oder eben: Kommt es oder kommt es nicht, das Schreckgespenst?

Natürlich wissen wir das nicht. Sollte es kommen, hätte ich nichts dagegen, wenn wir uns gleichzeitig von den Negativzinsen befreien könnten. Sollten aus dem genannten Grund die Aktienkurse in die Tiefe brausen, ist mir das ebenfalls recht. Ich würde dann zuschlagen und die Dividendenpapiere zu einem viel günstigeren Preis kaufen, als heute dafür verlangt wird. Und in diesen Spalten würde ich schreiben, was ich am 7. Oktober 2018 geschrieben habe: «Aktien kaufen – wenn nicht jetzt, wann denn sonst?»

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