Gopfried Stutz
Was Spitalversicherungen gesund macht

Luxus – Spitalzusatzversicherungen waren für mich lange Zeit genau das. Heute seh ich das etwas anders, des Fachkräftemangels wegen.
Publiziert: 28.01.2023 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2023 um 14:50 Uhr

«Nur Dummköpfe ändern ihre Meinung nicht.» Das soll die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916) gesagt haben. Weil ich kein Dummkopf sein will, sei hier mein Meinungsumschwung öffentlich gemacht.

Es geht um die Spitalzusatzversicherung «privat» und «halbprivat». Wiederholt habe ich sie als Luxus oder als Auslaufmodell bezeichnet, vor allem was die halbprivate Variante betrifft. Denn ihre Vorteile gegenüber allgemein versicherten Patientinnen und Patienten ist im Schwinden begriffen.

Vorteil Nummer eins: Zweibett- statt Mehrbettzimmer. Dieser Vorteil schwindet, weil insbesondere Neubauten nur noch Zweier- und Einzelzimmer führen.

Spitäler bekommen für die Behandlung privat versicherter Personen mehr Geld als bei allgemein versicherten.
Foto: Keystone
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Vorteil Nummer zwei: freie Arztwahl. Dieser Vorteil schwindet, weil immer mehr Eingriffe ambulant statt stationär durchgeführt werden. Ohne Übernachtung ist die Spitalzusatzversicherung nämlich nutzlos.

Nun haben aber Spitalzusatzversicherungen noch einen dritten Vorteil. Er ist neu und keineswegs offiziell: Man könnte ihn als Priorisierung bezeichnen – als Vorzugsbehandlung, wenn es um einen Operationstermin geht.

Noch sind wir in der Schweiz nicht so weit wie in Grossbritannien. Dort warten angeblich sieben Millionen Personen auf einen Routineeingriff. Von solchen Verhältnissen sind wir in der Schweiz weit entfernt.

Offizielle Wartelisten gibt es in der Schweiz noch nicht. Doch die Spitäler kommen an ihre Kapazitätsgrenzen, verhängen Aufnahmestopps auf den Notfallstationen, so dass Patientinnen und Patienten in andere Spitäler mit freien Kapazitäten gebracht werden müssen. Schon heute müssen Operationen verschoben werden. Nicht wegen Corona, sondern wegen des Fachkräftemangels.

Das Problem wird sich weiter verschärfen. Der Grund liegt in der demografischen Entwicklung. Sie führt von der Angebots- und der Nachfrageseite zu Engpässen in der Gesundheitsversorgung. Von der Angebotsseite, weil die grossen Jahrgänge der Babyboomer in Pension gehen; von der Nachfrageseite, weil ebendiese Babyboomer altersbedingt mehr Leistungen nachfragen.

Was passiert, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt? In einem freien Markt steigen die Preise. Doch der Gesundheitsmarkt ist stark reguliert und nach Meinung vieler überreguliert. Die Preise bleiben konstant.

So kommen wir zur Spitalzusatzversicherung. Fakt ist, dass Ärztinnen und Ärzte wie auch die Spitäler für die Behandlung privat versicherter Personen mehr Geld bekommen als bei allgemein versicherten Personen, unter Umständen für die exakt gleiche Leistung. Fakt ist ebenfalls, dass Spitäler trotz regulierter Preise Gewinne erwirtschaften müssen, um ihre Investitionen tätigen zu können. So will es das Gesetz.

Was liegt da näher, als jene Operationen vorzuziehen, für die Spitäler, Ärztinnen und Ärzte mehr Geld bekommen? Da können Sozialpolitiker noch lange lamentieren, wir wollten keine Zwei-Klassen-Medizin. Wir haben sie bereits.

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