Gopfried Stutz
Zum Heiligen Abend ein Dank an die Singles

Ehepaare und Familien werden überall bevorteilt: bei den Steuern, der Erbschaftssteuer, bei den Sozial­versicherungen.
Publiziert: 23.12.2018 um 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 23.12.2018 um 13:42 Uhr
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Die schönsten Heiligen Abende waren die unbeschwerten Feste vor rund 60 Jahren: Mutter, Vater, älterer Bruder, ältere Schwester und ich. Geborgenheit pur. Die eindrucksvollsten hingegen waren jene Weihnachtsabende vor rund 40 Jahren, als ich mich freiwillig für den Taxidienst meldete. Mit «Täxele» finanzierte ich damals mein Studium.

Ich erinnere mich an einen alleinstehenden Mann so um die 35, als ich ihn im Bären-Taxi vom Berner Schosshaldenquartier nach Bümpliz zur Familie seiner Schwester chauffierte. Er fluchte wie ein Rohrspatz, weil er sich von seiner «Schwoscht» (er sprach natürlich Berndeutsch) dazu überreden liess, das heilige Fest im Kreis ihrer Familie zu feiern. Er wäre lieber alleine zu Hause geblieben.

Viele Singles sind glücklich, wenn sie am 24. Dezember alleine sind. Andere sind es nicht. Aber ganz viele Alleinstehende tun sich schwer damit, wie sie in unserer Gesellschaft stigmatisiert werden. «Singles werden ein Leben lang dafür bestraft, dass sie nicht verheiratet sind und keine Kinder haben.» Dies sagt Sylvia Locher. Sie ist Präsidentin des Vereins Pro Single Schweiz.

Singles müssten sich laufend für ihr Leben rechtfertigen, sagte sie mir. Verheiratete frage man auch nicht, warum sie verheiratet seien. Geradezu absurd findet Sylvia Locher den Begriff Heiratsstrafe. «Ich kann dieses Wort nicht mehr hören.» Ehepaare und Familien würden überall bevorteilt: bei den Steuern, der Erbschaftssteuer, bei den Sozial­versicherungen. Von Strafe könne keine Rede sein. (Wobei es natürlich nicht wenige gibt, die ihre Heirat als Strafe empfinden, dann aber aus anderen Gründen.)

Als Heiratsstrafe bezeichnet man das Phänomen, dass verheiratete Paare höhere Steuern zahlen als unverheiratete. Ich verstehe Sylvia Locher, dass sie sich darüber beschwert, weil sich Bundesbern nur für die Interessen von Ehe- und Konkubinatspaaren einsetzt.

Stirbt eine verheiratete Person, erhalten der hinterbliebene Ehegatte und die unterstützungspflichtigen Kinder Renten von der ersten und der zweiten  Säule. Stirbt indessen eine alleinstehende Person, profitieren AHV und Pensionskassen.

Will eine alleinstehende Person sein Patenkind, einen Neffen oder wen auch immer begünstigen, so werden Erbschaftssteuern fällig. Erbschaften an Ehegatten und direkte Nachkommen sind fast überall steuerfrei.

Heiratsstrafe hin oder her: Alleinstehende werden zu einem höheren Tarif besteuert als Verheiratete und haben erst noch weniger Abzugsmöglichkeiten.

Vielleicht sollte man am Fest der Geburt Jesu auch an Singles denken. Nicht weil sie alleine sind, sondern weil sie sich nicht ganz zu Unrecht auf den verschiedensten Ebenen benachteiligt fühlen. 

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