Gratis-Joint oder Jagdflinte für Geimpfte
So wollen andere Länder die Impfquote steigern

Die tiefe Impfbereitschaft in der Bevölkerung bleibt in vielen Ländern eine Hürde zur effektiven Bekämpfung der Pandemie. Darum setzten viele Länder auf teils ungewöhnliche Anreize.
Publiziert: 03.08.2021 um 01:29 Uhr
|
Aktualisiert: 03.08.2021 um 21:10 Uhr
Levin Stamm

In Rekordzeit wurde die Corona-Impfung entwickelt, zugelassen und massenweise produziert. Doch Misstrauen und Fehlinformationen führen in vielen Ländern zu einer tiefen Impfbereitschaft.

In der Schweiz ist erst die Hälfte der Bevölkerung vollständig geimpft. Die Geschwindigkeit nimmt seit Wochen ab, Impfzentren schliessen, Termine bleiben frei. Um der Entwicklung entgegenzuwirken, gibt es kreative Köpfe. Etwa den Radiounternehmer Roger Schawinski (76). Er verlost 24'000 Franken aus dem eigenen Vermögen.

Rund um den Globus lassen sich die Leute etwas einfallen, um für die Spritze gegen Corona zu werben. Je nach Land mit mehr Belohnungen, also Zuckerbrot, oder mehr Druck, also mit Peitsche. Das ist die Übersicht der besten Ideen:

Die Corona-Impfung sollte die Welt von der Pandemie erlösen. Das Problem: In vielen Ländern ist die Bereitschaft zum Piks gering.
Foto: Getty Images
1/7

Mit Zuckerbrot

  • Deutschland – Mit Fussball und Bier impft es sich leichter. Das dachte sich Wilfried Block, Bürgermeister der 6000-Seelen-Gemeinde Friedland im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Also lud er seine Einwohner ins Volkshaus ein. Bei Deutschland gegen England liessen sie sich impfen – und kassierten zur Belohnung ein Freibier. In Thüringen sorgten Gratis-Bratwürste als Belohnung ebenfalls für einen Run auf ein lokales Impfzentrum.

  • Serbien – Anfang Mai stürmen plötzlich Hunderte von Menschen ein Einkaufszentrum in Belgrad. Der Grund: Ein Anreiz-System der serbischen Behörden. Wer sich dort piksen lässt, empfiehlt sich für einen von hundert Einkaufsgutscheinen im Wert von etwa 30 Franken. Der Balkanstaat war zudem das erste Land weltweit, das Bürgerinnen und Bürger für die Impfung bezahlte. Ebenfalls 30 Franken.

  • Griechenland – Ebenfalls mit Gutscheinen sollen im südeuropäischen Ferienland die Jungen geködert werden. Wer sich den ersten Piks setzen lässt, wird mit einer Bezahlkarte in Höhe von 150 Euro belohnt. Sie kann für Hotelbuchungen, Fähr- und Flugtickets sowie Konzerte und Museumsbesuche genutzt werden. Insgesamt sind für die Kampagne bis zu 141 Millionen Euro eingeplant.

  • Rumänien – Impfbereitschaft geht durch den Magen. Das wusste der Besitzer eines Imbisswagens in Bukarest. Wer sich im temporären Impfzentrum auf dem Markt die Spritze setzen liess, bekam bei seinem Stand drei Mici, gegrillte Hackfleischröllchen, umsonst. Auf Erlebnisse setzen dagegen die rumänischen Behörden. Um mehr Leute zu piksen, organisierten sie im Mai Impfmarathons auf der legendären Törzburg, die sich als «Draculaschloss» einen Namen gemacht hat. Mit Erfolg: An den Wochenenden sollen jeweils hunderte Menschen Schlange gestanden sein.
  • USA – Um Leute zur Impfung zu bewegen, wird das Land der unbegrenzten Möglichkeiten kreativ. Natürlich geht auch hier vieles über finanzielle Anreize. So bieten zahlreiche Bundesstaaten Millionen-Lotterien und Uni-Stipendien für die Kinder an. Doch nicht nur: In West Virginia verlost Gouverneur Jim Justice (70) unter anderem Angelscheine und Jagdflinten. Und in Washington dürfen frisch geimpfte zur Belohnung einen Gratis-Joint abholen.

  • Israel – Der Nahoststaat galt lange als Musterbeispiel einer erfolgreichen Impfkampagne. Bereits Mitte März war die Hälfte der Bevölkerung zweifach geimpft. Inzwischen laufen gar erste Auffrischungskampagnen. Auch in Israel läuft vieles über Anreize. Eine Bar offerierte frisch Geimpften ein Gratisgetränk. Alkoholfrei – als medizinische Vorsichtsmassnahme.
  • Mexiko – Warten auf die Impfung kann eine mühsame Angelegenheit sein. In der mexikanischen Industriestadt Escobedo liess man sich darum etwas besonderes einfallen. Während die Leute geduldig in ihren Stühlen sassen, lenkten sie Musiker und Tänzer mit Folklore von der langsam fortschreitenden Warteschlange ab.

  • Thailand – In den ländlichen Regionen Thailands greift die Regierung zu ungewöhnlichen Mitteln, um die ärmliche Bevölkerung in die Impfzentren zu locken. Seit Juni wird im Landkreis Mae Chaem in der Provinz Chiang Mai wöchentlich ein Kalb verlost. Wert: Rund 300 Franken. Die Kampagne verläuft äusserst erfolgreich: «Die Zahl unserer Impf-Registrierungen ist innerhalb weniger Tage von einigen Hundert auf mehrere Tausend gestiegen», sagte der Bezirkschef zu Reuters.

Mit Peitsche

  • Frankreich – Ein Aufschrei ging durch Frankreich, als Präsident Emmanuel Macron (43) die Freiheiten Ungeimpfter drastisch einschränkte. Seit Mittwoch ist der Besuch von Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Theater oder Museen nur noch mit Impf-, Genesungsnachweis oder negativem Test möglich. Das Pflegepersonal unterliegt bereits seit Längerem einem Impfzwang. Macrons Strategie trägt Früchte: Am Tag nach seiner Ankündigung meldeten sich 926'000 Menschen für die Erstimpfung an. Rekord!

  • Philippinen – Irgendwann verlor der für seine Wutausbrüche berüchtigte Rodrigo Duterte (76) die Geduld mit der Impfunwilligkeit des philippinischen Volkes. In einer Fernsehansprache drohte er: «Ihr habt die Wahl, impfen oder ich lasse euch einsperren.» Er sei verärgert, dass die Filipinos nicht auf die Regierung hörten. Dumm nur: Mit seiner Aussage widerspricht Duterte seiner eigenen Gesundheitsbehörde. Diese hält weiterhin an einer dringenden Empfehlung fest. Zwingen will sie aber niemanden.

  • Russland – Lange versuchten es die russischen Behörden mit Zuckerbrot. Lotterien für Neuwagen, Wohnungen und sogar Schneemobile sollten den Russen das Impfen schmackhaft machen. Weil das ohne Erfolg blieb, folgt jetzt die Peitsche. In 18 Regionen gilt de facto eine Impfpflicht für Regierungsbeamte und Arbeiter in anderen Branchen wie im Gesundheitswesen, dem Einzelhandel oder der Bildung. Unternehmen sind angewiesen, ungeimpften Arbeitern den Lohn vorzuenthalten. Hilft das nicht, droht den Betrieben gar die Zwangsschliessung.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.