Herbst der Massenentlassungen
Schon fast 1500 Jobs abgebaut

Die Angst geht um auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Hunderte von Angestellten haben in den letzten Wochen ihren Job verloren. Für Experten ist klar: Das sind die Spätfolgen des starken Frankens.
Publiziert: 21.09.2017 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 16:50 Uhr
Von der Papierfabrik und dem Küchenbauer bis hin zum Warenhaus Manor: In den letzten Wochen sind in der Schweiz Hunderte Jobs verschwunden.
Foto: Caiaimage/Martin Barraud
Ulrich Rotzinger und Patrik Berger

Ein Jobabbau jagt derzeit den nächsten: Postfinance will im kommenden Jahr 45 Stellen abbauen, wie die Posttochter heute einen Bericht von BLICK bestätigte. Von Aus- und Verlagerungen bei der Postfinance sind 280 weitere Mitarbeiter betroffen. Inwieweit hier Jobs abgebaut werden, ist unklar.

Am Dienstag kündigten gleich zwei Firmen Massenentlassungen an. Die US-Firma Edwards will seinen Medizinaltechnik-Produktionsstandort in Horw LU schliessen. Betroffen sind 250 Mitarbeiter. 

Eine Hiobsbotschaft erhielten auch die Angestellten der US-Firma Rockwell Automation, die in der Schweiz 500 Angestellte beschäftigt. Gemäss dem Arbeitnehmerverband Angestellte Schweiz will die Automatisierungs-Firma ab Mitte 2018 rund 250 Arbeitsplätze abbauen – in erster Linie in der Produktion in Aarau.

180 Küchenbauer betroffen

Letzten Donnerstag machte wiederum BLICK bekannt, dass der grösste Küchenbauer der Schweiz, Bruno Piatti, pleite ist. Gegen 180 Mitarbeiter bekommen noch die Septemberlöhne, dann stehen sie auf der Strasse.

Auch Experten sind überrascht. «Warum sich gerade jetzt die Massenentlassungen häufen, ist schwierig zu erklären», sagt Michael Siegenthaler, Arbeitsmarktspezialist der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich zu BLICK. «Wir hatten Ende 2016 mit einer stärkeren Erholung am Schweizer Arbeitsmarkt gerechnet.»

Dass sie per Ende Jahr ihren Job verlieren werden, erfuhren Anfang September auch 100 Angestellte der Glasfabrik AGC VIM in Moutier BE. Dazu stellt der Industrie- und Rüstungskonzern Ruag 39 Büezer auf die Strasse.

Gar zum Radikalabbau greift Nestlé in Egerkingen SO: Die Produktion der Tochter Nestlé Skin Health wird ins Ausland verlegt. 190 Mitarbeitern droht die Kündigung.

Papierfabrik macht den Laden dicht

Auch die Papierfabrik Utzenstorf BE stellt den Betrieb ein. Der starke Franken hatte der Fabrik das Genick gebrochen. Ein hartes Los für die 200 Arbeiter, die ihre Büez verlieren.

Doch nicht nur Industriebetriebe haben zu beissen. Auch im Detailhandel werden Jobs abgebaut. Manor streicht am Hauptsitz in Basel 200 Jobs. Bei Globus fallen wegen einer Neustrukturierung 30 Stellen weg.

Für den Arbeitsmarktexperten sind die Entlassungen eine Spätfolge des starken Frankens. «Der Frankenschock belastet den Arbeitsmarkt länger als gedacht. Er ist noch nicht verdaut, obwohl man immer wieder dachte, dass das der Fall sei», sagt er. Erst habe es Exportbranchen getroffen. «Seit rund einem Jahr betrifft der Frankenschock zunehmend auch Branchen, die vor allem für den Schweizer Markt produzieren.»

«Gesamtbeschäftigung nimmt zu»

Immerhin: George Sheldon, Professor für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomie an der Uni Basel, relativiert: «Die Gesamtbeschäftigung in der Schweiz nimmt seit Jahren im Jahresdurchschnitt um knapp 1 Prozent zu. Und hohe Arbeitslosigkeit weist die Schweiz auch nicht auf.» Ein schwacher Trost für diejenigen, die auf der Strasse stehen.

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