Höchste Teuerungsrate seit 1991 – ist Javier Milei bereits gescheitert?
4 Punkte zum Inflations-Drama in Argentinien

Die neusten Zahlen aus Argentinien zeichnen ein sehr düsteres Bild – die Inflation ist so hoch wie seit 33 Jahren nicht mehr. Der neue Präsident Javier Milei spürt bereits den Gegenwind. Blick erklärt mit einem Politologen das Wirtschafts-Drama Argentiniens.
Publiziert: 15.02.2024 um 15:20 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2024 um 16:21 Uhr
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Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

Kaum ein Präsident polarisiert so stark wie Javier Milei (53). Die Schweiz kennt den Argentinier spätestens seit diesem Januar. Der Rechtslibertäre sorgte am Weltwirtschaftsforum in Davos mit einer emotionalen Brandrede für den Kapitalismus und gegen den Feminismus für Aufsehen.

Seit drei Monaten ist der Mann mit der Kettensäge im Amt. Argentinien ist seither noch tiefer in die Wirtschaftskrise gerutscht. Am Mittwoch wurde ein historischer Tiefpunkt erreicht.

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Höchste Teuerungsrate seit der Hyperinflation 1991

Die jährliche Inflationsrate in Argentinien ist im Januar auf 254,2 Prozent gestiegen, wie die nationale Statistikbehörde Indec in Buenos Aires mitteilte. Kein anderes Land hat eine höhere Teuerungsrate als Argentinien. Vor allem die Kosten für Körperpflegeprodukte, Transport und Kommunikation zogen im vergangenen Monat kräftig an. So schlimm war es seit der Hyperinflation von 1991 nicht mehr.

Javier Milei winkt bei seiner Amtseinführung am 10. Dezember 2023 vor dem rosaroten Haus – dem Präsidentschaftssitz – in Buenos Aires.
Foto: Getty Images
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«Mein Geld entwertet sich schneller, als ich arbeiten kann.»
Luca Gomez, Student aus Buenos Aires
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Argentinier leiden im Alltag

Die Preise für Lebensmittel und Co. ändern sich in Argentinien täglich – je nach Laden sogar stündlich. Luca Gomez (21) sagt zu Blick: «Mein Geld entwertet sich schneller, als ich arbeiten kann.» Mit den Sommer- und Winterjobs während der Semesterferien finanziert sich der Student aus Buenos Aires sein Leben. «Was ich im November und Dezember erhalten habe, ist jetzt gefühlt fast nichts mehr wert.» Vor zwei Jahren gab es einen Kaffee für 200 argentinische Pesos, heute sind 2000 Pesos fällig.

Kein Wunder, sind die Argentinier erfinderisch geworden. Wer kann, der tauscht sein Erspartes in US-Dollar. Seit Jahren gibt es neben dem offiziellen Peso-Kurs den sogenannten «Blue Dollar». Bei der Bank gibts für aktuell 833 argentinische Pesos einen US-Dollar – auf der Strasse kostet der Schein mit Blue-Dollar-Kurs 1100 Pesos. «Es ist die einzige Möglichkeit, wie ich zumindest etwas auf die Seite legen kann – ohne dass mein Erspartes wieder wegschmilzt», sagt Gomez.

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Ist Javier Milei bereits gescheitert?

«Der jüngste Anstieg der Inflation ist auf die Politik Mileis zurückzuführen», sagt Peter Birle, Politologe am Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) in Deutschland. Er will aber noch die Entwicklungen der nächsten Monate abwarten. «Milei selbst hatte von Anfang an gesagt, dass die Inflation zunächst noch zunehmen werde, bevor mit einem Rückgang zu rechnen sei.»

Das Problem des argentinischen Präsidenten: Er hat keine Mehrheit im Parlament. Viele seiner radikalen Versprechen – die Hälfte aller Ministerien abzuschaffen, die Zentralbank zu schliessen oder den US-Dollar einzuführen – wird er kaum in dieser Konsequenz durchsetzen können. Trotzdem geht Politologe Birle davon aus, dass es in den nächsten Monaten zu weiteren radikalen Kürzungen bei Subventionen kommen wird. «Gleichzeitig will die Regierung staatliche Unternehmen in massivem Umfang privatisieren.»

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Wird es Milei langfristig gelingen, Argentinien auf Kurs zu bringen?

Dass Argentinien grundlegende Reformen braucht, steht für Birle ausser Frage. «Allerdings ist Mileis radikaler Ansatz, dem Staat jegliche Rolle absprechen zu wollen, völlig verfehlt.» Sein Ansatz sei nicht der richtige Weg, um in einer globalisierten Weltwirtschaft erfolgreich zu sein. «Argentinien verfällt immer wieder von einem Extrem in das andere, das ist Teil des Problems.» Nur wenn Milei und seine Regierung lernfähig und kompromissbereit seien, könne er nach Ansicht des Politologen langfristig Erfolge verbuchen. «Leider sehe ich bislang wenig Anzeichen von Lernfähigkeit bei Javier Milei.»

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