Im Fokus: Thomas Jordan, Nationalbank-Präsident
Die Zielscheibe

Der starke Franken war gestern. Heute sieht sich der oberste Währungshüter mit Ideen für einen neuen Mindestkurs konfrontiert.
Publiziert: 14.08.2017 um 15:31 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 19:38 Uhr
Sein Kraftort sei die Nationalbank, sagt Thomas Jordan, der das Institut seit fünf Jahren leitet.
Foto: Keystone
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René Lüchinger

Bei ihm ist alles auf Kontinuität angelegt. Seine Frau lernte Thomas Jordan gegen Ende der Schulzeit in Biel BE kennen, wo er auch geboren wurde. Vor ein paar Tagen feierte er zwanzig Jahre bei der Schweizerischen Nationalbank, sein zehntes Jahr als Mitglied des dreiköpfigen SNB-Direktoriums und sein fünftes als dessen Präsident. Keiner kann behaupten, er kenne diesen Hochsitz der Geld- und Währungspolitik nicht wie seine Hosentasche. Und so weiss der 1,90-Meter-Mann wohl auch: Unsere Notenbank ist wie unsere Fussball-Nati: Irgendwie hält sich jeder im Land für besser geeignet, sie zu führen als der gegenwärtige Trainer.

Was hat er sich nicht alles anhören müssen an jenem historischen 15. Januar 2015, als er morgens um 10.30 Uhr die eisern verteidigte Kursuntergrenze zum Euro aufgab, als der in die Freiheit der Marktkräfte entlassene Franken zeitweise auf unter 90 Rappen fiel, als der Schweizer Aktienindex innert zweier Tage um 15 Prozent abrutschte!

Kritik wegen «Unberechenbarkeit» oder schlechtem «Timing»

IMF-Chefin Christine Lagarde, die oberste Währungshüterin von 189 Na­tionen, warf dem obersten Währungshüter der Schweiz vor, er habe das Finanzsystem «unberechenbar» gemacht. Martin Wolf, Kolumnist der «Financial Times» hielt Jordans Timing für verfehlt. Andere meinten, der Notenbankchef sei ein unverbesserlicher Monetarist, also Anhänger der Konjunktursteuerung via Geldmenge, er folge nur seinem Dogma der freien Wechselkurse.

Als Totengräber des Werkplatzes Schweiz und des einheimischen Tourismus sahen ihn die Stammtischler. Dabei konnte jeder wissen: Die Untergrenze zum Euro war von der Notenbank immer als temporäres In­strument deklariert worden, das der Schweizer Wirtschaft Zeit zur Strukturanpassung schenken sollte.

Am 15. Januar 2015 gab Jordan die Kursuntergrenze zum Euro auf.
Foto: Keystone

Jetzt, wo der Franken endlich schwächelt und – wie damals ersehnt – zeitweise die Marke von 1,15 Euro durchbrochen hat, darf der oberste Währungshüter erneut wohlmeinende Ratschläge entgegennehmen. Etwa von Susanne Leutenegger Oberholzer. Die So­zialdemokratin fordert, der Mindestkurs von 1.20 sei wiedereinzuführen, und droht sogar: «Falls Thomas Jordan jetzt nicht handelt, werden wir im Parlament vorstossen.» Wohl ausklammernd, dass die Notenbank per Gesetz unabhängig von der Politik agiert? Der ­«Tages-Anzeiger» dagegen titelte jubilierend: «Plötzlich läuft es rund für Thomas Jordan.» Dann fragte das Zürcher Blatt: «Kann die ­Nationalbank nun bald die Negativzinsen aufheben?»

Wie lange hält die konjunkturelle Grosswetterlage?

Was der SNB-Chef in dieser Sache denkt, wissen wir nicht. Er darf sich dazu nicht äussern. Er hält es wohl kaum für eine gute Idee. Die Eurostärke hat schliesslich weitgehend EU-interne Gründe. Die Wahl des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und die positive Konjunktur vor allem in Deutschland haben die gemeinsame Währung beflügelt, den Franken als sicheren Hafen unattraktiver gemacht und massenweise Investoren aus der Schweizer Valuta aussteigen lassen – was den Kurs noch weiter geschwächt hat.

Die SNB musste in den letzten Wochen nicht einmal mehr am Devisenmarkt intervenieren, um den Eurokurs zu stützen. Das Seco meldet «weiterhin positive Konjunkturaussichten» für die Schweiz. Keiner weiss, wie lange diese Grosswetterlage anhalten wird. Sicher ist aber: Hebt die Notenbank jetzt im Alleingang die ­Negativzinsen auf, setzt der Run auf den Franken wieder ein.

Seit 110 Jahren unter Aufwertungsdruck

Wenn sich Thomas Jordan im holzvertäferten Direktoriumszimmer der Zürcher SNB-Zentrale umsieht, sieht er die Augen seiner zahlreichen Vorgänger auf sich gerichtet, die dort fotografiert an der Wand hängen. Sie alle standen vor der gleichen Herausforderung. Seit die SNB 1907 gegründet wurde, seit 110 Jahren also, ist der Franken aufgrund seiner Solidität und der Stabilität des Landes unter Aufwertungsdruck. Und immer schon bedeutete dies ein hartes Fitnessprogramm für die heimische Wirtschaft. Das ist nun mal der Preis für eine eigenständige Währung.

«Mein Kraftort», sagte Thomas Jordan einmal im Gespräch mit der «Weltwoche», «ist die Nationalbank.» Das ist wohl auch so eine Kontinuität im Leben von Thomas Jordan, dem Pa­trioten.

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