Irre Beschattungsoperation, Verfolgungsjagd und Verhaftungen
Der Starbanker und seine Frau litten Todesangst

Immer mehr Details zur irren Beschattungsoperation von Starbanker Iqbal Khan werden publik – doch die Credit Suisse schweigt. Doch wie lange noch?
Publiziert: 22.09.2019 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 02.09.2020 um 08:11 Uhr
Ulrich Rotzinger

Das ist keine Räubergeschichte. Das ist «real life», aus dem wahren Leben! Dieser Thriller spielt nicht im kleinbürgerlichen Milieu, sondern im Epizentrum der Schweizer Finanzbranche. Dem Paradeplatz in Zürich, der Heimat von Credit Suisse und UBS. Beide Grossbanken und Spitzenbanker sind darin verwickelt. Da ist selbst Bankerlegende Oswald Grübel (75) baff. «Das ist unglaublich», kommentiert er. «Ich kann mich in meiner langen Laufbahn nicht an etwas Vergleichbares erinnern», so der ehemalige Chef von CS und UBS.

Es geht um Bedrohung, Beschattung und Verhaftungen. Und gipfelte Mitte der vergangenen Woche in einer wilden Verfolgungsjagd in Zürich – mit wohl weitreichenden Folgen, wie SonntagsBlick und «SonntagsZeitung» berichten. Starbanker Iqbal Khan (43), noch auf der Lohnliste der CS, jedoch ab 1. Oktober bei der Erzrivalin UBS, brachte seinen Sohn (6) zum Fussballtraining in Herrliberg ZH, seinem Wohnort. Danach fuhr er mit seiner Frau ins Zürcher Stadtzentrum.

Plötzlich fällt Khan ein Fahrzeug auf. Darin drei Männer. Sie folgen dem Paar. Lange, auffällig lange. Abschütteln lassen sie sich nicht. Die Verfolgungsfahrt endet erst beim Restaurant Metropol unweit der Nationalbank und dem Paradeplatz, so die «SonntagsZeitung». Die drei Verfolger – darunter offenbar ein tätowierter Schlägertyp – steigen aus. Schnell versucht Khan mit seinem Smartphone, Aufnahmen von ihnen und dem Nummernschild des Fahrzeugs zu machen. Dann kommt es zum Eklat. Laut SonntagsBlick wollen die Männer Khan das Handy entreissen. Erfolglos. Heftiges Gerangel. Passanten halten inne. Die Verfolger suchen das Weite.

CS-CEO Tidjane Thiam: Wann äussert er sich zum Beschattungsskandal seiner Grossbank?
Foto: AFP
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Strafverfahren läuft gegen die Beschatter

Bei der Polizei geht kurz danach ein Anruf von Khan ein. Ebenfalls informiert der Starbanker den Sicherheitsdienst der CS. Dieser bietet Personenschutz an. Und Ausrüstung, zum Beispiel einen Handsender, um Alarm zu schlagen. Was Khan da noch nicht weiss: Ebendieser CS-Sicherheitschef hatte die Männer für die Beschattung Khans angeheuert!

Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat ein Strafverfahren wegen Nötigung/Drohung eröffnet, bestätigte ein Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft dem Finanzblog «Inside Paradeplatz», der am Freitagmittag als Erster über die Khan-Überwachung berichtete. Am Samstag machte die «FAZ» publik, dass die CS die drei professionellen Beschatter auf Khan angesetzt hatte. Diese wurden letzte Woche durch eine Polizeiaktion gefasst und in U-Haft gesteckt.

Die Grossbank wirft Khan laut der deutschen Zeitung vor, CS-Führungskräfte angegangen zu sein, um sie zur UBS zu locken. Das wäre ein Verstoss gegen die im Juni geschlossene Austrittsvereinbarung. Es habe klare Hinweise auf handfeste Abwerbeversuche gegeben, zitiert «FAZ» Insider. Man habe ihn wohl auf frischer Tat beim Treffen mit CS-Kundenberatern ertappen wollen.

Grossbank CS hüllt sich in Schweigen

Die CS wollte sämtliche BLICK-Fragen gestern nicht beantworten. «Wir äussern uns nicht in dieser Angelegenheit», sagt ein Sprecher. «Kein Kommentar», heisst es auch bei der UBS, dem neuen Arbeitgeber Khans.

Dass eine professionell geführte Grossbank wie die CS aus Abwerbeangst Detektive schnüffeln lässt und sogar eine Eskalation in Kauf nimmt, wirft Fragen auf. Eigenartig am Fall Khan ist zudem, warum CS-Chef Tidjane Thiam (57) den Spitzenbanker nach nur drei Monaten, also ohne lange Kündigungsfrist und ohne weitreichendes Konkurrenzverbot zum Erzrivalen springen lässt. In der Branche ist das äusserst unüblich.

Wie konnte sich Khan derart vorteilhaft von der CS verabschieden? Hat Khan etwas Gröberes gegen Thiam in der Hand, das er hätte publik machen können? Laut SonntagsBlick geht es in diese Richtung. Denn es sei zum endgültigen Bruch zwischen den beiden Alphatieren gekommen. Insider berichteten, es habe eine heftige Auseinandersetzung gegeben, bei der auch Drohungen gefallen seien.

BLICK weiss von einer Khan nahestehenden Person: Der Starbanker hat CS-Präsident Urs Rohner (59) über diesen Vorfall informiert, konnte aber nichts belegen, da der Vorfall unter vier Augen stattgefunden hatte. Aus Sorge um seine Sicherheit liess Khan sich und seine Familie darauf einen Monat lang auf eigene Kosten von einem privaten Sicherheitsunternehmen schützen. Weil in dieser Zeit nicht das Geringste passierte und der Dienst arg aufs Budget schlug, bestellte er den Personenschutz dann wieder ab.

Plötzlich wurden Khan und seine Frau dann letzte Woche tatsächlich verfolgt. Das Paar litt Todesängste, sagt der Insider zu BLICK. Deshalb sei es derart eskaliert.

Nun ist eine klare Stellungnahme der Credit Suisse gefordert. Wie zu hören ist, interessiert sich auch die Finanzmarktaufsicht (Finma) für den Fall. Eine Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Und was findet die Zürcher Staatsanwaltschaft noch heraus?

Entscheidend ist: Wusste die CS-Spitze um Thiam von der Bespitzelung Khans? Wie lange läuft die Beschattung schon? Und wer trägt die Verantwortung dafür? Der gesamte Verwaltungsrat um Rohner steht nun in der Verantwortung, denn es geht um die Reputation der Grossbank.

Ein «lückenlose Aufklärung» fordert auch Bankerlegende Oswald Grübel. So und nicht anders hätte er als CS-Chef bei diesem Skandal reagiert.

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