Ist die exotische Steuer bald Geschichte?
Der Eigenmietwert vor dem Aus

Jetzt geht es dem Eigenmietwert an den Kragen. Denn Mieter und Hausbesitzer ziehen für einmal am gleichen Strang und könnten der ehemaligen Kriegssteuer ein Ende bereiten.
Publiziert: 14.08.2017 um 16:48 Uhr
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Aktualisiert: 16.09.2018 um 13:52 Uhr
Christian Kolbe

Eine Steuer für das Bewohnen der eigenen vier Wände zu bezahlen – das ist wohl weltweit einmalig. In der Schweiz ist der sogenannte Eigenmietwert Realität. Und zwar seit sehr langer Zeit!

Der Staat berechnet ein theoretisches Einkommen aus der selbst genutzten Liegenschaft – den Eigenmietwert – und erhebt darauf eine Steuer. Im Gegenzug dürfen Wohneigentümer Schuldzinsen und Ausgaben für den Unterhalt der Liegenschaft abziehen.

Das Parlament unternimmt in der kommenden Woche wieder einmal einen Anlauf, diesen uralten Zopf endgültig abzuschneiden. Auf der Traktandenliste der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats stehen diverse Geschäfte, die einen Systemwechsel bei der Besteuerung von Wohneigentum zum Ziel haben. Die Abschaffung des exotischen Eigenmietwerts gehört dazu – kein leichtes Unterfangen; schon Finanzminister vom Kaliber eines Otto Stich (1927–2012, SP) oder einer Eveline Widmer-Schlumpf (61, BDP) haben sich daran die Zähne ausgebissen.

Hat der Staat eine Geldquelle, lässt er sie nur ungern versiegen

Denn hat der Staat erst einmal eine Geldquelle entdeckt, lässt er sie nur ungern versiegen. Vor allem, wenn sie schon seit 1915 sprudelt. Damals brachen infolge des Ersten Weltkriegs die Zollerträge der Eidgenossenschaft ein, also wurde eine einmalige Kriegssteuer zur Überbrückung der schwierigen Jahre eingeführt. Da Schlag auf Schlag weitere Katastrophen folgten (Weltwirtschaftskrise in den 30er-Jahren, Zweiter Weltkrieg), entwickelte sich aus der einmaligen Kriegssteuer eine feste Grösse im Einnahmen-Budget des Bundes – ab 1934 inklusive Besteuerung des Eigenmietwerts.

Nun aber bietet sich die historische Chance auf deren Abschaffung. Der Hauseigentümerverband (HEV) ist dafür sogar zu einem Verzicht bereit: «Von den Abzügen für Unterhalt hat auch das Gewerbe profitiert. Somit ist es Sache des Gewerbeverbandes, sich zu wehren – und nicht die Aufgabe des Hauseigentümerverbands», sagt dessen Direktor Ansgar Gmür (63).

Sogar die SP ist für Abschaffung

Selbst die SP, normalerweise Vertreterin der Mieterinteressen, setzt sich für ein Ende des Eigenmietwerts ein: «Der Systemwechsel bedeutet eine Entlastung vieler Haushalte von Rentnerinnen und Rentnern, die ihr Leben lang versucht haben, die Hypothekarschulden abzuzahlen», erklärt Susanne Leutenegger Oberholzer (69).

Klappt alles reibungslos, könnte der Eigenmietwert sogar noch vor den nächsten Wahlen 2019 Geschichte sein!

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