Jahrelange Verfahren wegen gescheiterten Verhandlungen
Tarif-Zoff zwischen Spitälern und Krankenkassen

Verhandlungen über Standardpreise für Gesundheits- Dienstleistungen dauern oft jahrelang. Spitäler sehen die Zusammenarbeit mit den Versicherern infrage gestellt und werfen den Kassen Blockadehaltung vor.
Publiziert: 08.10.2023 um 10:55 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2023 um 15:01 Uhr
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Lino SchaerenRedaktor

In der Regel handeln Krankenkassen und Spitäler die Standardkosten für Behandlungen miteinander aus. Ihre Tarifpartnerschaft ist vom Streit um Preise geprägt – und vom Ziel, sich nach einer Verhandlung die Hände zu reichen.

Doch dieses Modell ist stark belastet. Die Spitäler wollen höhere Tarife, um steigende Kosten decken zu können. Die Versicherer pochen bei den Leistungserbringern auf mehr Effizienz. Einigt man sich nicht, müssen die Kantone die Tarife festlegen – das letzte Wort hat dann häufig das Bundesverwaltungsgericht.

Mit der Teuerung hat sich der Tarifstreit massiv verschärft. Die Spitäler kündigten im Sommer reihenweise ihre Verträge mit den Krankenkassen und pochen auf Neuverhandlung der Tarife. «In vielen Branchen ist es normal, dass die Teuerung zumindest teilweise an die Kunden weitergegeben wird, bei uns ist das völlig undenkbar», sagt Stefan Lichtensteiger, CEO des Kantonsspitals St. Gallen.

Teuerung und höhere Lohnkosten machen den Spitälern zu schaffen. Sie fordern, dass diese in den Tarifen abgebildet werden müssen.
Foto: Keystone
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In St. Gallen sind die Tarifverhandlungen nach der Vertragskündigung gescheitert. Jetzt ist der Kanton am Zug. Bis die neuen Sätze rechtskräftig sind, dürften Jahre vergehen. Vorerst rechnen die Leistungserbringer mit einem sogenannten Arbeitstarif ab. 

Liegt der definitive Tarif am Ende tiefer, muss die Differenz an die Versicherer zurückgezahlt werden. «Das ist keine Tarifpartnerschaft mehr», sagt Lichtensteiger, «die Situation ist völlig blockiert.»

Spitäler unter Druck

Wie seinem Kantonsspital ergeht es derzeit offenbar vielen Krankenhäusern. «Zurzeit scheitern so viele Tarifverhandlungen wie noch nie», sagt Anne-Geneviève Bütikofer, Direktorin des Spitalverbandes H+. Dadurch nehme der finanzielle Druck auf Spitäler zu – in einer ohnehin prekären Situation. 

Der Spitalverband verweist darauf, dass die bisherige Partnerschaft bei der Entwicklung der Tarifstrukturen gut funktioniere. Sich auf konkrete Preise zu einigen, falle aber zunehmend schwer. Auch die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) ist alarmiert, denn die Kantonsregierungen müssten vermehrt Tarife setzen: «Die GDK ruft die Tarifpartner dazu auf, sich am Verhandlungstisch einzufinden und Tarifverträge abzuschliessen.»

Rolf Zehnder sieht beide Seiten in der Pflicht, aufeinander zuzugehen. «Beide Partner sind offensichtlich unreif», sagt der CEO der Spital Thurgau AG. Noch im Juli hatte Zehnder im «Tages-Anzeiger» gewarnt, die Versicherer seien dabei, sich aus der Partnerschaft zu verabschieden. Inzwischen stellt er aber wieder mehr Flexibilität fest.

Branchenverband wiegelt ab

Auch die Spital Thurgau AG hat die Tarifverträge gekündigt, die Verhandlungen laufen erst an. «Wenn die offensichtlich effizienten Spitäler des Thurgaus auch keine kostendeckenden Tarife mehr erhalten, dann werden die Krankenkassen tatsächlich zum Totengräber der Tarifpartnerschaft», sagt Zehnder.

Keinen Anlass zur Sorge sieht derweil der Krankenkassen-Branchenverband Santésuisse. Im stationären Bereich stelle man keine Zunahme gescheiterter Verhandlungen fest, «mehrheitlich gelingen tarifpartnerschaftliche Abschlüsse weiterhin», heisst es auf Anfrage. Anders bei den Tarifen für ambulante Behandlungen, wo eine Zunahme der Festsetzungen durch die Kantone erkennbar sei. Dafür verantwortlich sind laut Santésuisse wegen «fehlender Datengrundlagen» zu den Kosten die Leistungserbringer. l

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