Kampfansage oder Resignation?
Hotelplan geht in die Offensive, bei Melectronics droht Lichterlöschen

Das Erdbeben bei Migros hinterlässt eine Spur der Verunsicherung bei Mitarbeitenden und Kunden. Der Umgang mit der Ankündigung ist je nach Migros-Tochter allerdings recht unterschiedlich.
Publiziert: 05.02.2024 um 16:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.02.2024 um 18:13 Uhr
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Der Zeitpunkt der Verkaufsankündigung durch die Migros hätte für deren Tochter Hotelplan zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können.

Im Januar/Februar ist «Buchungssaison», in der die meisten Schweizerinnen und Schweizer ihre Sommer- und Herbstferien buchen. Darüber hinaus fand in den letzten Tagen die Fespo in Zürich statt, die grösste Schweizer Reisemesse. Die Verunsicherung von Mitarbeitern und Kundschaft war das Letzte, was Hotelplan – nach den schwierigen Corona-Jahren aktuell stark im Aufschwung – gebrauchen konnte.

Beim Blick-Besuch auf der Fespo am Wochenende war von Resignation aber wenig zu spüren. «Jetzt erst recht» ist ein Satz, den man sowohl von Hotelplan-Mitarbeitenden als auch von Laura Meyer (43, CEO Hotelplan Group) und Nicole Pfammatter (52, CEO Hotelplan Suisse) hört. Die beiden Chefinnen haben kurzerhand die Fespo besucht, um den Puls der Mitarbeitenden zu fühlen.

Die Migros wird einige der Logos am Zürcher Hauptsitz wohl bald abnehmen.
Foto: keystone-sda.ch
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Und nicht nur das. Schon am Wochenende sind Sonntagspresse und soziale Medien voll mit einer in Rekordzeit zusammengestellten Werbekampagne. Deren Claim: «Hotelplan schreibt man ohne M». Eine freche, klare Ansage. Wohlgemerkt: In Absprache mit dem Migros Genossenschafts-Bund (MGB).

Das Ende von Melectronics?

Von einer solchen Reaktion ist bei den anderen Verkaufskandidaten nichts zu spüren. Werbekampagne? Einträge auf Social Media? Fehlanzeige.

Beim Fachmarkt Melectronics stehen die Zeichen mehr denn je auf Lichterlöschen. So sind beispielsweise keine Lehrstellen auf dem Melectronics-Portal zu finden. Blick-Informationen zufolge soll zudem die Genossenschaft Migros Aare – etwas deutlicher als andere Migros-Genossenschaften – zum Ausdruck gebracht haben, dass die Melectronics-Filialen kaum zu retten seien. Die verunsicherten Mitarbeitenden dürfen sich aber nicht äussern. Auf eine Stellungnahme der Migros Aare wartet Blick noch.

Auch SportX hat nicht reagiert. Es ist kein sichtbares «Aufhübschen» für potenzielle Käufer in Gang. Bei beiden genannten Unternehmen sind höchstens die Standorte interessant, nicht aber die Produkte.

Tiefer Preis, doch kein «Alleskäufer»?

Die trotzige Haltung von Hotelplan ist bemerkenswert. Da wird alles versucht, für einen Verkauf «hübsch zu bleiben». Trotzdem dürfte die Verunsicherung riesig sein. Ist der angestrebte Gesamtverkauf der Hotelplan Group realistisch?

Preislich schon. Die Migros gibt keine Zahlen zum Betriebsgewinn bei ihren Unternehmen bekannt. Bei rund 1,7 Milliarden Franken Umsatz und «branchenüblichen» 1,5 Prozent Marge dürfte der Hotelplan-Betriebsgewinn 2023 bei rund 26 Millionen Franken gelegen haben. Die Faustregel «sechsfacher Betriebsgewinn» würde einen Verkaufspreis von rund 160 Millionen Franken bedeuten. Allerdings resultierten aus der Corona-Zeit sehr hohe Verluste und damit Schulden, die den Kaufpreis schmälern dürften.

Nur: Wer hätte Interesse am gesamten Gebilde? Fusionsgerüchte mit dem wichtigsten Mitbewerber Kuoni – der inzwischen dem deutschen Rewe-Konzern gehört – gibt es seit Jahren. Eine Fusion würde allerdings einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen im Reiseveranstaltergeschäft und bei den Reisebüros nach sich ziehen. Der weltgrösste Reisekonzern TUI kommt aus denselben Gründen nicht infrage, und die in der Schweiz präsente deutsche FTI Group sucht aktuell selber Investoren.

Kommt ein unerwarteter «Weisser Ritter»? Österreichs führender Tourismuskonzern Verkehrsbüro wäre denkbar, er verfügt mit zwei Versicherungskonzernen über solvente Mütter. «Aktuell ist nichts dergleichen geplant, doch sind wir immer an zukunftsweisenden Entwicklungen interessiert», entgegnet der Konzern auf Blick-Anfrage.

Wahrscheinlicher ist jedoch eine Aufsplittung des Unternehmens in Einzelteile. Das wird jedoch in der IT und der Administration der Hotelplan Group Stellen kosten.

Nicht die ganze Touristik ist weg

Kaum denkbar, dass der heute grösste Schweizer Reiseveranstalter in der aktuellen Form weiterbesteht. Das «Erbe von Dutti» – Hotelplan wurde 1935 von Gottlieb Duttweiler höchstpersönlich gegründet – zerbröselt. Eine Reaktion aus den Fespo-Hallen lautete: «Da hätte die Migros 2022 auch gleich Alkoholverkauf einführen können, das hätte den Geschäftszahlen sicher nicht geschadet.» Bei der Alkohol-Abstimmung setzten sich noch die Migros-Traditionalisten durch. Jetzt weht beim orangen Riesen ein anderer Wind. Fertig mit Cumuluspunkt-Aktionen bei der Marke Migros Ferien!

Wobei: Die Migros hat sich trotz Fokussierung aufs Kerngeschäft gar nicht komplett von ihrem touristischen Geschäft verabschiedet. Noch hat der MGB keinerlei Verkaufsabsichten bezüglich der Monte-Generoso-Bahn im Tessin, wie die Medienstelle bestätigt.

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