Gewerkschaften sauer über Post-Abbau von 3855 Stellen
«Für viele ist das Prospekteverteilen existenzsichernd»

Die Gerüchteküche hat gebrodelt, nun ist es bestätigt. Die Tochtergsellschaft Direct Mail der Schweizerischen Post stellt ihre Zustellorganisation ein und baut dabei 3855 Stellen ab.
Publiziert: 26.10.2023 um 07:30 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2023 um 07:44 Uhr

Paukenschlag bei der Post: Die Post-Tochter Direct Mail Company (DMC) stellt ab Juni 2024 ihre Zustellung ein. Damit fallen 3855 Stellen weg, meist tiefe Teilzeitpensen. Der Schritt erfolgt wegen des Rückgangs bei Werbesendungen und Gratiszeitungen, begründet die Post.

Insgesamt umfasst der Abbau umgerechnet 422 Vollzeitstellen. Die 3855 im Zustelldienst tätigen Betroffenen tragen drei bis acht Stunden pro Woche Werbeprospekte aus. Das entspricht Teilzeitpensen von 8 bis 20 Stellenprozent. Angestellt sind sie im Stundenlohn. Dieser beträgt knapp 17 Franken. Dazu kommt eine Pauschale für Ferien und den 13. Monatslohn. Sind die Prospekte besonders dick, gibt es eine Gewichtszulage.

Nicht nur die Zusteller verlieren ihre Arbeit. Durch die Einstellung der Zustellung bei DMC fallen auch die Stellen von 72 Sachbearbeitern weg. Diese sind in Vollzeit oder mit höheren Pensen beschäftigt. Sie koordinieren und betreuen die Zusteller, stellen Verträge aus oder nehmen Kündigungen entgegen. 

Die Post baut im grossen Stil Stellen ab.
Foto: PIUS KOLLER
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Austragung von Werbung eingebrochen

Die Post prüft ihren Angaben zufolge «umfassende Abfederungsmassnahmen» und eine möglichst sozialverträgliche Umsetzung. Am Mittwoch startete das bei Massenentlassungen gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren. Zum konkreten Sozialplan kann die Post auf Anfrage von Blick noch nichts sagen.

DMC verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren einen Rückgang der Werbesendungen um ein Drittel. Unter solche Sendungen fallen etwa Flyer, Prospekte, Gratiszeitungen und andere unadressierte Werbung.

Die Hälfte des Rückgangs schreibt die Post den «Stopp-Werbung»-Klebern an den Briefkästen zu. Hinzu kamen der Verlust mehrerer Grossaufträge, regionale Mindestlöhne und die Teuerung. Die Sendungen werden künftig von der Post zugestellt, wie der Konzern schreibt. Man würde die notwendigen organisatorischen Anpassungen derzeit prüfen, damit die Werbemittel der DMC-Kunden weiterhin zuverlässig verteilt werden.

Die Post hat die Tochtergesellschaft DMC 2012 zu 100 Prozent übernommen. Das Unternehmen bleibt trotz massivem Abbau weiterhin bestehen, dann aber bloss noch rund 132 Mitarbeiter beschäftigen. Diese sind für die Aufbereitung und Vermarktung des Produkts Consumo zuständig. Consumo ist das vierseitige Trägermedium, in dem Kunden ihre Werbung platzieren können. 

Gewerkschaften erwartet Folgelösungen

Die Sozialpartner machen sich grosse Sorgen um die fast 4000 betroffenen Personen, von denen die meisten als Stundenlöhner mit Minipensen für DMC arbeiten. « Es geht für die meisten nicht darum, sich dank dieses Jobs mehr leisten zu können. Für viele ist das Prospekteverteilen existenzsichernd», sagt Diego Frieden (39) vom Personalverband Transfair.

Gut ein Viertel der DMC-Stundenlöhner ist im AHV-Alter, verdient sich also einen Zustupf zur Rente. Auch Schüler und Studenten verteilen jeden Dienstag die Prospekte in die Haushalte ohne Stopp-Werbung-Kleber auf dem Briefkasten.

Andere Zusteller blicken auf gebrochene Berufsbiografien zurück, haben neben der Anstellung bei DMC weitere Jobs, um überhaupt über die Runden zu kommen. Bleibt die Frage, wie viele der Stundenlöhner überhaupt eine Chance haben, bei der Post eine neue Stelle zu finden.

Für Manuel Wyss (42), Leiter Sektor Logistik bei der Gewerkschaft Syndicom, ist deshalb klar: «Die Post muss als drittgrösste Arbeitgeberin der Schweiz in der Lage sein, allen Betroffenen ein Jobangebot zu machen.» Zumal die Post über verschiedene weitere Verteil- und Zustellorganisationen verfüge. Und diese nun bei eh schon angespannter Personalsituation auf die Dienstleistungen von DMC übernehmen müssten.

Syndicom fordert «substanzielle Abgangsentschädigungen»

Personalverband und Gewerkschaft fordern eine Verlängerung der Konsultationspflicht um weitere zwei Wochen: Dabei gehe es darum, so viele Stellen wie möglich zu retten, so Frieden von Transfair. «Wir werden jetzt Ideen und Vorschläge aus der betroffenen Belegschaft sammeln. Auch wenn es schwierig ist, dass sich über die ganze Schweiz verteilten Leute zu einer gemeinsamen Konsultation treffen.»

Endet das Konsultationsverfahren ohne Ergebnis, braucht es einen «Sozialplan mit substanziellen Abgangsentschädigungen», verlang Wyss von Syndicom und Frieden von Transfair ergänzt: «Die Post kann sich einen Sozialplan leisten, der dem Ernst der Lage gerecht ist.»

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